piwik no script img

Kolumne ZeitschleifeAls Hitler das Purple Haze stahl

Kommentar von Josef Winkler

Hängt bei Ihnen in der Stadt auch überall dieses Sportartikelwerbeplakat rum mit dieser Frau, die sich grad die Turnschuhe zubindet und sagt "Bei Kilometer fünf werde ich langsam wach"?

H ängt bei Ihnen in der Stadt auch überall dieses Sportartikelwerbeplakat rum mit dieser Frau, die sich grad die Turnschuhe zubindet und sagt oder denkt, jedenfalls steht das da als Zitat: "Bei Kilometer fünf werde ich langsam wach"?

Ich wundere mich jedes Mal aufs Neue, wenn ich an dem Plakat vorbeikomme, was das wohl für eine verschnarchte Trulla sein muss, um Himmels willen! Fünf Kilometer in Turnschuhen durch die Gegend rennen, bis man überhaupt mal ansprechbar ist? Und das soll die Dynamik ausstrahlen, die so ein Sportartikelhersteller für seine Werbebotschaft braucht? Die sollten mal bei mir anrufen, die könnten mich zum Face ihrer neuen Kampagne machen. Ich starre jetzt zum Beispiel schon seit drei Stunden - und ohne vorher auch nur einen METER in Turnschuhen herumgerannt zu sein - stumpf auf diesen Bildschirm und bin IMMER noch nicht so wach, dass mir ein zündender Dreh einfiele für diese Kolumne, die die Hektiker von der tazzwei schon wieder wollen - noch VOR Drucklegung der Ausgabe, ist ja klar. Die stellen sich das so einfach vor, dabei habe ich einen Burnout. Ja, einen kleinen nur, aber "Burnout" hört sich einfach seriöser an, als wenn ich sagen würde: "Es ist jetzt 11.31 Uhr, und wenn jetzt nicht bald ein Thema zum Fenster reinflattert, muss ich den Rest des Platzes damit füllen, einen Witz zu erzählen."

Josef Winkler (35) lebt und arbeitet, was sein Nervenkostüm und Zeitbudget nicht unerheblich in Anspruch nimmt, in München und Palling. Hobbies: Zeichnen, Tiere, Musik, Nichtschwimmen.

Dabei hätte ich zwei 1a-Überschriften und zu jeder auch ein 2b-Textfragment, zu dem einen lässt sich sogar günstig überleiten. Achtung! Apropos Wortfindungsschwierigkeiten: Wir hatten letztens eine 80s-Pop-Situation, und der Kollege erzählte, er habe sich früher beim Song "Words" von F. R. David beim Refrain "words dont come easy to me" immer gefragt, wer bloß dieser Don Camisi sein mochte. Ich übrigens auch - ebenso wunderte ich mich damals über Jimi Hendrix, diesen wild aussehenden Mann, der von einem purpurfarbenen Hasen sang.

Heute beschäftigten uns aber mehr Schicksal und Verbleib von F. R. David. Wofür stand eigentlich das F. R.? Und was macht er heute? Von anderen One Hit Wonders kennt man ja immer noch eine zweite oder dritte erfolglose Nachfolgesingle, aber bei F. R. David gibts nur dieses eine Lied. Was ist los mit dem? Man könnte es googlen, aber wir wollen es gar nicht so genau wissen und ergötzen uns an der unserer Ansicht nach einzig plausiblen Erklärung für sein rätselhaftes Verschwinden: Der hats wahrscheinlich als einer der wenigen überhaupt richtig angestellt und sich dann damals mit seinem dicken Sack Hit-Geld abgeseilt - "tschüs, ihr Loser!" Und schön Taucherschule in der Karibik. Heute noch bekommen seine daheim gebliebenen alten Kumpels in Islington jedes Weihnachten eine Postkarte: "Schöne Grüße von Barbados. Wetter immer noch super. Frohes Fest - Don Camisi". Da: Schon meldet ein Gschaftlhuber, der F. R. David komme gar nicht aus Islington, der sei Franzose! Ich aber sage: Kauf dirn Leuchtkeks, kannste im Dunkeln essen! Ey, warte mal: Werent you the one who tried to hurt me with Geseier? Dacht ichs mir doch. Sie sehen schon: All das ist nicht im Entferntesten Büchner-Preis-verdächtig. Und deshalb hab ich ihn auch nicht gewonnen. Also: nicht nur deswegen nicht, sondern noch wegen einer ganzen Reihe anderer Gründe nicht - der Georg Büchner würde sich ja schön bedanken, wenn die Trulla, die nach vier Stunden vorm Computer langsam wach wird, seinen Preis bekäme. Gott, wär das peinlich! Ich möchte also der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung für ihre Umsicht danken, nicht mich, sondern meinen österreichischen Namensvetter Josef Winkler auszuzeichnen; war echt besser so. Aber mir wurde in der Folge der Meldung so viel gratuliert von wohlmeinend witzelnder Seite, dass mir die Sache dann doch irgendwie zu Kopfe gestiegen ist.

Weswegen ich hiermit den einmalig zu vergebenden Josef-Winkler-Preis stiften möchte. Er ist dotiert mit 5 Euro und einer schönen selbstgebrannten Mix-CD und ich würde ihn gerne an einen Namensvetter von Georg Büchner verleihen. Ist da einer? Oh, bitte melden Sie sich.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen