Kolumne Wutbürger: Für immer draußen, verdammt
Laufbier, Grillabende – und Frauen, die sich draußen die Nägel feilen: Weite Teile der Bevölkerung bereiten sich auf ihre drohende Entmietung vor.
W as man früher in seinem Badezimmer, der Küche oder im Schlafzimmer erledigt hat, verlagert sich immer mehr in den öffentlichen Raum. An die To-go-Becher-Horden habe ich mich ja schon gewöhnt. Aber als sich ein Pärchen, zehn U-Bahn-Stationen lang vor mir abschleckte und befummelte, dachte ich dann doch: Haben die keine Wohnung?
Inzwischen vermute ich, dass sich weite Teile der Bevölkerung unbewusst auf ihre drohende Entmietung vorbereiten. Warum sonst sollte sich eine junge Frau nachts auf der Straße ausführlich die Nägel feilen? Und dann das flächendeckende Phänomen des „Laufbiers“. Die jungen Leute ahnen instinktiv, dass es bei ihnen in absehbarer Zeit nicht mal mehr für einen Stuhl reichen wird.
Ein weiteres Indiz für meine Beobachtung ist die wachsende Begeisterung fürs Grillen. Anstatt sich zu freuen, noch eine Wohnung mit Küche und Tisch zu haben, drängt alles ins Freie. Selbst Freunde, für die Dekantiertrichter und Buttermesser in der Küchenschublade eine Selbstverständlichkeit sind, laden nur noch ans offene Feuer.
Egal ob es draußen zu nass, zu kalt oder zu heiß ist. Penetrant wird bei dieser Form des geselligen Beisammenseins die Gemütlichkeit beschworen, auch wenn es nur Stehplätze gibt.
Die befinden sich meistens in Hinterhöfen oder überfüllten Parks. Da steht man dann mit seinem Pappteller vor dem gestressten Grillmeister und wartet. Der hat entweder seine Kohlen oder sein Grillgut nicht im Griff. Die meisten Gäste dieser Veranstaltungsform sind total entspannt, warten gern etwas länger auf ihr verkohltes Fleisch. Hauptsache, sie essen unter freiem Himmel.
Die Demokratie hat ein Nachwuchsproblem. Heißt es. Dabei gibt es sie: Junge Menschen, die in eine Partei eintreten. Die sonntaz hat sechs von ihnen begleitet – bis zu ihrem ersten Wahlkampf. Die Titelgeschichte „Wer macht denn sowas?“ lesen Sie in der taz.am wochenende vom 24./25. August 2013. Darin außerdem: Ein Gespräch mit der Ethnologin Yasmine Musharbash über Monster, und ein Porträt über Wolfgang Neskovic, der einst aus der Linksfraktion ausbrach. Außerdem der sonntaz-Streit zur Frage: Braucht Deutschland Coffeeshops? Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
Da ich etwas ungeduldig bin, vor allem wenn ich Hunger habe, und dann noch darauf bestehe, dass mein Tofuwürstchen mit einer Extragabel gewendet wird, werde ich kaum noch eingeladen. Kein Drama, wäre die Saison auf den Sommer beschränkt. Aber die Aussichten auf mein Sozialleben sind eher negativ.
Der neue Trend ist „Immer grillen“, da wird Silvester abgegrillt und an Neujahr schon wieder angegrillt.
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