Kolumne Wortklauberei: Du freust dich ja gar nicht
Eia Popeia, was raschelt im Stroh? Das ist der Bundesinnenminister, der freut sich so!
O sama bin Laden ist tot! Ja, was ist denn los? Du freust dich ja gar nicht. Du freust dich ja gar nicht richtig, ich sehs an deinem Gesicht! Die Kanzlerin hat gesagt, dass sie sich freut, dass es gelungen ist, bin Laden zu töten. Und du bläst hier Trübsal, du Miesepeter? Gut, dem Gesicht der Kanzlerin hat mans auch nicht direkt angesehen, dass sie sich gar so freut.
Und nein, so was hab ich auch noch nie gehört von einem Politiker oder Staatsrepräsentanten dieser Kategorie. So was hört man ja auch wirklich eher selten. In der Tat kann ich mich überhaupt nicht erinnern, jemals eine Person des öffentlichen Lebens offiziell verkünden gehört zu haben, er oder sie "freue" sich über die Tötung, den Tod von wem auch immer. Jedenfalls nicht nach 1945.
Das ist eine ziemlich monströse Aussage, wenn mans mal genau nimmt. Aber a) gehört das wahrscheinlich noch zur "uneingeschränkten Solidarität" mit den Amerikanern, die wir mal geschworen haben, und wenn die sich doch so freuen? Und warum sollte b) die Frau mit der rhetorischen Präzision einer zu schlapp gefüllten Wasserbombe jetzt auf einmal genau nehmen, was sie für einen abgründigen Dreck daherlabert; sie hat doch weiß Gott Wichtigeres zu tun.
JOSEF WINKLER lebt und arbeitet, was sein Nervenkostüm und Zeitbudget nicht unerheblich in Anspruch nimmt, in München und Palling. Hobbies: Zeichnen, Tiere, Musik, Nichtschwimmen.
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich - Sie wissen schon, das ist der, wo man sich immer fragt: Ja, kruzefix!, hat jetzt das auch noch sein müssen, dass der Bundesinnenminister wird? -, der Bundesinnenminister hat auch gesagt, "wir" (wen immer er alles damit meinte) "empfinden Freude" über den Tod von Osama bin Laden. Er hat das in einer "ersten Reaktion" gesagt in so hochoffiziösem Duktus, als sei das die sozusagen vom Protokoll erwartete Worthülse eines ranghohen Politikers in Reaktion auf so eine Nachricht - so wie man eben einen "feigen Anschlag verurteilt" oder eine "Entwicklung mit Sorge beobachtet".
Fast hätte man meinen können, das mit der ostentativen Freuerei sei schon wieder so eine offizielle Sprachregelung der Regierung, wie man sie jetzt ja öfter hatte. Aber dann hätte sie ja auch der Ramsauer noch in irgendein Mikro hineingesagt. Hat er? Wenn, dann hab ichs nicht mitgekriegt. Ich empfinde Freude darüber, dass ich nicht alles mitkriege, was der Ramsauer irgendwo hineinsagt.
"Osama bin Laden", hat der Bundesinnenminister Friedrich auch noch gesagt, "steht für einen Terrorismus der Menschenverachtung und Unmenschlichkeit." Das ist natürlich ein totaler Scheißsatz und ungefähr so, wie wenn man sagt, B. B. King stehe für einen Blues der kleinen Septimen und verminderten Quinten, und es würde einen ja interessieren, was für verschiedene Terrorismusse der Herr Friedrich so unterscheidet.
Aber Hauptsache, es ist irgendwas dahergelabert, was sich dramatisch und ein bisschen wuchtig anhört, vor allem, wenn man eigentlich eh grad ein Anliegen hat, so ein Zufall!, nämlich das Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz ein bissl zu entfristen. Das Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz, bald mit einem Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetzpauschalentfristungspassus! Hach … Was ist?
Du freust dich ja immer noch nicht!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste