Kolumne Wir retten die Welt: Eine unglaubliche Erfolgsbilanz
Atomausstieg, Energiewende, happy Biohühner: Ohne uns gäbe es das alles nicht. Eine größenwahnsinnige Bilanz von 25 Jahren ÖWi-Redaktion.
L etzte Woche schrieb ich diese Kolumne mit dem Tenor: Wer die Welt retten will, muss Grün wählen. Die Ökopartei wackelte da in den Umfragen bei 6 Prozent herum. Am Wahlabend bekam sie knapp 9 Prozent der WählerInnenstimmen.
So einfach geht das bei uns mit der Weltrettung. Seit 25 Jahren.
So lange gibt es jetzt das taz-Ressort Wirtschaft und Umwelt. Wir „Öwis“ arbeiten daran, den Weltuntergang immer noch ein bisschen hinauszuschieben. Im konkreten Fall sah das so aus: Die 300.000 LeserInnen, die die taz täglich hat, waren alle von meinem Artikel spontan überzeugt. Jeder überzeugte fünf weitere Wahlberechtigte und – zack – am Sonntag wählten 1,4 Millionen Menschen mehr die Partei für Kohleausstieg, Ökolandbau und Elektromobil. Wieder einen kleinen Schritt weg vom Abgrund.
Der Titel dieser Kolumne ist kein Zufall. „Wir retten die Welt“ steht mit veganer Farbe auf der handgeschnitzten Eingangstür aus fair zertifiziertem Bioholz zu unseren Redaktionsräumen. Jeden Morgen versammelt sich hier die Öwi-Redaktion to make the planet great again.
Und das sehr erfolgreich. Kollege Malte Kreutzfeldt schreibt seit Jahren gegen den nuklearen Irrsinn. Jetzt wird ein AKW nach dem anderen ausgeknipst. Beate Willms berichtet über Wildnis und Natur, und schon kommt der Wolf zurück. Richard Rother kämpft schon immer für eine bessere Verkehrspolitik. Endlich rauscht der ICE von Berlin nach München in vier Stunden.
Damit nicht genug. Kai Schöneberg schreibt gegen das Freihandelsabkommen TTIP. Jetzt ist die Bestie klinisch tot. Eva Oer recherchiert zur Entwicklungspolitik. Im vergangenen Jahr gab Deutschland endlich die versprochenen 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung für Hilfe an arme Staaten aus. Svenja Bergt schreibt über Digitalisierung und Datenschutz. Und siehe: Die EU-Kommission legt sich inzwischen schwer mit der Datenkrake Google an. Und: Seit 2008, als Jost Maurin unser Redakteur für Landwirtschaft wurde, haben sich die Bioäcker in Deutschland um sagenhafte 38 Prozent vergrößert.
Die Öwi-Erfolgsbilanz ist noch viel länger. Ulrike Herrmann seziert hier seit Jahren den Kapitalismus, das System ist mittlerweile praktisch erledigt. Ingo Arzt geißelt die Finanzpolitik und Lehman Brothers rauschte in die Pleite. Heike Holdinghausen ist unsere Expertin für Umweltgifte, und die EU ist prompt eingeknickt und hat die Chemikalienrichtlinie REACH erlassen. Und dann sind da noch die Tausenden von freien Mitarbeitern, PraktikantInnen, freien AutorInnen und Leserbriefschreibenden, ohne die es weder Energiewende, Tierbefreiung, Fahrradboom, grünes Wachstum noch den Triumph der Nachhaltigkeit gäbe.
Unbeirrt arbeiten wir immer weiter an einer besseren Zukunft. Auch deshalb sind wir eines der reproduktivsten Ressorts der tageszeitung. Gerade erst vor vier Wochen ist der jüngste Nachwuchs-Öwi geboren worden, der in 20 Jahren die Weltformel finden wird, um das Klimagas CO2 aus der Luft zu filtern und unschädlich zu machen.
Erfolg auf ganzer Linie also. Nur meine persönliche Bilanz ist düster. Zwar berichte ich über den Klimawandel, bin 2015 zur UN-Konferenz COP21 gefahren und mit dem Pariser Abkommen zum Klimaschutz nach Hause gekommen. Aber zweimal habe ich jeweils für ein halbes Jahr unser Superressort als kommissarischer Leiter geführt. Beim ersten Mal brach die Rinderseuche BSE über Europa hinein. Beim zweiten Mal flogen in Fukushima die Atomkraftwerke in die Luft. Für die Rettung der Welt ist es eindeutig besser, wenn ich mich zurückhalte.
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