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Kolumne Wir retten die WeltDer große Sieg

Bernhard Pötter
Kolumne
von Bernhard Pötter

Und was denken Sie, wenn Sie „Öko“ lesen? Vermutlich „Ökologie“, oder? Eben. Die Geschichte einer Vorsilbe, die auch die Geschichte guter Ideen ist.

Das ist Karl der Käfer. Er wurde gefragt. Endlich. Bild: ap

D ie Augen gingen mir auf zwischen Babywindeln und Frühstücksspeck irgendwo in Gang 13. Im Leclerc-Supermarkt im Pariser Vorort St. Cloud wurde mir vor acht Jahren schlagartig klar, dass wir Ökos den Kampf gewonnen haben. Also zuerst in Deutschland. Aber sicher auch bald im Rest der Welt.

Naiv wie ich als Neuling in Paris damals war, hatte ich in diesem Riesensupermarkt eine Entdeckung gemacht: Alles öko hier! Gelb auf blau und sogar mit Ausrufezeichen!! Das Klopapier: „Éco!“ Der Joghurt: „Éco!“ Sogar die Filzstifte für die Kinder: „Éco!“ Und dann auch noch alles so billig! Meine Frau Anna, studierte Romanistin, lachte laut los, als ich zu Hause von meinem Ökofischzug berichtete. „Éco heißt nicht öko“, belehrte sie mich. „Faire l’économie, das heißt sparen.“

Statt Bioessen und nachhaltigem Hinternwischpapier waren die tollen Angebote also Supersparpreise. Ah oui, eines meiner Missverständnisse in der Sprache Gustave Flauberts, dem noch einige folgen sollten.

Kurz war ich enttäuscht. Dann dachte ich: Darauf hoffen wir doch seit 50 Jahren. Denn woran denken Sie, wenn Sie die Vorsilbe Öko- hören? Genau, an die Zauberfee Ökologie und nicht an ihre hässliche Schwester, die Ökonomie. Diese Vorsilbe hat sich die Umweltbewegung erobert und gibt ihn nicht mehr her.

In einer Welt, in der die eigene Marke die Existenz sichert, ist das ein riesiger Vorteil. Wir könnten uns jetzt lange freuen über den Sieg des Wortes (logos) über das Gesetz (nomos) oder tief darüber nachsinnen, dass Wirtschaft und Umwelt so zusammenhängen wie im gleichnamigen Ressort der taz. Egal. Wer Öko- sagt, der meint die Rettung der Welt: in Gummistiefeln Kröten über die Straße tragen statt im Businessanzug Kröten scheffeln.

Zumindest in Deutschland liegen Sie damit voll im Mainstream. Braten Sie für Freunde Ökofischstäbchen, denken alle, Sie seien im Bioladen gewesen. Legen Sie Ihr Geld in Ökoanleihen an, dann wissen alle, dass Sie Mitleid verdient haben. Nennen Sie Ihren Nachbarn einen Ökozausel, ist es klar, dass er nicht Chef einer Chemiefabrik ist.

Die Eco-Design-Richtlinie

Der Rest der Welt tickt schon ähnlich. Die Eco-Design-Richtlinie der EU dreht sich nicht um möglichst billiges Aussehen, sondern um umweltverträgliche Produkte. Der Ökotourismus darf mehr kosten, weil er unser Gewissen, nicht die Brieftasche entlastet.

„Schon klar“, sagt mein Freund Ernst, der sicher kein Öko ist. „Aber was ist mit Ökoautos oder Ökokühlschränken? Die sind ökologisch, gerade weil sie ökonomisch sind.“ Es klang wie ein Werbespot der Autokonzerne, die sich seit hundert Jahren gegen das Dreiliterauto wehren.

Aber hat er recht? Sind Umwelt und Wirtschaft keine Gegensätze mehr? Haben wir das grüne Nirwana schon erreicht und es nur nicht gemerkt? Sind -nomie und -logie doch siamesische Zwillinge, und lösen wir alle Widersprüche zwischen Naturschutz und Wirtschaftswachstum durch fair gehandeltes Biobenzin, das Waisenkindern eine Ausbildung finanziert?

Da muss ich Sie enttäuschen. Dass Öko und Öko immer noch Todfeinde sind, merken Sie ganz einfach an dieser Frage: Was verstehen elf von zehn Deutschen unter einer Ökodiktatur? Antwort: Wenn Glühbirnen verboten werden, die viel mehr Wärme als Licht erzeugen. Und nicht, wenn sie mit ihrem Steuergeld Banken retten, von denen sie vorher mit Schrottkrediten betrogen wurden.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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2 Kommentare

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  • Wer individuell ist, also ein Teil der Vielfalt des Menschen, der versteht die Vielfalt der Arten und Natur und ist bereit sie zu schützen.Wir müssen also den Massenproduzenten die Produktionsmittel sozusagen entreißen indem wir die uns technologisch zur Verfügung stehenden Mittel nutzbar machen individuelle Produkte für jeden zu entwerfen oder selbst entwerfen lassen (bsw. 3-D Drucker und 2-D Webmaschine) damit wir jeden Menschen tatsächlich weitgehend produktmäßig autonomisieren, anstatt ihn zu einem Teil einer hilflosen Konsumentenmasse zu machen.

  • Das fair gehandelte Benzin an der grünen Tankstelle wäre sogar machbar, z.B. "Sprit aus Algen".

     

    Bezahlbarer Öko-Fair-Kaffee auch, frisch & selbst geröstet, das ist nur eine Frage der Organisation.