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Kolumne Vom Überleben in der KriseUnd immer grüßt die Bank

Während in Europa massig Staatsschulden angehäuft werden, sind angeschlagene Kreditinstitute fein raus. Sie werden gerettet – alles andere wäre zu gefährlich.

Die Banken sind sicher – so oder so Bild: Yunioshi/photocase.com

E s scheint in der Eurozone keine Woche zu vergehen, ohne dass nicht schon wieder Banken gerettet werden müssten. Griechenland rutscht auf einen weiteren Schuldenschnitt zu, die angeschlagene franco-belgische Dexia erhält erneut Milliarden aus Paris und Brüssel, Zypern will am Freitag über Bankenhilfen verhandeln.

Auch Spaniens Staatsschulden explodieren, weil es seinen Banken beispringen muss – und Irland hat seine Banken schon unterstützt, will diese Hilfe jetzt aber kostengünstiger auf den Rettungsschirm ESM umschulden. Irgendwie hängen immer die Banken mittendrin. Da kommt ein natürlicher Impuls auf, der inzwischen rechts und links eint: Lasst diese verdammten Banken endlich pleitegehen!

Die Wut wird noch gesteigert durch die unbestreitbare Tatsache, dass innerhalb von fünf Jahren bereits die zweite Welle der Bankenrettungen rollt. Als die US-Hypothekenblase ab 2007 platzte, waren ebenfalls sehr viele Kreditinstitute in Bedrängnis – vorneweg in Deutschland. Die lange Liste weckt noch heute ungute Erinnerungen: IKB, HRE, WestLB, HSH Nordbank, BayernLB, SachsenLB, Commerzbank.

Da ist es verständlich, dass als allgemeines Gefühl herrscht: Jetzt reicht es aber! Zumal viele Deutsche bisher irrtümlich dachten, sie würden in einer Marktwirtschaft leben. Und in einer Marktwirtschaft – sagte schon Ludwig Erhard – müssen die Unternehmen für ihre Fehler haften. Wer blöd ist, endet im Konkurs.

Bild: taz
ULRIKE HERRMANN

ist taz-Wirtschaftskorrespondentin und ausgebildete Bankkauffrau. In ihrer Lehrzeit hat sie die erste große Aktienblase erlebt – in den 1980ern.

An dieser Stelle wechseln sich jeden Woche unter anderem ab: Gesine Schwan, Rudolf Hickel, Jens Berger.

Banken werden immer gerettet

Dies gilt jedoch offenbar nicht für Banken. Sie werden immer gerettet. Also kursiert der Verdacht, dass Politik und Finanzmärkte unter einer Decke stecken. Man wittert die ewige Intrige des Lobbyismus. Und es stimmt ja: Die Finanzindustrie ist permanent damit beschäftigt, die Regierung mit Lobbyargumenten zu traktieren.

Da wird niemand geschont. Nicht das Kanzleramt, nicht die Ministerien, nicht das Parlament. Trotzdem wäre es falsch zu glauben, dass allein der Lobbydruck dafür sorgt, dass die Banken gerettet werden. Der Grund ist viel schlichter: Es wäre zu gefährlich, Banken pleitegehen zu lassen, wenn es sich um eine systemische Krise handelt – wenn also nicht nur ein Kreditinstitut in Schwierigkeiten ist, sondern viele Banken gleichzeitig.

Dann könnten diese Pleiten innerhalb von Stunden eine „Deflationsspirale“ auslösen, die die gesamte Wirtschaft in den Abgrund reißt. „Deflationsspirale“ klingt technisch, aber der Prozess ist einfach zu verstehen. Wenn eine Bank auf den Konkurs zusteuert, wird sie versuchen, den Bankrott abzuwenden, indem sie Aktien, Immobilien und Kreditforderungen verkauft.

Wenn dies gleich mehrere Banken tun, kollabieren die Vermögenspreise. Eine Immobilie, die gestern noch eine Million Euro wert war, ist morgen für 800.000 Euro zu haben. Dies bringt alle anderen Banken in Bedrängnis, die Hypothekarkredite vergeben haben. Also fangen auch diese Institute an, ihre Löcher in der Bilanz zu stopfen, indem sie panisch „Assets“ verkaufen. Die Preise sinken ins Bodenlose.

Es scheint ein Überangebot zu herrschen

Spätestens in diesem Moment ist auch die Realwirtschaft betroffen. Wer wird noch ein Haus bauen oder in ein Unternehmen investieren – wenn überall die Preise sinken? Denn der „Markt“ scheint ja zu signalisieren, dass ein Überangebot herrscht, sonst würden die Vermögenspreise nicht kollabieren. Was mit der Pleite einer Bank begann, wird über Nacht zu einer schweren Rezession.

Noch schlimmer: Sobald die Deflation eingesetzt hat, ist sie kaum noch zu stoppen. Es ist also zwingend, die Banken zu retten. Aber dies heißt nicht, dass Banker und Gläubiger kostenfrei davonkommen müssen. Man könnte sie stärker besteuern – so schlicht. Höhere Spitzensteuern, Vermögens- oder Erbschaftsteuern wären ganz gefahrlos. Denn Steuern für die Reichen haben eine Wirtschaft noch nie ruiniert. Das behaupten nur die Lobbyisten – leider wird ihnen noch geglaubt.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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8 Kommentare

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  • H
    Helene

    Es gibt einen großen Unterschied zwischen der ersten Welle und der zweiten. Bei der ersten Welle (amerikanische Papiere) haben die Deutschen die Verantwortung für ihre Banken übernommen und und die riskanten Papiere ausgelagert in eine riesige Badbank für die der Deutsche Steuerzahler bürgt (nicht der französische, spanische, griechische...etc.). In der zweiten Welle (gestartet mit den griechischen Papieren) waren insbesondere französische Banken investiert und somit betroffen. Da wurde keine nationale Badbank wie in der BRD geschaffen, nein da hat der Franzose Trichet (EZB) unter Bruch der Verträge große Teile der griechischen Papiere gekauft, um Frankreich zu schonen. Damit wurden die Risiken der französischen Banken zu ca. 1/3 automatisch zu Risiken des Deutschen Steuerzahlers. Das ist der eigentliche Skandal, der in Folge, weil es so schön einfach ist eine Lawine ins Rollen brachte, die den deutschen Bürger nach und nach enteignet und einigen Generationen die Zukunftschancen bzw. den Wohlstand rauben wird. Die Zerstörung des deutschen Sozialstaats wird eine Folge sein. 

     

    Ein weiterer Skandal ist, das die deutsche Medienlandschaft das so hinnimmt ohne ihre Wächterfunktion zur Wahrung unser Demokratie gerecht zu werden. Wahrscheinlich liegt das mittlerweile an mangelnden Fähigkeiten und mangelnder Bildung in den Redaktionsstuben deutscher Zeitungen. Da sind sicherlich auch mehr Sozialpädagogen als Wirtschaftsfachleute zugegen. Vielleicht ist es in der BRD mittlerweile auch ein Problem, dass keine Eliten mehr herangebildet werden, die der wachsenden Komplexität gewachsen sind und dem langfristigen Wohl unserer Bürger dienen. Ich habe das Gefühl das wir von Menschen geleitet werden, denen kurzfristiges Karrieredenken und das denken in Wahlperioden oder auch das sonnen in großzügigen internationalen Glanz, wichtiger ist als das langfristige Wohlergehen des Landes. Es sei nur daran erinnert, wie selbstgefällig die Regierung Schröder/Fischer die Griechen in den Euro gewunken haben. Damit das Land und die Bürger einem wichtiger sind als das individuelle Wohlergehen und die eigene Karriere müsste wahrscheinlich mehr patriotisches Empfinden vorhanden sein, aber das ist mittlerweile verpönt in der BRD. Es ist auch vergessen, dass Patriotismus Staatstragend und Staatserhaltend ist und somit notwendig. (Für die einäugigen: ich spreche nicht von Nationalismus).

  • B
    Buerger

    Wenn die Bank verliert, verliert der Sparer seine Einlagen. Und dazu gehört nunmal Oma Erna dazu, die seit 50 Jahren sich mühsam ein paar Kröten auf dem Sparbuch gespart hat. Wenn die weg sind, wird Oma Erna um ihr Lebenswerk betrogen. Und dann ist das Vertrauen in die Banken und auch den Staat dahin. Deshalb rettet der Staat die Banken. So lange, bis er selber pleite ist. Aber bis dahin ist der Stab der gewählten Volksvertreter an den Nachfolger übergeben. Hauptsache Zeit gekauft. Etwas anderes kann die Politik nicht mehr.

  • KH
    K. Hering

    Ulrike Hermann hat einen wichtigen Faktor beleuchtet. Jeder noch so versteinerte Geld oder Systemkritiker sollte diesen Aspekt zumindest repektieren.

    Kollabierende Vermögensmärkte bedeuten kollabierende Ökonomie bedeuten politischen (unkontrollierbaren) Zerfall.

    Freilich sollen damit nicht die ebenso gewichtigen Argumente der Geld/Systemkritiker weggewischt werden. Weiteres Aufblähen des Finanzcasino mit weiteren Schuldkonstruktionen lösen nicht systemischen Probleme die durch das viele renditehungrige Spielgeld der Vermögenden entstehen. aber genau hier setz ja der Vorschlag an. Dieses Spielgeld soll über staatliche Steuern und Vermögensabgaben eingezogen werden. Wenn damit Staatschulden ausgeglichen werden ist überschüssiges Kapital entwerte - ohne Crash. Eine noch nicht sehr konkretisierte aber doch praktische Handlungsanweisung.

    Das spricht ja nicht dagegen daß man parallel dazu Banken verstaatlicht oder zumindest in ihrem Handlungsspielraum stark einschränkt.

  • RT
    reiner tiroch

    dennoch wurde über das REPO-Programm an 52 Banken glatt 6,156 Billionen schon bezahlt.

    das OMT-programm gibt Ländern bei extremen Szenarien unbegrenzt geld ohne Auflagen.

    das ELA-programm gibt Ländern unbegrezt geld ohne Auflagen als Notfall-Liquditätshilfe.

    der ESM-hebel kommt garantiert, und die Banken haben das Wandelkapital(Geld der Kunden) als Eigenkapital gewertet. Abwicklung über A-Konten?

    der EFSF, Sof-fin, Banken, Bad-Banken und die EZB laden alle Risiken in den ESM ab.

    unsere Ehrlichen politiker die immer noch auf der nach Vetrauen sind, erzählen uns artig, dass wir auf einen guten Weg sind. gell?

  • WW
    W. Wacker

    "IKB, HRE, WestLB, HSH Nordbank, BayernLB, SachsenLB, Commerzbank". was fällt uns auf? Überwiegend Staatsbanken.

    Wenig bekannt: auch bei der HRE war der Bund schon immer der größte Einzelaktionär und der Bundesfinanzminister oder sein Vertreter saß im Aufsichtsrat.

     

    Und in einer Marktwirtschaft müssen die Unternehmen für ihre Fehler haften. Wer blöd ist, endet im Konkurs.

     

    Logische Schlussfolgerung: der Staat als Unternehmer ist blöd und sollte im Konkurs enden.

     

    Frau Herrmann, wollten Sie uns das sagen?

  • FH
    Frau Herrmann,

    es ist Unsinn, daß Banken gerettet werden müssen.

    Was glauben Sie denn, was dabei herauskommt, wenn die systemischen Fehler durch immer weitere Schulden immer mehr in die Länge gezogen werden werden? Na?

    Eben.

    Sie, Frau Herrmann, kapieren einfach das Wesen einer Exponentialfunktion nicht.

     

    Die Verzögerungsorgie dient einzig und alleine den Banken und der Politikerkaste, die von ihr finanziert und gesteuert wird, weltweit.

  • T
    ThierrydeCologne

    Die Bank, deinen Feind, deinen Dieb. Mehr dazu: http://www.human-dignity.org/Plant_Bruessel_Armut.pdf

    So sieht die Realität leider aus.

  • MK
    Michael Kruse

    Die Einführung einer Vermögenssteuer hat m. E. nichts mit der Bankenrettung zu tun.

     

    Die Steuergelder für eine "Bankenrettung" müssen, natürlich, so schnell wie möglich zurückgezahlt werden. Noch bevor Boni´s oder Dividenden gezahlt werden! Ansonsten wäre die Bank abzuwickeln, wobei alles Verwertbare in die Staatskasse wandert.

     

    Eine Besteuerung der Reichen wäre aus Gründen der Haushaltskonsolidierung ebenso wünschenswert.

     

    Im Moment hat man doch den Eindruck als würde der "kleine Mann" für alles gerade stehen.

     

    Doch wehe wenn Dieser anfängt nachzudenken.....