Kolumne Vancouver: Flipflops statt Moonboots
Vom arktischen Berlin in den pazifischen Frühling – das Wetter in Vancouver ist DAS Smalltalk-Thema der ersten olympischen Tage.
Man kommt nicht daran vorbei, also reden wir übers Wetter. Es beherrscht die Olympianachrichten. Es ist das Smalltalk-Thema der ersten olympischen Tage. Das ist immer so. In Peking philosophierte man über den Smog und die feuchte Hitze. Man staunte über die Kanonen der Chinesen, die Wolken killten. Jetzt geht es eher um Schneekanonen als Vehikel zur Rettung der Spiele.
Ja, es ist recht warm in Vancouver, davon hatte ich auch in Berlin gehört. Ein laues Lüftchen sollte hier wehen, hieß es allerorten. Aber was mir auf meinem Weg vom Flughafen zum Hotel im Süden von Vancouver in die Augen stach, das hätte ich dieser Tage eher am Mittelmeer erwartet, nicht im Austragungsort der Winterspiele. Ich, mit dicken Stiefeln an den Füßen und einem Wollschal um den Hals, gerüstet für ein Biwak am Mount McKinley, sah ein chinesisches Mädchen im kurzen Rock, mit nackten Beinen und Sandalen. Dann traf ich, mittlerweile ziemlich durchgeschwitzt, noch ein chinesisches Mädchen, es hatte Flipflops an ihren nackten Füßen. Ihr folgte ein chinesisches Mädchen, na ja, man kann es sich denken. Die Vancouverites scheinen abgehärtete Großstädter zu sein, denn mehr als zehn Grad warm wars nicht.
Markus Völker ist Sport-Redakteur der taz. Über die Olympische Winterspiele berichtet er aus Vancouver.
Ich bin vom tiefen arktischen Winter Berlins in den pazifischen Frühling geraten. Nichts deutet auf Wintersport hin, mal abgesehen von der Bergkette im Norden der Stadt, die aber nicht von Wolken beschneit wird, sondern von Volunteers, die Lastkraftwagen mit Pappschnee entladen. Der Wetterbericht sagt, dass es weiter warm bleibt. Und auch hoch droben in Whistler soll es wärmer werden, fünf Grad und Regen. Die Meteorologen sagen, das liege am warmen Wind aus Hawaii. Eine wohltemperierte Brise wehte auch vor ein paar Jahren vom Mauna Loa herüber, als der Chef des Internationalen Olympischen Komitees, Jacques Rogge, Vancouver besuchte. Die Stadt empfahl sich wieder einmal als Sommersportmetropole, aber Rogge sagte schon damals unverdrossen die Realität ignorierend, Vancouver sei nachgerade ideal für Wintersport. Das war im Jahre 2005. Es war der schneeärmste Winter seit 1977. Die Zeitungen druckten seinerzeit eine Karikatur mit dem Herrn der Ringe, wie er vor einem grauen Skihang steht und auf die Frage, welcher olympische Wettbewerb auf dem schneefreien Gelände denn stattfinde, sagt: "Alpines Wildblumenpflücken der Herren."
Über das Wetter in Whistler lässt sich noch eine andere schöne Geschichte erzählen. In den Neunzigern sollte hier in drei aufeinanderfolgenden Wintern eine Abfahrt der Herren stattfinden. Man bekam aber in den drei Jahren nur ein einziges Training hin. Der Mid Mountain Fog (MMF) hatte zugeschlagen, immer wieder. Dann fanden lange Zeit keine Abfahrten der Herren mehr in Whistler statt. Auch das erste Training zur olympischen Herrenabfahrt musste abgebrochen werden. Wegen des MMFs. Das kommt davon, wenn man der Natur versucht, seinen Willen aufzuzwingen. Noch vor gut fünfzig Jahren hörte man in Whistler nicht viel mehr als das Pfeifen der Murmeltiere, deshalb auch der Ortsname. Heute machen die olympischen Partygäste Krawall, übrigens bei jedem Wetter.
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