Kolumne Unbeliebt: Fluch und Glück der Kleinheit
Die Krise der Saar-FDP ist größer als die der Bundes-FDP. Ende März wird gewählt. Ein Anruf bei Spitzenkandidat Oliver Luksic.
D er Politiker Oliver Luksic sitzt in der Patsche. Am 25. März wählt das Saarland einen neuen Landtag und weil Luksic, 32 Jahre alt, seit Kurzem Landesvorsitzender der FDP ist, muss er die Partei in einer Zeit in den Wahlkampf führen, zu der sie unbeliebter ist als je zuvor.
Bundesweit liegt die FDP in den Umfragen bei 3 Prozent, für das Saarland ermittelte Emnid nur 2. Freilich sollte man in die Lagebeschreibung einbeziehen, dass der Saar-FDP nicht nur die Wähler, sondern auch die Politiker wegkippen oder sich aus den Ämtern schubsen. Erst ging es um eine parteinahe Stiftung, der eine Villa in Saarbrücken gehört, Liberale beschimpften sich, zeigten sich an und entschuldigten sich wieder.
Der Vorsitzende ging, der Fraktionschef, dann der nächste Fraktionschef (CDU-Überläufer), dann der Schatzmeister, dann der designierte Fraktionschef (also Nummer drei), weil er einen Gelände-BMW mit Fraktionsrabatten leaste und zugleich eine Fahrtkostenpauschale kassierte. Zwischendurch wählte die Partei Luksic, bisher Bundestagsabgeordneter, zum Landesvorsitzenden.
Diese Kolumneund viele andere spannende Texte lesen Sie in der sonntaz vom 11./12. Februar 2012. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz
------------------------------------------
Georg Löwisch leitet die sonntaz-Redaktion.
Am 6. Januar, später Nachmittag, ist Luksic noch Vater geworden, wobei er vorher im Kreißsaal versehentlich aufs Handy schaute, wo sich die SMS stauten, in denen Parteifreunde fragten, ob es stimme, dass die CDU die Jamaika-Regierung gesprengt habe. Was er mit einigen Anrufen verifizierte, die seine Frau angesichts der kurzzeitigen Prioritätenverschiebung etwas irritierten.
Jetzt also Spitzenkandidat. Ich rufe ihn an, im Grunde aus Schadenfreude. Das sage ich nicht so direkt, als er aus Saarbrücken zurückruft, sondern dass ich es bemerkenswert fände, was er da vorhat. Da kichert Luksic zum ersten Mal. "Ich versteh, was Sie meinen."
Und das ist das Überraschende. Er lacht über seine Situation. Über die FDP. Ihre Pleiten. 1999 in Sachsen, die FDP gegen König Kurt Biedenkopf. "Schach dem König", zitiert Luksic den Slogan der Sachsen-FDP. Die dann auf 1,1 Prozent kam.
Ich laufe auf mit meiner Häme. Dafür freuen wir uns zusammen. Was macht er mit den unbeliebten Bundesgrößen im Wahlkampf? "Westerwelle ist jetzt beliebter als der Bundespräsident. Der ist jetzt um 9 Prozent gestiegen". Ich angele mir ein Paket mit Keksen. Das wird ja richtig vergnüglich.
Er analysiert die Saar-FDP. 1. Kleinheit des Landes. Weniger harte Auslese. "Bei uns wird gleich jeder Ortsvorsitzender oder stellvertretender Kreisvorsitzender." 2. Kleinheit des Landes. Jeder Quatschmacher ist sofort in allen Medien drin. Und: "Bei uns weiß jeder alles über den anderen, auch alle Schwächen" 3. Kleinheit des Landes. Keine politische Sanktionsmöglichkeit durch die Chefs. "Wenn sie in ihrer lokalen Minibasis den Superrückhalt haben, weil da halt nur Freunde, Verwandte, Bekannte sie zu irgendeinem Amt wählen, können sie machen, was sie wollen."
Trotzdem will er in den Landtag kommen. Wie? Für 5 Prozent seien nur 25.000 Stimmen nötig. Große Koalition schon ausgekungelt, darum Platz für die FDP. Vernichtungsfeldzug der CDU gegen Liberale. Grad se lätz. Grad se was? Saarländisch für: "ausgerechnet jetzt."
Oliver Luksic kam mit 17 zu den ersten FDP-Veranstaltungen. Wie verliebt man sich in so eine Partei? Er lacht. Ja, sie waren wenige. Manchmal nur sieben oder acht. Aber Kommunalpolitik, gute Leute. Keine, die sich größer machen, als sie sind. Das fand er gut und wurde Mitglied.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
BSW-Anfrage zu Renten
16 Millionen Arbeitnehmern droht Rente unter 1.200 Euro
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Psychiater über Kinder und Mediennutzung
„Die Dinos bleiben schon lange im Schrank“