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Kolumne Über Ball und die WeltAuf Drogba folgt das Phlegma

Martin Krauss
Kolumne
von Martin Krauss

Für die Fußball-WM in Russland hat sich die Elfenbeinküste nicht qualifiziert. Nun steht der Präsident des Verbandes in der Kritik.

Da war die Elfenbeinküste noch bei der WM und Didier Drogba köpft ein Tor, Archivfoto aus dem Jahr 2010 Foto: ap

U m die Jobsicherheit von Augustin Sidy Dial­lo ist es schlecht bestellt. Diallo ist Präsident der Féderation Ivoirienne de Football (FIF), des Fußballverbands der Elfenbeinküste, und dessen Nationalelf hat das ähnliche Schicksal erlitten wie die von Italien, den Niederlande, USA, Chile, Griechenland, Kamerun oder Ghana: Die WM im Sommer findet ohne sie statt.

Daher wird nun Diallos Absetzung gefordert, vor allem von den Klubs. „Wir haben gesehen, wie sich unser Fußball zurückentwickelt hat“, sagt Salif Bictogo, Chef des Stella Club Admajé. „Wir kritisieren Sidy Diallo, dass er das nicht vorhergesehen hat.“ Nicht nur das Verpassen der WM-Qualifikation wird ihm vorgeworfen, sondern auch, dass die U17- und U20-Teams zuletzt die Afrika- und die Weltmeisterschaft verpasst haben. Sogar am schlechten Abschneiden der Klubs in der African Champions League 2017 soll Diallo schuld sein.

Die heftige Kritik, der sich Diallo ausgesetzt sieht, verweist auf die Labilität des Fußballsystems in dem westafrikanischen Land. Dabei hätten schon die Erfolge der letzten Jahre hellhörig machen können. Doch im Moment des Jubels will ja meist keiner was ändern.

Die Elfenbeinküste war bei den letzten drei Weltmeisterschaften vertreten, 2015 wurde das Team Afrikameister, und dass mit Didier Drogba einer der ganz Großen aus dem Land kommt, hat auch mit der ivorischen Gesellschaft zu tun. Ein Großteil dieser Erfolge fällt übrigens in die Amtszeit Diallos, der 2011 erstmals gewählt wurde.

Darauf verweist übrigens Didier Drogba, der ob seiner fußballerischen Größe von der Opposition und dem FIF-Chef gleichermaßen umworben wird. „Der Verband muss eine Bestandsaufnahme des Scheiterns machen, es ist jetzt nötig, die gesamte Strategie auf den Prüfstand zu stellen“, sagt Drogba. „In den letzten 10 bis 15 Jahren haben wir es geschafft, den ivorischen Fußball auf ein Niveau zu bringen, wo er vorher nie war. Es ist traurig, nun von vorne anfangen zu müssen.“

Turnier der WM-Loser in den USA?

Mittlerweile scheint sich herauszustellen, dass der ivorische Erfolg der letzten Jahre eher an dem hing, was man in der leicht kindlichen Sprache der Sportanalyse als „glückliches Händchen“ bezeichnet: passende Personalentscheidungen, günstige Konstella­tio­nen bei schwacher Konkurrenz – und dazu ein Ausnutzen des Umstands, dass man mit Drogba einen ganz Großen hatte.

Interessant ist ja, dass die Klubs sogar ihr eigenes schwaches Abschneiden dem Verband anlasten

Ein wirklich stabiles Fundament wurde jedoch nicht gelegt: nicht vom Verband, der Jugendfußball hätte fördern können und den die soziale Belange von Talenten, die im Lande bleiben, hätte etwas angehen sollen; aber auch nicht von den Vereinen und ihrer Liga, die in den Nachwuchs hätten investieren müssen. Aber die Erfolge waren da, ein Drogba glänzte, und als es kriselte, holte Diallo Marc Wilmots als Nationaltrainer.

Nicht nur Drogba kritisiert, dass der – mittlerweile entlassene – Belgier dem Team aufgezwungen worden sei. Aber: Eine andere Trainerlösung, etwa mit einem ivorischen Coach, hatte niemand vorbereitet. Alles war doch gut gegangen, aber Wilmots entpuppte sich nicht als glückliches Händchen. Dass ein tragfähigeres Konzept von den Profiklubs, die jetzt als scheinbar mächtige Opposition auftreten, entworfen worden wäre, kann man aber auch nicht sagen. Interessant ist ja, dass die Klubs sogar ihr eigenes schwaches Abschneiden dem Verband anlasten.

Was könnte der Verband jetzt machen? Eine Idee kommt von anderen WM-Losern. In den USA gibt es den Plan, ein hochklassig besetztes Turnier der WM-Nichtteilnehmer zu veranstalten: Bislang werden dort die Niederlande, Ghana, Chile und eventuell Italien als Teilnehmer gehandelt. That’s it. Und genau das könnte ein in den Misserfolg geratener Verband wie die FIF machen: Alles dran setzen, um mit den anderen WM-Losern zusammen bei diesem Turnier dabei zu sein.

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Martin Krauss
Jahrgang 1964, Mitarbeiter des taz-Sports schon seit 1989, beschäftigt sich vor allem mit Fußball, Boxen, Sportpolitik, -soziologie und -geschichte
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