piwik no script img

Kolumne SpeckgürtelEmo-Trottel Bruce ist weg

Germanys next Topmodel ohne Bruce - aus dieser Beleidigung zieht die gleichnamige Emo-Trottel-Katze Konsequenzen.

Dies Jahr ist es ja nicht sooo toll mit Germanys next Topmodel. Zwar kann immer noch nur eine den Vertrag mit IMG Models gewinnen und auch nur eine auf den Titel der deutschen Cosmopolitan kommen. Und auch die "Mädels" sind süß und "geben Gas", wie es ihnen die unbarmherzige Heidi befiehlt. Selbst wenn sie in die Haut toter Fische gewickelt und ein Österreichisch sprechender Sadist sie mit seiner Salatsauce übergießen lässt, sodass am Ende unglaublich frauenverachtende Fotos herauskommen - es haut einfach nicht mehr richtig rein.

Letztes Jahr war das besser. Da saßen die Pubertistin und ich vor dem Fernseher, es gab fettreduziertes Knabbergebäck und Cola light. Ihren Vater hatten wir - wegen wiederholter unqualifizierter Kommentare - des Raumes verwiesen, ihre Schwester hatte sich wie stets donnerstags ins pralle Kleinstadtnachtleben verdrückt.

Es war die "Drama! Drama!"-Saison eines feminin agierenden Kampfpiloten (das behauptete der extrovertierte Walk-Trainer zumindest), jene Staffel, in der Heidi Klum betonte, alles, wirklich alles essen zu können (außer Kartoffeln, Reis, Nudeln usw. usf.), in der schließlich eben jener Kampfpilot die historische Forderung erhob, Handtaschen zum Leben zu erwecken. Die Werbepausen peppte die Pubertistin auf, indem sie unter großem Gekreische, auf Zehenspitzen und mit schwingenden Hüften ihren in der vergangenen Woche einstudierten Walk vorführte.

Wir waren dermaßen angefixt von den Masters of the Model-Irrsinn, dass wir unserer Liebe zum GNTM-Format Ausdruck zu verleihen beschlossen. Die Gelegenheit schlich sich noch während der Staffel an. Denn wie bereits im Winter beschlossen, zogen in jenem Frühling zwei Katzen in unser Häuschen im Speckgürtel. Beide waren noch klein, aber schon bei oberflächlicher Betrachtung war zu erkennen, wie sie gestrickt waren. Die Katze war ein cooles Ding mit extravaganter Fellzeichnung, das sich nur gegen Futtergaben streicheln ließ - aber auch nur ganz kurz. Die nannten wir Heidi.

Kater Bruce wiederum war der "krasse Super-Emo", wie die Pubertistin das formulierte. Er war outfitmäßig von schlichter Eleganz und grazilem Körperbau, aber auch von freundlicher Trotteligkeit. Er drückte sich jeder streichelnden Hand entgegen, warf sich für Brekkies schutzlos auf den Rücken, leider auch, wenn er dafür nichts bekam.

Der naive Bruce, die coole Katze Heidi, die Pubertistin und ich schauten in jener Saison noch gemeinsam das grandiose Finale. Eine rothaarige Regensburgerin hatte sich Frau Klum und ihrem Vollstrecker Bruce Darnell am bedingungslosesten untergeordnet, zum Dank wurde sie das Hausmodel der Billigmarke C&A. Die Pubertistin stolperte ob dieser Entscheidung vor Schreck über die Teppichkante …

Dies Jahr, wie gesagt, haut es nicht mehr richtig rein. Denn Bruce ist nicht mehr dabei. Er wurde ersetzt durch einen poulardenhaft wirkenden Mann namens Rolf Scheider, dem es nur mühsam gelingt, sein Rheinländisch mit einem Hauch Französisch zu kaschieren. Insgesamt eine glatte Enttäuschung: Dieser Mann, gekleidet in fipsige Blousons, reicht an eine schluchzende Rampensau wie Bruce nie im Leben heran - darüber waren die Pubertistin und ich uns einig.

Auch der Kater schien die neue Lage erfasst zu haben. Germanys next Topmodel ohne Bruce - große Beleidigung! Mitten in Staffel kam er nicht mehr nach Hause. Ohne Abschied.

Schon zwei lange Wochen ist Bruce nun weg. Wir vermuten, er war mal wieder zu gutmütig. Schon einmal mussten wir ihn aus einem Fahrradkorb retten, in den ihn eine freundliche Rentnerin abfahrbereit gesetzt hatte - er habe "so hungrig geguckt", war ihre Rechtfertigung auf unsere strenge Nachfrage.

Wir haben jetzt ein Foto für Bruce. "WANTED" steht darauf. Und unsere Telefonnummer. Sein Bild hängt an den dicken Linden unseres Vorortes, von der Bushaltestelle und beim Bäcker schaut er die Kleinstädter an. Alles andere als trottelig sieht er darauf aus. Komm zurück, Bruce! Denn nur einer kann unser Topmodel sein.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

3 Kommentare

 / 
  • C
    cathy

    'EMO-trottel'?! sonst aber schon noch alles klar bei dir ne ?? O_o

  • I
    Ingo

    Ich drück die Daumen dass euer Bruce wieder auftaucht :/

  • N
    NeoCon

    Nein, wie kurzweilig!

    Wann gibt's die "Anekdoten aus der linken Spießerhölle" als Hörbuch, Frau Maier?

    Brandheiß!

    Politisch hochrelevant!

    Tiefe Einblicke ins Seelenleben der selbstverwirklichten Schlafstadtbourgeoisie!

    Gleichauf mit Houellebeque!

    Bestseller!

    An absolute must!