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Kolumne So nichtIn Moosgetwittern

Doris Akrap
Kolumne
von Doris Akrap

Die Hashtaggerei ist ein Geschrei. Da hilft nur Ohrenzuhalten oder die Hashtagdebatte um diskriminierte Moose zu verfolgen.

Diskriminierte Pflanze: das Moos Foto: dpa

N ormalerweise ist es ja so, dass man sich einfach die Ohren zuhält, wenn jemand rumbrüllt. Oder man wartet so lange, bis die schreiende Person sich wieder beruhigt hat, um nachzufragen, was denn eigentlich los sei. Voraussetzung ist natürlich, dass die Person nicht sofort wieder anfängt rumzuschreien und es für ihr Geschrei überhaupt einen Grund anzugeben gibt, außer dem, dass man jetzt eben rumschreien muss, um das eigene Geschrei im Kopf loszuwerden.

Ich glaube nicht, dass es nichts bringt zu schreien. Im Gegenteil. Man weiß doch wie der Hase läuft: Man brüllt so lange, bis man entweder den Lolli oder eine Backpfeife kriegt. Irgendwas dazwischen – virtuelles Ohrenzuhalten seitens der Zuhörer – ist selten. Denn Schreien provoziert Reaktion, so viel ist sicher.

Dass Rumbrüllen auch ein politisch durchaus wirkungsvolles Instrument ist, lässt sich an Hitler genauso hervorragend wie am Megafon ablesen. Keine Pegida-Demo ohne Megafon. Aber auch kein Rudi Dutschke. Wo politische Demonstrationen aus langem Laufen auf öffentlichen Straßen bestehen, was von vielen oft länglichen und unlustigen Wortbeiträgen gleichen Inhalts begleitet wird, wird das politische Sichmitteilen vor allem im Pleistozän-Style verübt: so laut brüllen, bis andere das hören und zurückbrüllen.

Gewächshausatmo

Wer heute Bock auf Gewächshausatmosphäre hat, um eine politische Debatten anzuheizen, braucht kein Megafon mehr, sondern geht auf Twitter, macht einen Hashtag und hofft, wenn er es nicht in die Tagesschau schafft, wenigstens in der Rubrik „Hashtag der Woche“ oder als Kolumnenstoff zu enden.

An dem Versuch politischer Diskurswerdung via Hashtag ist nichts verwerflicher als an jedem anderen Demoaufruf auch. Ein geiler Hashtag hat schon für so manches Bundesverdienstkreuz oder wenigstens einen Journalistenpreis gesorgt.

Wer etwas Erholung von den überschäumenden Geschlechter-, Idenitäts- und Mülleimerdebatten braucht, dem seien die Trittbrettfahrer der Aufregerhashtaggies sehr ans Herz gelegt: In der Ärzte- und Wissenschaftswelt geht es auch ganz flott und lustig zu. Da gibt es zum Beispiel gerade den Trend ­#ApothekeOhneHomöopathie, gegründet von einem gewissen Dr. Lübbers, der mal Globuli im Ohr hatte und seitdem was gegen Homöopathie hat.

Teil deine Zurückweisung

Es gibt aber auch den Versuch #ShareYourRejections. Hier sollen Wissenschaftler und alle anderen animiert werden, ihre abgelehnten Förderprojekte und andere Ablehnungen wohl analog zu #metwo und #metoo zu beschreiben.

Einer der Hashtaggies, ein Biologieprofessor erzählt dort, dass mal ein Projekt von ihm mit der Begründung abgelehnt worden sei, „der Wissenstransfer von Moosen zu Pflanzen sei nicht bewiesen“.

Analog zu #menaretrash hat der Biologieprofessor noch einen weiteren Hashtag geschaffen: #mosses­areplants. ­#MoosesindPflanzen. Ich jedenfalls hätte nicht gedacht, dass um diese Feststellung schwere Auseinandersetzungen stattfinden, die es leider nie zum Hashtag der Woche bringen. Aber ich bleib dran.

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Doris Akrap
Redakteurin
Ressortleiterin | taz zwei + medien Seit 2008 Redakteurin, Autorin und Kolumnistin der taz. Publizistin, Jurorin, Moderatorin, Boardmitglied im Pen Berlin.
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2 Kommentare

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  • Hashtags sind aktuell noch ein kleines Paralleluniversum - wahrgenommen nur von einem kleinen Kreis. Diese Filterblasen würden sich kaum verbreiten, wenn nicht die Presse sich darauf stürzen würde. So werden dann Hashtags wie #Aufschrei, #metoo oder #menAreTrash wirklich verbreitet. Nichts macht die Presse lieber als über eine Bewegung berichten, die sie selbst groß gemacht hat.



    Die Macht von Twitter besteht darin, dass überhaupt erst ein Nukleus ohne herrkömmliche Presse entstehen kann. Das war früher schon nicht möglich. Das reicht aber bereits um bei der vierten Macht im Staate, der Presse, die Alarmglocken zu schlagen. Obwohl technisch immer ähnlicher, soll die Presse daher viele juristische Privilegien haben, die Blogger, Twitterer etc. nicht haben. Das geht von der Freistellung vom Datenschutz über Leistungsschutzrecht bis hin zu Uploadfiltern. Die Politik sah die Presse immer als unabhängige aber in weiten Bereichen kontrollier- und berechenbare Partnerin. Unter dem Stichwort "Qualitätsmedien" geht es daher nicht nur um qualitativ gute Berichterstattung sondern vor allem um Macht. Ginge es um Qualität, so würden Gesetze gemacht, die gute Online-Inhalte mit privilegieren aber die Bild-Zeitung ausschließen.

  • Wer sich freiwillig in die Waschküche begibt, der muss sich halt auch das Gekeiffe und Geschrei der dort anwesenden Waschweiber (und -Männer) anhören.



    Niemand wird dazu gezwungen sich bei Twitter oder anderen a-sozialen Netzwerken einzuklinken.



    Hau weg den Scheiß!