Kolumne Radfahren im Regen: Gegen den Oktoberblues

Ich fahr da jetzt durch: Wie ich mit Erich Kästner richtig durch den Herbst und Winter komme.

Sieht nur auf den ersten Blick blöd aus. Foto: dpa

Nein, Erich Kästner hilft auch nicht. Der ist zwar Novemberhasser, aber eben auch Oktoberfreund. „Nebel zaubern in der Lichtung eine Welt des Ungefährs“, lobt Kästner den Oktober in seinem gleichnamigen Gedicht. „Raum wird Traum. Und Rauch wird Dichtung.“ So fühle ich mich gerade nicht. Dafür war der Altweibersommer zu schön – bis er sich ohne Not dem gefühlten November vor die Füße schmiss.

Entscheidende Phase des Jahres

Ich weiß, das ist jetzt die entscheidende Phase des Jahres. Vergangenen Herbst hab ich sie vergeigt. Hab morgens zu oft aus dem Fenster geguckt. Hab den Mut verloren. Bin einmal mit der S-Bahn gefahren, dann zweimal, und im Januar habe ich mir eine Monatskarte gekauft. Das war’s dann mit dem Fahrrad. Bis im März wieder die Frühjahrssonne wärmte. Die wenig magere Bilanz: 4 Kilo mehr auf den Rippen.

Die sind jetzt wieder runter, und so soll es bleiben. In der entscheidenden Phase des Jahres heißt es deshalb: konsequent sein. Die Fahrradkette ist geölt, das Licht erneuert, Regenhose, Mütze und Handschuhe liegen im Flur parat. Es gibt keine Ausrede. Ich fahr da jetzt durch!

Aber was, wenn der Oktober noch mal schön werden sollte? Wenn die Sonne noch mal wärmen sollte und die Handschuhe zu Hause bleiben können? Davor gruselt mir, ehrlich gesagt, denn das würde ja bedeuten, dass es noch einmal eine entscheidende Phase gäbe. Dass ich ein zweites Mal konsequent sein müsste. Dann müsste ich im November noch mal die Fahrradkette ölen und so weiter. Ausgerechnet im November, bei diesem Fiesling, von dem Kästner weiß, er trägt den „Trauerflor“. „Der Sturm ritt johlend durch das Land der Farben. Die Wälder weinten. Und die Farben starben. Nun sind die Tage grau wie nie zuvor.“

Und was, wenn auf so einen November dann ein schneereicher Dezember und ein frostiger Januar folgen und die Menschen wieder purzeln und die Schenkelhälse brechen, als gäbe es nur die eine, die Wowereit’sche Rettung: Haiti?

So weit darf es nicht kommen. Deshalb schlage ich dem Oktober jetzt einen Deal vor: Mach uns nass, Oktober, schütte, was du kannst und jage eisigen Wind über die Straßen. Schenk mir meine Oktoberrevolution!

Mit einem Wort: Mach mich stark! Dann können die Folgemonate bringen, was sie wollen, und im März hab ich dann mehrere Monatstickets gespart und noch 4 Kilo weniger. Froh und fröhlich kann ich dann in die Zukunft blicken, mich auf den Umzug ins neue taz-Haus freuen und muss im März nicht so grimmig und nachtragend zurückblicken wie Erich Kästner: „Sonne lag krank im Bett. Sitzt nun am Ofen. Liest, was gewesen ist. Liest Katastrophen.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang 1963, ist Redakteur für Stadtentwicklung der taz. Weitere Schwerpunkte sind Osteuropa und Brandenburg. Zuletzt erschien bei Bebra sein Buch "Morgenland Brandenburg. Zukunft zwischen Spree und Oder". Er koordiniert auch das Onlinedossier "Geschichte im Fluss" der Bundeszentrale für politische Bildung. Uwe Rada lebt in Berlin-Pankow und in Grunow im Schlaubetal.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.