Kolumne Pressschlag: Für mehr Macht in den Ring steigen
Das IOC will den Weltboxverband suspendieren, weil es dort Unregelmäßigkeiten gebe. Aber wer ist eigentlich korrupter?
S o ganz ernst darf man das, was vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) und seinem Präsidenten Thomas Bach zu hören ist, nicht nehmen. Das IOC hat nämlich vor, den Boxweltverband Aiba von den Olympischen Spielen in Tokio 2020 zu suspendieren, denn dieser sei verschuldet, falle durch korrupte Kampfrichterentscheidungen auf und gehe inkonsequent gegen Doping vor.
Nicht dass das falsch wäre, aber es klingt so, als hätte Donald Trump im Namen der Moral den Kampf gegen den Rechtspopulismus eröffnet.
Die Aiba war aufgefallen, als sie 2018 mit Gafur Rachimow einen Präsidenten wählte, der US-Behörden als Drogenhändler gilt. Das IOC machte Druck: Ein Interimspräsident wurde eingesetzt, die Schulden wurden von 40 auf 16 Millionen Dollar abgebaut, die Verbandsbilanzen öffentlich einsehbar gemacht, statt der Kampfrichter, die noch bei Olympia 2016 mit Fehlurteilen auffielen, wurden neue Leute an den Ring gesetzt, die gute Bewertungen haben, und mehr Dopingkontrollen gibt es auch.
Nähme man das IOC also wörtlich, hätte es am Mittwoch nicht die Empfehlung aussprechen dürfen, die Aiba zu suspendieren. „Wir haben alle Forderungen erfüllt“, sagt etwa der deutsche Boxverbandspräsident Jürgen Kyas, der auch in der Aiba-Exekutive sitzt. Nähme man das IOC also wörtlich, müsste es seiner Vollversammlung im Juni empfehlen, die Aiba zu loben.
Es geht nicht um Verfehlungen, nur um Macht
Sollte, müsste – den Konjunktiv soll und muss man beiseite lassen, denn es geht nicht um das, was das IOC verlautbart. Es geht um Macht.
Das merkt man nicht zuletzt daran, dass die Aiba über wegbrechende Einnahmen lamentiert, wenn sie nicht das olympische Turnier ausrichtet. Thomas Bach schwadronierte derweil, ihm ginge es doch nur darum, dass „die Athleten ihren Traum verwirklichen können“. Außerdem, sagte Bach, hoffe er, dass diese historisch einmalige Suspendierung eines Weltverbandes „auch der einzige Fall bleiben wird“. Man sollte den IOC-Präsidenten nicht wörtlich nehmen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin