Kolumne Pressschlag: Systematisch problematisch
Der deutsche Frauenfußball startet ins WM-Jahr. Von Euphorie ist nach der Winterpause nichts zu spüren, dabei wäre es an der Zeit.
Bald feiert das Wort seinen 30. Geburtstag. Frauenfußballeuphorie, diesen Begriff kannte man in Deutschland bis zur Europameisterschaft 1989 im eigenen Lande nicht. Völlig mitgerissen waren die 22.000 Zuschauer im Osnabrücker Stadion, als die deutschen Frauen das Endspiel mit 4:1 gegen Norwegen gewannen. Der Deutsche Fußball-Bund bedankte sich bei den Protagonistinnen für die Geburtsstunde der Frauenfußballeuphorie jeweils mit dem berühmt gewordenen 40-teiligen Kaffee- und Tafelservice.
Als das Wort dann bereits volljährig war, bei der Heim-WM 2011, redeten noch einmal viele Menschen von dieser Begeisterung, bis die Deutschen im Viertelfinale an den Japanerinnen scheiterten. Seither ist man vorsichtig geworden wie ein gebranntes Kind. Heute, da die deutschen Fußball-Frauen ins WM-Jahr 2019 mit dem ersten Bundesliga-Spieltag starten, spricht keiner von einer zu entfachenden Euphorie wie jüngst die Handballer.
Zweifellos hat sich in den letzten 30 Jahren einiges bewegt. Der DFB ist nicht mehr so knausrig und ließ im Januar seine besten Fußballerinnen eine Woche im sonnigen Marbella ohne einen Spieltermin trainieren. Die neue Trainerin Martina Voss-Tecklenburg sollte ihr Team kennenlernen. Der VfL Wolfsburg machte seine Spielerinnen an der Algarve fit. Zum zweiten Mal bereits schickte der FC Bayern sein Frauenteam nach Katar ins Wintertrainingslager. Zumindest an der Spitze des Frauenfußballs sind professionelle Arbeitsbedingungen selbstverständlich geworden. Finanziert werden sie hier von den Männer-Profivereinen mit Frauenabteilungen.
Nach wie vor wird dabei vornehmlich auf den Imagegewinn geschielt. Der Frauenfußball steht für eine unberührte, heile Sportwelt, wo auf dem Platz weit weniger Zeit geschunden oder geschauspielert wird, es nicht um das große Geschäft geht. Stattdessen kann der FC Bayern seinen fragwürdigen Katar-Reisen mit seinen Fußballerinnen den Anstrich gesellschafts- und frauenpolitischen Engagements geben.
Es fehlen die professionellen Strukturen
Es folgt einer gewissen Logik, dass das Interesse gering ist, dieses niedliche wie nützliche Schattengewächs zu groß werden zu lassen. Die Stagnation der Frauen-Bundesliga ist systembedingt. Da die Teams der ersten Liga ohnehin schon zu zwei Drittel Männerprofiklubs entstammen, wäre es ein Leichtes für den DFB, strengere Lizenzauflagen durchzusetzen. Der mangelnde Druck ermöglicht es diese Saison Borussia Mönchengladbach, die Liga lächerlich zu machen. Die Bilanz nach 13 Spielen: ein Remis und 12 Niederlagen. Motto: Ein jeder, wie er will und kann.
Werder Bremens Trainerin Carmen Roth will nicht mehr. Sie kehrt nach dieser Saison nach München zu ihrem Job bei einer Versicherung zurück. Wolfsburgs sportlicher Leiter Ralf Kellermann warnte erst im Dezember, es müsse sich strukturell Grundlegendes ändern, ansonsten würden Ligen wie England, Spanien oder Italien an der Bundesliga vorbeiziehen.
Die Frauenfußball-Euphorie im Verband ist gewiss ausbaufähig. DFB-Präsident Reinhard Grindel kündigte an, zum zweiten WM-Spiel der Deutschen gegen Spanien auf der Tribüne zu sitzen. Auf weitere Termine mochte er sich nicht festlegen. Schließlich muss er noch die deutschen Junioren bei der zeitgleich stattfindenden U21-EM unterstützen. Und bei den Männern steht in Abwesenheit des DFB-Teams noch das Nations-League-Finale der Uefa an.
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