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Kolumne PressschlagLoden-Kalle produziert Fake News

Kolumne
von Markus Völker

Die Bayern, ein Opfer des Schiedsrichters? Gibt’s doch gar nicht! Die Viktimisierung des sogenannten Rekordmeisters hat bizarre Dimensionen.

Schiedsrichter Viktor Kassai weist den Weg Foto: dpa

M anchmal, wenn gewaltige Mächte einen Stock ins prächtig geschmierte bajuwarische Fußballgetriebe halten, dann bleibt den Roten nur noch eines übrig: Sie müssen das Weltwissen zu ihren Gunsten verändern. Also machten sich nach dem Ausscheiden der Bayern im Viertelfinale der Champions League gegen Real Ma­drid ein paar Spitzfindige daran, den Wikipedia-Eintrag des ungarischen Schiedsrichters Viktor Kassai zu faken.

Der Mann aus Tatabanya sei ein Mitglied des Madrider Klubs, er „spiele“ sogar für die Königlichen, was nur heißen könne, dass Kassai ein gedungener Manipulator sei, der den Spaniern durch zweifelhafte Entscheidungen den Sieg zugeschustert habe. Kassai erkannte in der Tat zwei Abseitstore für die Madrilenen an und schickte Arturo Vidal in der 84. Minute mit Gelb-Rot vom Platz, aber auch die Bayern profitierten von einem diskussionswürdigen Elfmeterpfiff; und ein Abseitstor wurde ihnen außerdem geschenkt.

Auch beim Platzverweis passte alles ins Opfernarrativ der Bayern: Vidals zweite Gelbe Karte sei gar kein Foul gewesen. Dass sich aber ein wie gewohntübermotivierter Vidal zuvor durch die halbe Real-Elf geholzt hatte und schon früher hätte vom Platz fliegen können, das versteckten die Bayern im Kleingedruckten. Am eifrigsten schrieb der fallsüchtige Arjen Robben die Opfererzählung der deutschen Fußballoligarchen fort. Der Holländer, der den Elfmeter clever herausgeschunden hatte, fand diese ganze Schiedsrichterchose einfach nur „Wahnsinn“.

Auf die Spitze trieb es Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge, der in bester Fake-News-Manier postulierte: „Wir sind beschissen worden, im wahrsten Sinne des Wortes.“ Loden-Kalle setzt damit eine alte Klubtradition fort: die des Bullshitting, also einer Kommunikationsstrategie, die so ähnlich wie eine Nebelkerze im Stadion wirkt. Schien eben noch alles glasklar, so herrscht nach der Bullshit-Attacke kurz Verunsicherung; alle sind irgendwie verdattert.

Münchener Terror-Trainer

Von Alt-Neu-Präsident Uli Hoeneß ist der Satz überliefert: „Eines ist ganz klar: dass die Schiedsrichter im Zweifelsfall immer gegen Bayern pfeifen, weil sie dann die ganze Woche Ruhe haben.“ Noch mehr Bull­shit gefällig? „Unsere Fans nehmen Fehlentscheidungen sehr gut hin, die Fans anderer Vereine machen Telefonterror bei den Schiedsrichtern. Deshalb pfeifen sie im Zweifelsfall immer gegen Bayern.“

Arjen Robben, Franck Ribéry oder Philipp Lahm stehen quasi unter Artenschutz

Könnte nicht vielmehr das Gegenteil richtig sein? Die Schiedsrichter in der Bundesliga sind mit den Jahren immer pfleglicher mit den Bayern umgegangen, weil eine strenge Regelauslegung den Terror der Herren Rummenigge und Hoeneß (oder Sammer) heraufbeschworen hätte. Es sind zahlreiche verbale Einschüchterungsversuche dokumentiert bis hin zu der Hoeneß’schen Drohung, dieser oder jener Referee werde, sollte er noch einmal so einen Scheiß pfeifen, kein Bayernspiel mehr leiten. Das hat in der Gilde der Schiedsrichter bisweilen zu vorauseilen­der Milde geführt – sofern der Delinquent ein rotes Trikot trägt.

Nun werden die Herren von der Säbener Straße sicherlich einwenden: Unsinn. Doch jeder neutrale Beobachter kann diese Beißhemmung deutscher Schiedsrichter studieren – wenn er denn will. Robben, Ribéry oder Lahm stehen quasi unter Artenschutz. Das ist nicht schlecht, allerdings sollte gleiches Recht für alle gelten.

Wenn der FC Bayern München auf internationalem Terrain aber nun auf selbstbewusste Schiedsrichter trifft wie Kassai oder wie im Hinspiel auf den Italiener Nicola Rizzoli, dann sind sie perplex, haben Schwierigkeiten, sich auf die ungewohnte Unerbittlichkeit der Schiris einzustellen, und werden, wenn die Sache schiefgegangen ist, zu schlechten Verlieren.

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Redakteur
Seit 1998 mehr oder weniger fest bei der taz. Schreibt über alle Sportarten. Und auch über anderes.
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13 Kommentare

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  • Teil 2/2:

     

    Zunächst wurde auch bei Casemiro nach einem erneuten deutlich regelwidrigen Einsteigen auf den fälligen Platzverweis verzichtet (81.), was einige Bayernspieler deutlich in Rage brachte. Kassai reagierte, in dem er einfach bei der nächsten Grätsche von Vidal diesen zum vorzeitigen Duschen schickte. Nur dass diese Szene das überhaupt nicht hergab. Ein Schiedsrichter, der so agiert, kann daher auch nicht als "selbstbewußt" bezeichnet werden, eher schon als persönlich beleidigt und kopflos.

     

    Die nichterkannte Abseitsstellung beim Ronaldos Ausgleich in der Verlängerung ist und bleibt unerklärlich. Entweder hatten hier alle sechs Unparteiischen (Hauptrichter, 2 Linienrichter, 2 Torrichter, der zusätzliche "Offizielle" an der Seitenlinie) einen kollektiven Blackout oder sie waren schlicht überfordert. Sogar ein Anfangsverdacht auf eine Wettmanipulation ist hier nicht mehr von der Hand zu weisen. Das zweite Abseits war geringfügig schwerer zu erkennen, dennoch eine weitere klare Fehlentscheidung. Wenn Du so spät gleich zwei Gegentore kassierst und der Erfolg dadurch plötzlich in unerreichbare Ferne rückt, bleibt das nicht ohne Folgen für die Moral, der Wille, der Glaube an sich selbst erlahmt, es ist als würden einem Mühlsteine um die Waden gelegt. Um so schlimmer das Ganze, wenn jeder im Stadion gesehen hat, dass es zwei völlig irreguläre Tore waren. JEDER - nur das Schiedsrichtergespann eben nicht.

     

    Insofern ist der Ärger durchaus nachvollziehbar, wenn auch etwas zu dick aufgetragen. Die Bayern haben auch verloren, weil sie inzwischen einen für dieses Spielniveau, diese Intensität und Geschwindigkeit überalterten Kader haben.

     

    Ich mag den FC Bayern auch nicht, und auf der Ebene tut es auch gar nicht weh. Aber dieser Artikel trifft sich auf Augenhöhe mit Rummenigges empörtem Gezeter, ist genauso überzogen und speist sich eher aus genereller persönlicher Abneigung gegenüber einzelnen Akteuren, denn aus profunder Analyse.

     

    Schade.

    • @cursed with a brain:

      sehr guter Beitrag. Das kann man so unterschreiben. (auch kein Bayern fan)

  • Teil 1/2:

     

    Der "kicker" hat in seiner Spielanalyse sieben gravierende Fehlentscheidungen des Schiedsrichters ausgemacht, zwei zu Lasten von Real, aber fünf zu Lasten von Bayern.

     

    Der Elfmeter für Bayern wurde - trotz der üblich theatralischen Flugeinlage von Robben NICHT als "Fehler", sondern als "KANN"-Entscheidung gewertet. Nicht zwingend, aber vertretbar, da eine "Berührung" vorlag (Casemiro stieg Robben komplett auf den Fuß), und der Angreifer durch diese auch zu Fall kam.

     

    Bayern profitierte von der fehlenden gelb-roten Karte gegen Vidal, die spätestens kurz nach Beginn der zweiten Halbzeit hätte kommen müssen, sowie dem übersehenen Abseits Lewandowskis vor der erneuten Führung - wobei aber erwähnt werden muss, dass dieses "Abseits" so hauchdünn war, dass es ohne technische Hilfsmittel objektiv gar nicht zu erkennen war UND Lewandowski selbst auch gar nicht an den Ball kam, so dass ein gewisser Ermessensspielraum bleibt, hier lediglich auf "passives Abseits" zu entscheiden und das Eigentor somit als regulär zu werten. Keine KLARE Fehlentscheidung also. Im Fall Vidals läßt sich spekulieren, dass der Schiedsrichter möglicherweise selbst erkannt hat, dass die erste Verwarnung nach nur 5 Minuten Spielzeit vielleicht etwas verfrüht gewesen ist und er bei dieser Linie bis zur Halbzeit schon drei oder vier Hinausstellungen gehabt hätte - auf Reals Seite stand eben jener Casemiro seinem Konterpart Vidal in Sachen Holzerei in nichts nach.

     

    Aber Vidal ist ja in hiesigen Gefilden seit des letztjährigen DFB-Pokalhalbfinales zwischen dem FC Bayern und der hier als Halbgötter verehrten Truppe von der Weser zu einer absoluten persona non grata aufgestiegen und steht damit fast schon im Rang eines aktuellen oder ehemaligen Angestellten des Hamburger SV.

     

    In der Schlussphase des CL-Rückspiels und der Verlängerung häuften sich dann die objektiv falschen Entscheidungen. Und sie trafen fast ausschliesslich die Bayern.

  • Apropos Fake News: http://www.wahretabelle.de/

    Aber welchen wahren Bayern Hasser interessieren schon Fakten. Die zerstören ja nur vorgefertigte Weltbilder.

    Und das in der taz...

    PS. Es war ein glasklarer Elfmeter und Casimiro hätte schon kurz nach der Halbzeit vom Platz geschickt werden müssen!

    • @sowieso:

      Nur ein allgemeiner Hinweis zur wahren Tabelle: sie taugt nichts, weil sie logischerweise die Folgen revidierter Fehleinschätzungen nicht berücksichtigen kann. Ein Beispiel: der 1. FC Köln führt 1:0 bei Bayer Leverkusen durch einen berechtigten Elfmeter, Bernd Leno ist gelbverwarnt. Leno foult dann Ujah gelbwürdig im Sechzehner, der Schiri lässt weiterlaufen und Leverkusen gewinnt 5:1. Die wahre Tabelle sagt: es hätte Elfmeter für Köln geben müssen, der wäre vermutlich rein gegangen. Also wertet wahre Tabelle das Spiel mit 5:2. Das ist natürlich Unsinn: zu zehnt und 0:2 hinten, hätte Leverkusen keine 5 Tore gemacht, sondern wahrscheinlich verloren. Fazit: die wahre Tabelle funktioniert nicht, weil niemand mit Gewissheit sagen kann, wie andere Schiedsrichterentscheidungen sich auf den Spielverlauf ausgewirkt hätten.

    • @sowieso:

      Der "Meister der Herzen" Werder OHNE Schiri-Hilfe nur 2 Punkte vom Relegationsplatz entfernt???

       

      VORSICHT!

      Bei Verbreitung solch ketzerischer Verleumdungen droht die taz-Sport"redaktion" mit Exkommunizierung.

  • Der FC Bayern München hat bei der UEFA offiziell Beschwerde wegen des heftigen Vorgehens der spanischen Polizei gegen Bayern-Fans eingereicht.

     

    Auf dem Video von einem Fan ist unter anderem deutlich zu sehen, wie Polizisten mit Knüppeln auf Bayern Fans mehrfach einschlagen. Und es sieht nicht so aus, dass Polizisten in Notwehr handelten.

    http://www.weltfussball.de/news/_n2709502_/nach-cl-aus-bayern-legen-beschwerde-ein/

     

    Das Video ist ein Beweis, der juristisch verwendet werden könnte. Die Fans, die geschlagen wurden, sollten eigene Verletzungen ärztlich prüfen und dokumentieren. Wir sind natürlich in der Europäischen Union (in Spanien) und für Deutsche Fans auf spanischem Boden gilt - ohne jegliche Zweifel - das Europäische Recht (vor allem in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union niedergelegt) und nicht das nationale - also spanische.

     

    Ob es zu Schadenersatzklagen kommt?

  • Einen schlechten Job zu machen als "selbstbewusst" zu verkaufen ist ja ganz was Neues.

    • 2G
      25726 (Profil gelöscht)
      @Thomas_Ba_Wü:

      Neu nicht, aber sonst eher bei Schwaben anzutreffende Umdeutung von Realitäten.

  • Verliert der Arbeiterverein Aktie 09 ein Spiel derart unglücklich, sieht der Kommentar ganz anders aus. Da können Watzke und Zorc in Ledermänteln mit Wildkragen dastehen. Peinlich und spiessig, taz. Ich erinnere an den Artikel MEINS - MEINS - MEINS

  • man darf zwar auch als Sportredakteur Bayern-Hasser sein, aber die Kiche sollte doch im Dorf bleiben: selbst die versammelte spanische Sportjournaille attestiert dem Schiri unterirdisches Niveau und eine extreme Benachteiligung der Bayern.

    Also: was soll so ein Artikel? Kühl dein Mütchen das nächste Msl an irgendeinem Tresen.

    • 2G
      25726 (Profil gelöscht)
      @Erichsen Gunnar:

      "selbst die versammelte spanische Sportjournaille attestiert dem Schiri unterirdisches Niveau "

       

      Haben sie ja auch recht. Ist ja auf die Flugeinlage von Arjen "Clever" Robben reingefallen, obwohl inzwischen auch der naivste Schiri die permanenten Betrugsversuche dieses "Sportsmannes" mit halb geschlossenen Augen erkennt.

  • "…

    Auf die Spitze trieb es Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge, der in bester Fake-News-Manier postulierte: „Wir sind beschissen worden, im wahrsten Sinne des Wortes.“ Loden-Kalle setzt damit eine alte Klubtradition fort: die des Bullshitting, also einer Kommunikationsstrategie, die so ähnlich wie eine Nebelkerze im Stadion wirkt. Schien eben noch alles glasklar, so herrscht nach der Bullshit-Attacke kurz Verunsicherung; alle sind irgendwie verdattert.…"

     

    Gewiß - Gewiß - aber es sei doch um Nachsicht gebeten.

    Zu der - hier erneut zutage getretenen Sprachgewalt!

    Denn. Wie ein paar Blätter schon einschlägig thematisiert -

    Der Mann ist Ostwestfale - noch dazu aus - Hölle! -

    Lippstadt anne Lippe - Wo die Soester Börde -

    Am flächsten is! - Aber sowas von plan -

    Daß Lippstadt 1185 als Planstadt gegründet wurde.

    Der dort allgemeinverbreitete Flachkopf soll dem Vernehmen nach

    Allerdings auf späteren Toilettensanierungen beruhen!;)

    Beton - Beton - Transport wie Heidelberger - So weit die Füße tragen!

    Grundlage jeglichen Rumpelfußballs der Region -

    Lippstadt - Erwitte - Hamm = "Westfalenelf"

    Also bitte - Loden-Kalle - Ostwestfale halt.

    Da mähtste nix.

    Normal.