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Kolumne PressschlagEine Frage der Taktik

Kolumne
von Markus Völker

Die warmen Worte des Bundestrainers werden Kevin Kuranyi nicht trösten. Aber er hat einfach nicht in Löws System hineingepasst.

K evin Kuranyi kann buchen. Ob er nun auf die Malediven fliegt oder nach Honolulu, das ist einerlei. Fakt ist, dass der Angreifer nicht nur seine Gepäckstücke als Ballast mitschleppen wird an seinen sicherlich sehr exklusiven Urlaubsort. Er wird grübeln, warum ihn Bundestrainer Joachim Löw nun doch nicht in den Kader der Nationalmannschaft berufen hat, nicht einmal in den erweiterten Trupp für die Expedition nach Südafrika. Löw, der seine 30 Favoriten übermorgen in Stuttgart benennen will, hat zwar eine Erklärung mitgeliefert, aber die ist - zumindest auf den ersten Blick - im diplomatischen Stil einer Verlautbarung gehalten.

Man sei zu dem Ergebnis gekommen, "dass wir taktisch und personell andere Vorstellungen für die Zusammenstellung des WM-Aufgebots haben", heißt es da. Ein paar Brosamen darf Kuranyi immerhin auflesen. Ihm wurde attestiert, "eine starke Saison" gespielt zu haben und ein "charakterlich einwandfreier Profi" zu sein, auch habe "der disziplinarische Vorfall im Oktober 2008" keine Rolle gespielt, "denn es wäre für uns kein Problem gewesen, ihm trotzdem in der Nationalmannschaft eine neue Chance zu geben".

Die warmen Worte des Cheftrainers werden Kuranyi nicht trösten. Er hat in dieser Spielzeit 18 Tore erzielt, ist damit hinter Stefan Kießling (21 Treffer) der zweitbeste deutsche Angreifer. Doch zu Löws Lieblingen hat der 28-Jährige nie gehört, außerdem hat er sich in den vergangenen Spielen nicht gerade empfohlen. Ihm gelang zuletzt zu wenig, um den Bundestrainer noch einmal medial unter Druck zu setzen. Die große Aktion "Kuranyi in den Kader" verlor an Schlagkraft. Aktuell ist es für Löw einfacher, einen Meisterstürmer vom FC Bayern zu nominieren, als einen Vizemeistertorjäger, dem die Munition auszugehen scheint.

Bild: taz

Markus Völker ist Sport-Redakteur der taz.

Kuranyi pflegt zudem einen ähnlichen Stil wie Miroslav Klose und Mario Gomez. Nominiert Löw diese beiden kopfballstarken Strafraumstatiker, dann ist Kuranyi in der Tat verzichtbar. Er ist aber auch dann entbehrlich, wenn Löw auf einen beweglichen Sturm setzt mit Thomas Müller vom FC Bayern und Kießling, die mit den schnellen Ballbewegungen im offensiven Mittelfeld, für die in erster Linie Mesut Özil sorgen sollte, nicht überfordert sind.

Löw hat also auch ohne Kuranyi etliche Optionen. Er kann hoch und weit spielen lassen oder aber klein-klein und schnell. Er kann sogar auf beide Varianten im gleichen Spiel setzen, wenn er einen Kopfballspezialisten vom Schlage Kloses und einen Schnellspieler einsetzt.

So irreführend ist Löws Pressemittelung also nicht formuliert, in der taktische Überlegungen ins Feld geführt werden, um den Verzicht auf Kuranyi zu erklären. Der Noch-Schalker, der bei der WM wahrscheinlich eh nur auf der Ersatzbank geschmort hätte, hat einfach nicht hineingepasst in Löws System, mediales Gezeter hin oder her.

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Redakteur
Seit 1998 mehr oder weniger fest bei der taz. Schreibt über alle Sportarten. Und auch über anderes.

4 Kommentare

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  • T
    Timbo

    meine güte, da werden wieder Fahnen in den Wind gehangen, dass es eine Freude ist. Drei Jahre lang war Kuranyi max. gutes Mittelmaß, demonstrierte gerade in Länderspielen immer öfter seine technischen Defizite und wurde auf Schalke von den eigenen Fans ausgepfiffen.

    Jetzt spielt er mal wieder ne gute Saison und schon finden ihn alle ganz toll, das ganze Gegurke vergessen und vergeben.

    Daran ist ja auch nichts auszusetzen, aber fachlich gesehen ist Kuranyis Nichtberücksichtigung einfach leicht zu begründen:

    1. Im aktuellen 4-5-1 System ist nur ein reiner Strafraumstürmer vorgesehen, in Frage kommen: Klose, Gomez, Kießling, Kuranyi.

    Also: Besetze ich eine Position 4fach? Nein!

    Wen lasse ich dann zu Hause? Klose nicht, weil er international der beste dt. Strafraumstürmer der letzten Jahre war. Gomez nicht, weil er auf nationaler Ebene der beste dt. Strafraumstürmer der letzten Jahre war. Kießling? Vielleicht, aber er ist immerhin der beste dt. Stürmer dieser Saison. Oder dann eben doch Kuranyi, tja.

    Zumal da noch die auch im offensiven Mittelfeld einsetzbaren und daher umso flexibleren Herren Stürmer Podolski, Müller, Cacau und Marin wären.

  • M
    Mat

    Ja, die Entscheidung Löws einen Stürmer der seit JAhren einer der treffsichersten Torschützen in D ist, zuhause zu lassen und dafür einen Klose mitzunehmen, der in diesem Jahr wenn ich mich recht erinnere 3 Tore geschossen hat und einen Prinz Poldi (2) macht in jedem Falle Sinn.

    Ich kann für Löw nur hoffen, das das gut geht.

    Andererseits: Wirklich ist diese Mannschaft seit Jahren nicht mehr und seitdem Löw das Zepter übernommen hat, hat sie in etwa den Charme eines Kühlschranks. Es ist zwar irreal, weil die anderen Mannschaften in der Gruppe so schlecht sind, aber ich hoffe auf ein Aus in der Vorrunde.

  • V
    volker

    Wie immer unsinn vom völker und seinen johnny-claqueren. muss die taz eigentlich unbedingt irgendwo staatstragend dienern und das immer in der sportredaktion. um das mediale blabla also weiter zu zetern läuft völker quer durch den nominierten sturm amok und benennt alle fähigkeiten der kuranyi-konkurenten die dieser auch mitbringt. und in dieser saison nun mal besser als die bayern-gammler. taktisch kein argument weit und breit. alles weiter eine frage der sympathie-werte bei löw und bei völker. und wer will schon einen der kevin heißt, lispelt, kaum dt. blut bringt und nicht bei den oberwasser-bayern auf der bank sitzt. und dass dann dem löw-trick auf eine erfolglosere episode zu spekulieren auch hier noch so ergeben gefolgt wird. Allererste taz-sportredaktionssahne.

  • J
    joHnny

    nicht aufgestellt, aber begnadigt; die K-frage ist gelöst - und das ist gut so!