Kolumne Pressschlag: Keine Lust auf Libero
Joachim Löw hatte eine Idee. Aber nach dem Ukraine-Spiel dürfte die Dreierkette in der Abwehr bereits wieder Geschichte sein. Er hatte auch die falschen Spieler dafür.
D reierkette. Was für eine Idee! Sie ist schon wieder Geschichte. Am Dienstag im letzten Länderspiel des Jahres gegen die Niederlande wird Joachim Löw seine Spieler nicht mehr mit dem Taktikexperiment überfordern. Dabei hat dem Bundestrainer angeblich sogar gefallen, was er da gesehen hat.
Die Dreierkette sei für keines der drei Gegentore in Kiew verantwortlich gewesen, sagte Löw nach dem Spiel. Aber dass die Ukrainer beinahe immer gefährlich wurden, wenn sie den Ball einmal nach vorne trugen, müsste auch dem deutschen Trainer aufgefallen sein.
Und doch hielt er die Umstellung, von der selbst seine Spieler überrascht waren (Jerôme Boateng: "Erst in der Mannschaftssitzung am Spieltag haben wir erfahren, dass wir so spielen") für gelungen und hat angekündigt, dass das Spiel mit einer Dreierabwehr zu einem seiner Alternativsysteme werden könnte.
ist Sportredakteur der taz.
Der Viererketten-Apologet vergangener Tage hat seine Liebe zur Dreierkette entdeckt. Warum nur? Ist Löw ein Modegeck? Hat er nach Barcelona geschaut, wo Pep Guardiola zu Saisonbeginn einmal mit einer Dreierkette 5:0 gegen den FC Villareal gewonnen hat?
War er so begeistert von den Auftritten der italienischen Mannschaften aus Udine und Neapel, die in der vergangenen Saison mit Dreierabwehr die Qualifikation für die Champions League geschafft haben? Oder ist er gar ein Fan der Art und Weise, wie das Nationalteam des Fußballschwellenlands Chile kickt - mit drei Verteidigern? Joachim Löw ist nicht der Erste, der sich modernen Fußball mit weniger als vier Abwehrspielern vorstellen kann.
Sollten seine Taktikexperimente schiefgehen, Löw wäre auch nicht der Erste, der an dem Systemwechsel scheitert. Inter Mailand, Champions-League-Sieger des Jahres 2010, startete in diesem Jahr so schlecht in die Saison wie seit Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr.
Die Fans in Mailand glauben zu wissen, woran das liegt: am 3-4-3-System, mit dem Gian Piero Gasperini den Klub revolutionieren und zu einer Heimstätte des Offensivfußballs machen wollte. Seine Verteidiger fanden das gar nicht so gut und Javier Zanetti beschwerte sich bei Klubpräsident Massimo Moratti über die amputierte Abwehr, woraufhin Gasperini entlassen wurde.
Der 38-jährige Zanetti ist sicher schwerer umzuschulen als ein junger deutscher Verteidiger. Aber auch für den ist die Umstellung schwer bis unmöglich. Jerôme Boateng, Holger Badstuber und Mats Hummels haben gegen die Ukrainer die Abwehr gebildet - allesamt starke Kerle um die 1,90 Meter.
Als Innenverteidiger in der Viererkette ist es ihre Aufgabe, zusammen mit den defensiven Mittelfeldspielern für Überzahl zu sorgen. Sie müssen Bälle ablaufen, ohne in Zweikämpfe zu gehen. Verteidiger in einer Dreierabwehr müssen aber genau das: Mann gegen Mann spielen. Und wenn dann ein quirliger Kerl mit großen Tempo daherkommt, sind die Abwehrhünen dem oft nicht gewachsen.
Hummels, Boateng und Badstuber, allesamt nicht gerade motorische Ausnahmetalente, sind in dieser Kombination also genau die Falschen für ein Experiment mit der Dreierkette. Ein erfahrener Sechser wie Bastian Schweinsteiger wäre da schon eher geeignet. Aber halt! Das könnte dann beinahe schon nach Libero aussehen. Und das ist ja wohl immer noch strengstens verboten im modernen Fußballdeutschland.
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