Kolumne Pressschlag: Comeback der alten Kämpen
Bärbeißiger Grummeltrainer mit 50er-Jahre-Haarschnitt: Otto Rehhagels Verpflichtung durch Hertha BSC zeigt vor allem eines: Der Bundesliga fehlt es an guten jungen Trainern.
E s muss irgendwann zwischen 2008 und 2010 passiert sein, als ein Gespenst durch die Bundesliga geisterte, welches das Altbewährte im deutschen Fußballgeschäft in Frage stellte und die Etablierten herausforderte: das Gespenst des Konzepttrainers. Thomas Tuchel in Mainz, Robin Dutt in Freiburg und natürlich Jürgen Klopp, erster Fußballerklärer im Staat und Retter von Borussia Dortmund, brachen mit den Stereotypen, die bis dahin den Bundesligatrainer definierten.
Der bärbeißige Grummeltrainer mit 50er-Jahre-Haarschnitt à la Huub Stevens dagegen wirkte im Vergleich mit den jungen, kommunikativen Kumpeltrainern ebenso veraltet wie Daumscher Motivationshokuspokus oder die anmutige Langeweile eines Ottmar Hitzfeld.
Der Siegeszug einer neuen Trainergeneration schien unaufhaltsam - auch weil die Vereine nun mutig genug schienen, Talenten aus den Jugendabteilungen der Profiklubs oder der Regionalliga eine Chance zu geben - Trainern ohne die Erfahrung einer langen Profikarriere. Das Trainerkarussell, bestückt mit einigen üblichen Verdächtigen wie Röber, Gelsdorf, Neururer oder Toppmöller war zum Stillstand gekommen.
ist Autor der taz
Doch im Februar 2012 ist die erwartete Revolution längst am Ende. Die erhofften neuen Trainertalente blieben aus. Der "Generation Konzepttrainer" fehlt es an Nachwuchs. Bevor Hertha BSC Berlin mit Otto Rehhagel einen Trainer aus dem Fußballmuseum verpflichtet hat, wurde vielleicht sogar ernsthaft über die Verpflichtung von Andries Jonker nachgedacht. Der einstige Adjutant von General Louis van Gaal schlingert allerdings derzeit mit der Amateurmannschaft des FC Bayern bloß im Mittelfeld der Regionalliga umher. Der für kurze Zeit ebenfalls ziemlich hoch gehandelte Thomas Doll wurde zuletzt sogar beim saudischen Klub Al-Hilal aussortiert. In der Bundesliga rangiert Exkonzepttrainer Doll in Sachen Ansehen seit seinem erschreckend konzeptlosen Engagement in Dortmund nur noch knapp über Lothar Matthäus und Manni dem Libero.
Dafür wurde das zwischenzeitlich eingerostete, altmodische Trainerkarussell wieder in Betrieb genommen. Munter wie eh und je schieben deutsche Profiklubs die Übungsleiter von A nach B, von Hamburg nach Hoffenheim und von Berlin nach Hoffenheim. Nur die Passagiere sind andere. Anstatt Neururer und Röber sitzen jetzt Typen wie Babbel oder Labbadia auf den Feuerwehrautos des Karussells. Und sogar die Konterrevolution kann sich in einer derart ausgetrockneten Trainerlandschaft Räume zurückerobern.
Denn nachdem die Bundesliga durch Michael Frontzeck, Jens Keller und Michael Oenning gemerkt hat, dass junge Trainer nicht automatisch Wunderkinder sind, setzt man gern wieder auf Altbewährtes. Auf Schalke arbeitet wieder ein brummeliger Huub Stevens, die Übungseinheiten des FC Bayern leitet Senior Jupp Heynckes, und Berlin wird seit gestern auch von der Vergangenheit regiert.
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