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Kolumne PressschlagLance Armstrong kann nicht gewinnen

Kolumne
von Tom Mustroph

Der mehrfache Tour-de-France-Sieger Lance Armstrong nimmt frustriert die Aberkennung seiner Erfolge in Kauf. Die Beweise sind erdrückend.

Sind beide ihre Titel los: Ex-Präsident Bush und Ex-Toursieger Armstrong. Bild: reuters

D ie Siegerspalten bei der Tour de France drohen immer leerer zu werden. Beim Jahr 1996 prangt schon ein Sternchen, nachdem der Däne Bjarne Riis Epokonsum zugegeben hatte. Jetzt droht Gleiches für die Jahre 1999 bis 2005.

Der lange Zeit so unermüdliche Kämpfer Lance Armstrong hat es doch aufgegeben, in die juristische Schlacht zu ziehen. „Genug ist genug“, ließ der Texaner verlauten. Er begründete seine Absage, an einem aus seiner Sicht „einseitigen und unfairen“ Prozess teilzunehmen, mit dem Tribut, den die juristischen Auseinandersetzungen bereits bei seiner Familie gefordert hatten.

Solch ein Rückzieher ist ungewöhnlich für einen Mann, der von sich stets behauptet hatte, sein ganzes Leben auf eine so kräftezehrende Angelegenheit wie die Tour de France zu fokussieren und noch zur Weihnachtszeit aufs Rad zu steigen, während andere sich schon an Braten und Stollen labten.

Ohne Umwege zum Ziel

Anders als bei der Tour de France hat Armstrong aber offensichtlich eingesehen, dass dieses Rennen nicht zu gewinnen ist. Der Usada-Ankläger Travis Tygart ist aus härterem Holz geschnitzt als all die sportlichen Herausforderer des Amerikaners. Tygart hatte gegenüber dem Steuerfahnder Jeff Novitzky, der die ersten ernsthaften Ermittlungen geführt hatte, zudem den Vorteil, Armstrong nicht über den Umweg des Betrugs mit Steuergeldern dingfest machen zu müssen. Der Usada reicht es, Armstrong Doping nachzuweisen.

Und die Belege dafür sind offensichtlich so überzeugend, dass Armstrong die Schlacht scheut. So interpretiert jedenfalls Wada- Präsident John Fahey Armstrongs Rückzug. Eine letzte, retrospektiv verzweifelt anmutende Attacke hatte er mit dem Versuch geritten, der Usada über ein texanisches Bezirksgericht die Zuständigkeit abzuerkennen. Aber Richter Sam Sparks wies dies ab.

Sparks setzte gleichzeitig hohe Hürden für die Usada. Denn er rügte die Verfahren gegen Personen, die nicht unter der Hoheit der US-Antidopingagentur stehen, also gegen die Armstrong-Mediziner Ferrari (Italien), Del Moral und Marti (Spanien). Er kritisierte auch das unterschiedliche Gewicht, das anderen gedopten Athleten im Vergleich zu Armstrong zugemessen wurde.

An Ermittlungen nicht interessiert

TOM MUSTROPH

ist Autor der taz und schreibt regelmäßig über Radsport und italienischen Fußball.

George Hincapie etwa durfte trotz eigener Beichte an der diesjährigen Tour de France teilnehmen und dort seinen Rekord auf 17 Frankreichrundfahrten ausbauen. Hincapie muss nur mit sechs Monaten Sperre rechnen, Armstrong hingegen mit einer lebenslangen. Das stark divergierende Strafmaß muss die Usada detailliert begründen.

Fakt ist aber auch, dass diese Nonprofitorganisation Armstrong zur Strecke gebracht hat. Das wäre eigentlich auch Aufgabe der Tour-de-France-Veranstalter oder des Weltradsportverbands UCI gewesen – den selbst Richter Sparks als „an Ermittlungen nicht interessiert“ einstufte.

Hindernisse stehen der Aberkennung der sieben Toursiege, von Olympiabronze und Rundfahrtsiegen unter anderem bei der Dauphiné Libéré und der Tour de Suisse nicht mehr im Wege. Die Usada ist gewillt, dies zu tun. Die Zeugenaussagen einstiger Weggefährten, Kontobewegungen und Unterlagen über die Zusammenarbeit mit dem Dopingarzt Ferrari sind in ihrer Summe überzeugend.

Armstrong hat gedopt – und jetzt zahlt er auch dafür. Seine Reputation ist dahin. Denn laut Anklage ist er nicht nur ein Doper, sondern auch ein Dopinghändler. Und das steht in den USA auf einer Stufe mit Drogenhändlern. Als neuer Karriereweg bleibt ihm nur, auf Gangsta-Rap umzuschwenken.

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6 Kommentare

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  • H
    haleyberry

    Ich mag Lance Armstrong und möchte, dass

    er ein schönes Leben hat.

    Den Technodoping-, Gendoping-, Chemodoping-,

    Vitamin B- Sport mit den Hochkorruptionsfunktionären

    der UCI, Olympia-, Boxverbände usw.

    nehme ich schon längst nicht mehr als

    moralische Instanz wahr.

    Strafe muss sein, besonders bei schweren

    Dopinghandel, der mit Drogenhandel auch

    tatsächlich vergleichbar ist.

    Denn hier werden auch psychische, physische

    und materielle Abhängigkeiten erzeugt und

    die Körper der Abnehmer ruiniert.

    Die Goldmedaillen kann er sich behalten,

    denn diese Siege sind eh wertlos.

    Die französische Polizei, internationale

    und nationale Antidopingagenturen hätten schon

    viel früher eingreifen können, haben es aber

    aus politischen Motiven unterlassen.

    Die USADA, die die Karrierewege und Zukunft

    der Zeugen maßgeblich manipulieren kann und

    gleichzeitig Richter ist, macht sich unglaubwürdig.

    Zeugenmanipulator,Staatsanwalt und Richter in Personalunion riecht nach abgekarterten Spiel.

    Eine Justiz, die Karrieredeals macht und

    willkürliche Haftstrafenverkürzung vorwegbestimmen kann, mißachtet die Unabhängigkeit der Gerichte

    und vermischt Legislative und Exekutive auf

    unzulässige Weise, steht dabei manchmal auch noch

    unter politischen Maulkorbzwang. Das geht gar nicht.

    Wenn Armstrong absolut unschuldig gewesen wäre,

    hätte er aber, aufgrund der um ihre Karriere und

    Freiheit und finanziellen Zukunft bedrohten

    Kollegen, kaum eine Chance gegen erpresste

    Falschaussagen angehen zu können.

    Für Dopinghandel muss es Strafe geben.

    Der Rest ist in einer Sportwelt, die Doping voraussetzt, mittelschwerer Betrug, aber kein

    Kapitalverbrechen.

    Denn die perfekten DoperInnen- die GendoperInnen

    der Zukunft werden nahezu unüberführbar sein und denen

    gegenüber sollten die alten Dopingsünder nicht

    übermäßig bestraft werden.

    Andere Länder beschützen ihre StardoperInnen

    ebenso(Usain Bolt wird internationalen

    Dopingüberprüfungen vorweg gewarnt oder

    davon befreit, chinesische SchwimmerInnen).

    Die Familie des Delinquenten bleibt weiterhin

    schützenswert.

    Fazit: Bekämpft den Drogen-und Dopinghandel.

    Seid aber fair zu fallenden Engeln.

    Der vollkommen moralversaute Sport ist es nicht Wert, die Protagonisten und deren Familien zu

    zerstören oder gegen ein paar wenige

    extrem auszuholen. Denn es gibt noch viel, viel mehr

    erfolglose Doper im Radsport, als dieser

    eine erfolgreiche, mutmaßliche Doper Armstrong

    und andere Länder Deutschland, Italien, Frankreich

    zerstören das Leben ihrer ehemaligen Helden auch nicht!

    Ernst nehme ich aber den Dopinghandelsvorwurf.

  • K
    kroete

    Die Stars von heute werden die Verlierer von morgen sein.

    L. Armstrong befindet sich in bester Gesellschaft, ihm werden die Werbeikonen der Gegenwart folgen, die noch nicht überführt werden können oder vielmehr sollen.

    Die sauberen Vorbilder und Mediendarlinge sind halt oft nur einfache Gauner mit sportlichen Höchstleistungen, die nur ein paar mehr Nullen auf den Kerbholz haben.

    Dennoch ist deren Leistung auch mit Doping überragend, die diese Doppelmoral entlarvt.

  • H
    hunter

    Lieber Peter Pander, was heißt das jetzt?

     

    Legalisierung von Doping etwa? Mit der Inkaufnahme des kleinen Vorteils für Länder, die den optimierteren Medikamentenschrank stellen können? Und mit Siegen für Fahrer wie Amstrong, die Geld wie Heu haben, und sich so jedes neue Präparat eilens zukommen lassen können?

     

    Richtig, niemand gewinnt die Tour n u r durch Doping - das ist aber überhaupt nicht die Frage hier.

     

    Eines dürfte doch wohl auch Ihnen klar sein, nämlich dass Amstrong ohne sein spezielles Top-Doping vielleicht ein paar Etappen gewonnen hätte - mehr aber nicht.

     

    Denn eines war er nie: ein außergewöhnlich talentierter Fahrer.

  • L
    Linksman

    Sauberer Radsport?

    Wenn ein Wiederholungsdoper wie Alexander Winokurow als Olympiasieger 2012 grüßen darf, lacht müde über diesen Witz...

  • A
    athe

    Klar hat Amstrong gedopt; und so gesehen verdient er auch jetzt, was geschieht. Aber gedopt sind sie alle, und um das zu verstehen, muss man auch etwas die Tour verstehen. Kein halbwegs normaler Mensch fährt sich jahrelang die Lunge aus dem Hals, um vielleicht irgendwann einmal eine Etappe zu gewinnen.

    Rad, das war früher der Sport der Underdogs: Da hieß es ein Leben am Band, in den Minen... oder in die Pedale treten, was das Zeug hält, um vielleicht irgendwann einmal auf der Seite der Gewinner zu sein. Bei den ersten Touren lief, was ging: Abkürzungen, sich an einen Laster hängen, den Gegner irgendwie außer Gefecht setzen... gewinnen egal wie - um jeden Preis. Für einen Etappensieg hätten die auch ihre eigene Großmutter verkauft. Ein paar Tabletten einschmeißen, oder der berühmt berüchtige "pot belge", ...war, und ist denen egal. Nur gehört das eben auch zur Geschichte dieses Sports.

    Feillu brach dieses Jahr am Ende einer Etappe in Tränen aus; vielleicht, weil er sich zum ersten Mal seiner Grenzen bewusst wurde; und der Tatsache, dass es vielleicht nie zu einem Etappensieg - vom Siegen träumt so einer sowieso nicht - langen würde.

    Außer vielleicht Boxen, gibt es wohl kaum einen Sport, wo es so um alles oder nichts geht.

  • PP
    Peter Pander

    Nur ein Radsportler kann ermessen was es heißt die Tour zu fahren. Sie gar sieben Mal zu gewinnen...

    das schafft man nicht alleine mit Doping.

     

    Was ist Doping? Die einen gehen in ein sogenanntes Höhenlager und trainieren. Andere wiederum bleiben auf gewohntem Terrain und lassen sich abgezapftes Eigenblut mit Sauerstoff anreichern. Beides hat den gleichen Effekt. Das Eine ist legal, das Andere ist Doping.

     

    Im Übrigen würden 80 Prozent der Menschen in der westlichen Welt bei einem Dopingtest auffällig. Wer`s nicht glaubt, braucht nur in seinem Medikamentenschrank zu schauen.