Kolumne Press-Schlag: Und Herr Löw hört Schlager
In der Relegation spielen Union und Stuttgart um einen Platz in der nationalen Liga. Doch an der haben die Pokalfinalisten kein Interesse.
N ach dem Wochenende kommt der Montag, und nach Europawahl und DFB-Pokal kommt, genau: die Bundesligarelegation. Es fällt auf, dass mit dem FC Bayern und dem RB Leipzig zwei Klubs an diesem Samstag im Pokalfinale standen, denen die nationale Liga nicht viel bedeutet. Kein Wunder also, dass es vorab kaum Anspannung gab, ob denn RB, wie vergangenes Jahr Frankfurt, den Favoriten aus München schlagen könnte.
Die diesjährigen Pokalfinalisten machen beide das große Geld in der Champions League und nehmen die Bundesliga nur noch als Pflichtübung mit: RB ist noch mit Salzburg und New York verbandelt und sieht sich als internationale Marke mit Filiale in Deutschland. Bayern redet ganz offen davon, dass es in eine geschlossene europäische Liga gehört, in der sich Fußballmarken wie Barca, Juve, Real und PSG finden – und nicht Kleingeld à la Freiburg oder Mainz.
Das ist fußballerisch etwa die Differenz, die kulturell zwischen Ed Sheeran & Justin Bieber auf der einen und Roland Kaiser & Maite Kelly auf der anderen Seite besteht. Da passt es, dass Bundestrainer Joachim Löw in einem Interview mitteilte, er möge den weltoffenen Musikgeschmack der jungen Spieler nicht. „Da muss ich vor die Tür. Ich höre lieber deutsche Schlager.“
Die Bayern haben am Samstag den aus ihrer Sicht Verlierercup gewonnen und ärgern sich, dass die großen anstehenden Ereignisse – Champions-League- und Europa-League-Finale – ohne sie stattfinden. Zur gleichen Zeit kämpfen Union Berlin und der VfB Stuttgart darum, in einer Liga mittun zu dürfen, für die sich Klubs wie Bayern oder RB gar nicht mehr so richtig interessieren. Es geht nicht um Augenhöhe, sondern Nur-Bundesligisten hoffen, dass die Bayern wenigstens arrogant auf sie hinabblicken.
Schlager, Pop et cetera
Was kulturell der Unterschied zwischen Pop und Schlager ist und fußballerisch der zwischen Champions League und Bundesliga, das ist ökonomisch der zwischen Welt- und Wochenmarkt: Aufs Kleinere orientiert sich der, der beim Größeren keine Chance hat. Eine solche ökonomische Logik ist und war im Sport immer präsent: Höher, schneller, weiter ist ein kapitalistisches Motto, und wenn einem Fußballkonzern das Double nicht mehr reicht, weil das Triple verpasst wurde, hat diese Logik gesiegt.
Wer die Kleinen verachtet, die es ja zu nichts gebracht hätten und denen so etwas wie die Bundesliga schon genug sei, der macht sich die arrogante Perspektive derer da oben zu eigen. Wer aber diejenigen verachtet, die das Weltoffene mögen, die fremde Musik und fremde Fußballer als Bereicherung empfinden, macht sich die Perspektive dumpf-nationalistischer Modernisierungsverlierer zu eigen.
Keine schöne Alternative also, und Jogi Löw hört Schlager. Unsereins muss wohl dafür kämpfen, dass es im Fußball nicht zugeht wie auf dem Weltmarkt. Wie man das hinbekommt? Keine Ahnung, aber im vergangenen Jahr hat Bayern nicht einmal den Loser-DFB-Cup gewonnen. War doch was. Martin Krauss
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern