Kolumne Press-Schlag: Wie "Dallas" ohne J. R.
Dem Bundesligasamstag fehlt die Würze, wenn der Fiesling nicht mitspielt. Die Bayern laufen fast nur noch sonntags auf.
Der Umstand, dass Bayern München fast nur noch an Sonntagen Punktspiele macht, weil es unter der Woche auf den internationalen Spieltermin für zweitklassige Wettbewerber am Donnerstag zurückgestuft ist, produziert am Kerntagspieltag der kleinen Bundesliga in frappierender Beschleunigung Langeweile. Wenn man am Sonnabend so von Hertha gegen Bremen zu Bielefeld gegen Karlsruhe wechselt im Pay-TV oder später die "Sportschau" guckt, fehlt einfach was.
Immerhin kann man sich im Gefühl einer gewissen Leere und Ermattung vor dem Fernseher versuchsweise hineinversetzen in den Lauterer Jungprofi Erik Jendrisek: wie dem unlängst die Augen zufielen, als er im Kreise der Mannschaft vom designierten Drittligisten Kaiserlautern den kommenden Gegner Osnabrück per Video studieren sollte. Zack, schlief der Stürmer ein.
Da nun in der Bundesliga der FC Bayern immer erst im Nachklapp antritt, fehlt beim Rumgekicke am Sonnabend die übergeordnete Spannung, die all das kleine Gepuzzle zusammenhalten würde. Es gibt nur auseinanderfallende Einzelereignisse, die mal zwar überraschen - wie parallele Siege für Bielefeld und Nürnberg -, die aber lediglich lokale Dynamik entwickeln. Bundesliga am Sonnabend ohne Bayern ist ungefähr so unterhaltend wie "Dallas" ohne J. R. Und zwar "Dallas" ohne J. R., während Sue-Ellen und Bobby und Pam und ihr dusseliger Bruder wie mit K.-o.-Tropfen behandelt am Pool dösen und alles mit sich geschehen lassen. Weil ihnen dieser grinsende Fiesling fehlt, der sie piesackt, an dem sie sich abkämpfen - auch wenn sie ahnen, dass er am Ende sowieso gewinnt. Vielleicht gibt es auch einfach Phasen, in denen Fußball allgemein eine Tendenz entwickelt, zu veröden und zu verblöden. Lauter schlechte Spiele. Nicht nur in Lautern. Und nicht nur, weil Bayern Solorunden dreht. Gerade leiden deren Verfolger an kollektiver Frühjahrsmüdigkeit.
Bremen, Leverkusen, Hamburg und auch das dusselige Schalke, selbst wenn es gerade Dusel hatte, wirken jedenfalls - also, Esoteriker würden vielleicht sagen: wie Gebilde mit gestörtem Energiefluss. Wahlweise gestört in individuellen Künstlerkörpern wie bei Bernd Schneider oder Rafael van der Vaart, oder im gesamten Mannschaftskörper, insbesondere zu beobachten am Kombinationskörper von der Weser. Fragt sich nur, was man da macht. Eine Option: Es wie der Lauterer Schläfer Jendrisek halten. Der hat sich zur Regeneration vom stressigen Profifußball abgewandt. Er hatte die Wahl, für seinen Fauxpas eine Geldstrafe zu zahlen oder in die Oberligaelf expediert zu werden. Und zog die Viertklassigkeit vor. Moralisch gibt der Spieler natürlich ein schwaches Bild ab. Aber sportlich - ein Erfolg. Gleich im ersten Spiel war er hellwach und machte ein Tor.
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