Kolumne Press-Schlag: Was will Uli Hoeneß?
Hoeneß will statt Reinhard Rauball oberster Funktionär im deutschen Profifußball werden. Warum, weiß keiner. Vielleicht genügt es ihm nicht mehr, sich in YouTube-Videos für seine Würstel zum Depp zu machen.
W ollte er nicht die Füße ruhig halten? Entspannt auf der Tribüne sitzen und ein bisschen Fußball gucken? Sich um seine Bartwürstchenfabrik kümmern? Ja, das war's, was Uli Hoeneß wollte. Was er aber offensichtlich nicht kann.
Stattdessen kündigt der ehemalige Manager und derzeitige Präsident des FC Bayern München eine Kampfkandidatur an um den Vorsitz der Deutschen-Fußball-Liga (DFL). Hoeneß will statt Reinhard Rauball oberster Funktionär im deutschen Profifußball werden. Der hat das Amt seit 2007 inne und muss sich keine allzu großen Sorgen machen, die am 18. August anstehende Wahl zu verlieren.
Schließlich hat Hoeneß in seiner Zeit als Manager von Bayern München die Rolle des großkotzigen Branchenprimus so penetrant gespielt, dass seine Beliebtheitswerte noch die von Thierry Henry in Irland unterbieten sollten. Kaum mehr als 10 der 36 Erst- und Zweitligavereine sollten für Hoeneß stimmen, haben Szenekenner errechnet. Und auch Rauball ist sich der Unterstützung sicher genug, um sich gönnerhaft zu geben. Er nehme "diese Kandidatur zur Kenntnis", ließ der Präsident von Borussia Dortmund wissen, und dass er "die Dinge - bei allem Respekt - sehr gelassen" sehe.
Thomas Winkler ist Autor der taz.
Ob Hoeneß realistische Chancen auf das Amt hat oder nicht, es stellen sich nun doch vor allem zwei Fragen: 1. Was will Hoeneß? Und 2. Warum bloß?
Die Antworten auf beide Fragen: Nichts Genaues weiß man nicht. "Wenn ich gewählt werde", gab Hoeneß kund, "wird es allen besser gehen." Und niemandem schlechter, möchte man ergänzen, bevor man sich unweigerlich an einen anderen großen deutschen Choleriker erinnert, der mit so einem diffusen Versprechen erstaunlicherweise auch mal eine, nur unwesentlich wichtigere Wahl gewann.
Das Wahlprogramm steht also. Aber was verspricht sich Hoeneß von dem neuen Posten? Will er den Einfluss des FC Bayern stärken? Der ist allen anderen Bundesligisten schon heute zu groß. Will er die zentrale TV-Vermarktung kippen, die seinem Klub schon lange ein Dorn im Auge ist? Dazu werden ihn die kleineren und mittleren Klubs kaum wählen.
Man weiß es nicht, man steckt nicht drin. Vielleicht langweilt sich Uli Hoeneß auch nur. Vielleicht ist ein halbes Jahr ohne Macht für einen wie ihn tatsächlich ein halbes Jahr zu viel. Vielleicht hat er festgestellt, dass es gar nicht so spannend ist, den Grüßaugust zu geben. Vielleicht genügt es ihm nicht mehr, sich in YouTube-Videos für seine Würstel zum Depp zu machen. Vielleicht glaubt er wirklich, er müsse nur "meine Person in die Waagschale werfen" und dann würden schon blühende Landschaften entstehen. Vielleicht holt er seine Midlife-Crisis nach. Oder vielleicht weiß Uli Hoeneß selber einfach nicht, was Uli Hoeneß will. Und schon gleich gar nicht, warum. Wir jedenfalls, wir wissen es nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Umwälzungen in Syrien
Aufstieg und Fall der Familie Assad
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“