Kolumne Press-Schlag: Das falsche Spiel übertragen
Auch die internationalen Erfolge des FC Bayern langweilen. Die Münchner eignen sich nicht einmal mehr für gepflegten Hass.
J etzt also auch die Bayern. War ja irgendwie klar nach dem 2:0 im Hinspiel, dass der deutsche Meister 2013 ins Halbfinale der Champions League einzieht. Eine halbe Stunde lang hat sich Juventus Turin gewehrt, einmal sogar Manuel Neuer zu einer guten Parade gezwungen, dann haben die Italiener eingesehen, dass sie sich nicht gegen das Schicksal stemmen können.
Es ging wieder 2:0 für die Münchner aus. Und nicht nur Bayernfans, ganz Fußballdeutschland setzte nach dem Schlusspfiff einen Haken hinter das Spiel. Der Jubel hält sich in Grenzen, wenn die Bayern durch Europa marschieren.
Es ist ja nichts Besonderes passiert am Mittwochabend. Während in Dortmund nach dem Duselsieg gegen Malaga wahrscheinlich noch bis zum Anpfiff des Halbfinales Taschentücher mit Freudentränen vollgeheult werden und sich die ganze Republik am irren Jubel von BVB-Wonneproppenurgestein Norbert Dickel am Radiomikrofon erfreut, fliegt den Bayern nach ihrem kühlen Sieg in Turin kein einziges neues Herz zu.
ist Redakteur im Leibesübungen-Ressort der taz.
Und auch wenn man hierzulande nun stolz ist, dass zum ersten Mal überhaupt zwei deutsche Klubs im Halbfinale der europäischen Eliteliga stehen, so ist doch niemand gerührt, wenn er Bilder von Bayern-Präsident Uli Hoeneß sieht, die ihn beim Schlürfen des Siegerweins nach dem Spiel zeigen.
Fußballerische Demonstrationen
Die Bayern, mit denen viele noch geweint haben, als sie das Endspiel des vergangenen Jahres so unglücklich gegen den FC Chelsea verloren haben, scheinen sich abgekoppelt zu haben von der Gefühlsproduktion. Niemand, aber auch wirklich niemand im ganzen Land, und sei es der größte Bayernfan, wird widersprechen, wenn jemand sagt, das ZDF habe in dieser Woche das falsche Spiel übertragen.
Die fußballerischen Demonstrationen, die die Münchner in der Champions League nicht nur einmal abgeliefert haben, sie begeistern einfach nicht. Nicht einmal mehr gehasst werden die Bayern. Sie sind den Menschen mittlerweile schlicht wurscht. Sie sind Meister – war eh klar. Nach den Viertelfinalspielen gehen sie als Favoriten in die Vorschlussrunde – na und? Und wenn sie den Henkelpokal gewinnen, dann wird das niemand als Überraschung bezeichnen – haben wir ja sowieso von Anfang an gewusst.
Gibt es für die Münchner wirklich keinen Ausweg aus diesem emotionalen Niemandsland? Hätten sie das Risiko auf sich nehmen sollen und in Turin nach dem 2:0 im Hinspiel auf 0:2 spielen sollen, um in einem späteren Elfmeterschießen zu obsiegen, nachdem sie zunächst zwei Bälle an die Latte geknallt haben? Aber wahrscheinlich hätte auch das nichts genutzt und man hätte auch nach einer derartigen Wiederauferstehung von den Fußballtoten gesagt: War eh klar, typisch Bayern.
Wunschlos BVB
Doch, es gibt einen, der die öden Bayern aus dieser Grabkammer der Gefühle herausführen kann: Ruud van Nistelrooy. Der ehemalige Fußballer aus den Niederlanden (56 Tore in der Champions League) wird am Freitag in Nyon die Halbfinalpaarungen auslosen. Sollte er den Bayern Borussia Dortmund zulosen, wird es mit der Wurschtigkeit schnell vorbei sein.
Kein Wunder, dass Uli Hoeneß den baldigen Ex-Meister gleich nach dem Spiel von Turin als seinen Wunschgegner bezeichnet hat. Dortmund sei „schlagbarer“ als Real Madrid oder der FC Barcelona, hat er gesagt. Mit dem, nun ja, ungewöhnlichen Komparativ hat er die deutsch-deutsche Schlacht schon vor der Auslosung eröffnet und macht sich und seinen Klub verkniffen lächelnd endlich wieder zumindest zum Hass-Klub für alle Nicht-Bayern-Fans.
Aber vielleicht kommt am Ende alles ganz anders. Bayern muss gegen Real Madrid oder Barcelona spielen, gewinnt und niemand interessiert sich dafür.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Amnesty-Bericht zum Gazakrieg
Die deutsche Mitschuld
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Debatte um Bezahlkarte
Hundegulasch und Auslandsüberweisungen
Hilfslieferungen für den Gazastreifen
Kriminelle Geschäfte mit dem Hunger
Nach Recherchen zum Klaasohm-Fest
Ab jetzt Party ohne Prügel
Wirbel um Schwangerschaftsabbruch
Abtreiben ist Menschenrecht