Kolumne Politik von unten: Der Fair-Trade-Tod
Sinnvoll zu sterben, ist eine Kunst. Die alternative Organspende verbessert die Welt und sieht gut aus.
A lles, was wir heute anfassen und zu uns nehmen, soll bio und Fairtrade sein. Dadurch kommt mit dem Kaffee, den ich kaufe, nicht nur ein besonders herzhafter Geschmack in meinem Küchenschrank, sondern auch gleich das Gesicht eines Menschen, der sich für meine Großzügigkeit bedankt. Dieses Foto scheint so greifbar, dass wir vom realen Hintergrund abgelenkt werden - dem System, in dem das Bohnenpulver produziert wurde. Es bleibt ein Geflecht aus Kosten, Nutzen, Profit und liberaler Toleranz.
Den Klang desselben Systems hört man in der Sprache, mit der die Organspende-Verbände um unsere Innereien feilschen. Körperteile werden erst zu knappen Ressourcen erklärt und dann als altruistische Gaben abgeworben.
Doch wie wäre es, wenn wir einen alternativen Organspendeausweis erstellen würden, in dem wir noch mal klar definieren, unter welchen Bedingungen unsere Organe weitergegeben werden dürfen? Würde sich noch ein Arzt rantrauen, wenn der Diagnose unseres Hirntods ein Beipackzettel hinzugegeben wird, auf dem steht, dass unsere mit Biosaft ernährte Leber ein NPO ist - ein Non-Profit-Organ?
ist Clown und politischer Aktivist.
Noch besser, dass jeder Profit daraus ausschließlich an süße kleine Projekte gespendet werden darf. Etwa nach Afrika, dieses exotische Land da links von uns, dass ohnehin nur dazu dient, unser postkoloniales Gewissen zu erleichtern.
Lenin hätte das so gemacht
Wer unsere Organe bekommt, sollte aber weiterhin schön zentralistisch entschieden werden - Lenin hätte es auch so gemacht. Das kannibalistische Manifest aus den zwanziger Jahren Brasiliens, das Manifesto Antropófago, setzte sich dafür ein, dass die Indigenen sich die Spanier, Portugiesen und Engländer mit ihrer Kultur in Gänze einverleiben sollten.
Genauso sollten auch die Mägen von weißen Fair-Trade-Kaffee-TrinkerInnen nur an kolumbianische Kaffeebauern vergeben werden. Die Hoden von Bischöfen Schwulen implantiert. Das Rückgrat von Joschka Fischer an Comandante Marcos in Mexiko. Das ist wahre Umverteilung!
Mit diesen neuen, altruistischen Organspendeausweisen dient uns der Tod, um den Kapitalismus zu bekämpfen. Der Zahn der Zeit beißt zu und spuckt aus, was der moderne Yoga-Jetset schon lange ersehnt: eine wirklich selbstlose Gesellschaft, in der wir mit klarem Bewusstsein für den Tod unseren Körper pflegen, um ihn nach unserem Sterben sinnvoll weiterverwertbar zu machen.
Eins mit der Welt würde unser Körper so zum "Politischen" im Sinne des Politologen Oliver Marchart. Nämlich zum "Ort, an dem die Bedeutung dessen, was es heißt, gemeinsam zu sein, auf dem Spiel steht".
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