piwik no script img

Kolumne ParallelgesellschaftMelancholie, Fehlanzeige

Jan Feddersen
Kolumne
von Jan Feddersen

Die Linkspartei als beste Sozialdemokratie der Jetztzeit: Bodo Ramelow zeigt, wie Machtappetit delikat munden kann.

H atte man das nicht irgendwie im Gefühl - dass das Schwarz-Gelbe nicht einfach so vom Bundestagswähler quasi en passent durchgewunken würde? Drei Wahlen haben eben diesen Eindruck bestätigt: Die Republik misstraut neoliberaler Schneidigkeit.

Und das liegt auch an den Bildern, die das Publikum von der Linkspartei gewinnen kann. Für die urgrünen Wählerinnen und Wähler im Westen muss man erläutern: Nein, mit der PDS wurde keine Renaissance von Gulag & Stacheldraht lanciert; nein, es sind im Grunde bisweilen quälend gewendete Sozialdemokraten; ja, diese Leute haben auf Staatssozialistisches keine Lust, weil sie den kennen und an ihm fast erstickt wären.

Am allerbesten ist doch, wie Bodo Ramelow verblüfft die Allüren der SPD von sich weist, anstatt mit seiner selbst den eigenen Kandidaten zum thüringischen Chef machen zu wollen. Zu sehen war ein Wechsel der Performance: Einer wie Ramelow steht offenbar für eine neue Politikergeneration der Linken im Osten, die alles postrealsozialistisch Schüchterne abgestreift zu haben scheint.

Bild: taz

Jan Feddersen ist taz-Redakteur.

Für Menschen, die die Linkspartei hauptsächlich aus dem Westen und also über bis heute untröstliche Kader des Realsozialismus kennen, muss man weiter sagen: Die Linkspartei ist ähnlich sauber wie die Fastfoodkette McDonalds: Die Partei kann es sich nicht einmal leisten, irgendein Mitglied hinauszuwerfen, selbst aus guten Gründen (Verherrlichung der Mauer etwa), weil es dann hieße, na, sieh mal an, die lösen ihre Probleme wieder nur administrativ.

Sie sind immer unter Beobachtung, die Linken. Da darf man sich in jedem Fall sicher sein, dass da nix Krude-Böses wieder draus erwachsen wird. McDonalds hingegen kann sich keinen Fleischskandal (BSE etwa) leisten - diese Kette hat unter Grünbürgern einen so verheerenden Grundruf, dass sie nicht anders kann, als sich selbst in puncto Lebensmittelkontrolle überzuerfüllen.

Anders gesagt: Es ist schön - soweit man das nach Besuch von Wahlpartys der Linken in Thüringen sagen kann und wie man das so aus dem Saarland hört -, dass diese Partei nicht mehr so herumläuft, als sei sie der Union oder sonstwem irgendetwas schuldig.

Ramelow ist, zumindest in dieser Hinsicht, die Antithese eines linken Populisten zu jener Figur, die der Gesellschaftstheoretiker Walter Benjamin als eine linke Persönlichkeit erkannte - melancholisch, die Macht beklagend, aber selbst keine wollend, hadernd, mit sich selbst beschäftigt, politisch mit einem Tunnelblick versehen.

Die Linke, der überhungrige Part der deutschen Sozialdemokratie, muss ja nicht in Sack und Asche herumlaufen. Schon deshalb nicht, weil sie selbst nur anderthalb Jahrzehnte brauchte, um in der eigenen Fantasie den Wahn realsozialistischer Totalität abzustreifen - man darf das westlich genießen.

Die Union (und auch die FDP) haben viel länger gebraucht, um sich von den Exnazis zu lösen; mancherorts geistert immer noch völkisches Gedankengut umher, wenn auch seitens der Kanzlerin gut im Griff gehalten: Wer bei denen irgendetwas brauner Provenienz gut heißt, hat seine oder ihre Zukunft hinter sich.

Die Linkspartei ist, politikbetriebswirtschaftlich gesprochen, gut aufgestellt. Dass ihre realpolitische Entzauberung irgendwann bevorsteht, ist gewiss. Dann werden sie die letzten Morgenrotphantasmen abstreifen müssen. Heilshoffnungen sind was für Religiöse. Ramelow ist der Populist, den die SPD gerade nicht gebrauchen kann.

Na und?

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Jan Feddersen
Redakteur für besondere Aufgaben
Einst: Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, Meinungs- und Inlandsredaktion, Wochenendmagazin taz mag, schließlich Kurator des taz lab und der taz Talks.. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. RB Leipzig-Fan. Und er ist seit 2011 mit dem in Hamburg lebenden Historiker Rainer Nicolaysen in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft, seit 2018 mit ihm verheiratet. Lebensmotto: Da geht noch was!

4 Kommentare

 / 
  • B
    bernd

    Antwort zu: 02.09.2009 06:13 Uhr:

    Von vic: ORTSVERBAND DIE LINKE

    BAUNATAL

    Baunatal den 03.01.2008

    An alle Medien - politischen Redaktionen

    wir bitten um Beachtung

     

    Betreff:

    Presseerklärung zum 05.01.2009 des OV Baunatal DIE LINKE.

     

    Nachdem die Vorstandsmitglieder des Bernd Heinicke, Martina Walter und Stawri Sarbidi zum 31.12.2008 ihre Vorstandsämter des OV Baunatal DIE LINKE. niedergelegt haben,

    treten 33 Mitglieder = (40 Prozent des Kreisverbandes Kassel-Land DIE LINKE.) des

    OV Baunatal DIE LINKE. ebenfalls mit Wirkung zum 31.12. 2008 aus der Partei DIE LINKE. aus.

    Begründung: 1.) fehlende Basisdemokratie

    2.) geheime Zirkel, unter- schiedliche E-Mailverteiler,

    Dossiers der Mitglieder

    3.) fehlende Streitkultur

    4.) Mobbing von Mitgliedern, Parteimitglieder werden fertig gemacht.

    5.) Arbeitslose, Hartz IV und Behinderte werden diskreditiert und ausgrenzt.

    6.) statt Armutsbekämpfung , nur Armutsverwaltung

    7.)Elitäre Kaderbildung, statt Basisdemokratie

     

     

    Bernd Heinicke Martina Walter Stawri Sarbidi

  • V
    vic

    Hallo Herr Heinicke.

    Wieso hat er das gesagt, was war der Anlass?

    Ich konnte die Linke in der Parteienstruktur Baunatals nicht einmal finden (Google).

  • A
    anke

    Ein Nordhesse mit Linken-Parteibuch lässt die Welt aus Anlass einer Thüringen-Wahl wissen, dass er einen Ex-Niedersachsen mit gleichem Papier (offenbar ergebnislos) verklagt, weil der einer überregional erscheinenden Zeitung seine Meinung mitgeteilt hat. Skandal! Aber was, sehr geehrter Herr Feddersen, veranlasst Sie zu der Annahme, Bodo Ramelow könnte irgendwann in seinem Leben postsozialistisch schüchtern gewesen sein? Möglich, dass er für eine neue Generation der Ostlinken steht. Ein Kraftakt der besonderen Art war es aber sicher nicht für ihn, der SPD ihre seltsamen Ambitionen als das zurück zu geben, was sie nun einmal sind: eine Zumutung. Einer wie Ramelow musste sich nicht ändern um zu werden, wie der Westen den Osten gern hätte. Einer wie Ramelow muss eher aufpassen, dass er dem Osten nicht schneidiger erscheint, als die erklärten Neoliberalen der West-FDP. Noch, schließlich, ist die Westerweiterung der einstigen Ossi-Trotz-Partei nicht unumkehrbar. Und Ramelow ist noch längst nicht Partei-Vize in Berlin. Möglich also, dass er seine Basis noch eine Weile braucht.

     

    Ach ja, ehe ich es vergesse: wenn einer von euch taz-lern noch mal das Wort Königsmacher verwendet ohne zugleich auf einen potentiellen König zu zeigen, der gemacht werden könnte von einer zur Funktionspartei degradierten SPD, werde ich zur Zeit wechseln. Die schreiben zwar noch viel mehr Unsinn und reden lassen sie auch nicht mit sich, aber das Ärgern macht viel mehr Spaß, wenn man dazu jemanden benutzt, den man eh nicht leiden kann.

  • B
    bernd

    noch etwas zu Bodo Ramelow Partei DIE LINKE.

     

    Bodo Ramelow`s Antwortschreiben vom 09.08.2009 zur Stellungsnahme auf das Schreiben meines Anwalts (29.07.2009), in seiner Rückantwort kann er sich nichr mehr errinnern,

    der FR gesagt zu haben:

    Menschen wie der zurückgetretene Vorsitzende der Baunataler Linken, Bernd Heinicke, gehörten zu den "zehn Prozent Irren", von denen Fraktionschef Gregor Gysi wiederholt gesprochen habe. "Mit denen ist keine Verständigung möglich", sagte Ramelow.

    Die FR- antwortet am 25.08.2009 durch Herrn Dr. Matthias Schulenberg :

    Herr Schindler ist sich sicher, dass die Äußerungen so gefallen sind, wie er sie aufgeschrieben hat.

     

    Mit freundlichen Grüßen

    Bernd Heinicke aus Baunatal