Kolumne Overseas: Tuckern im Tacheles-Bus
Obama bittet zum intimen Dinner, McCain zur gemeinsamem Busfahrt - wann kommt Post von Hillary Clinton?
Barack Obama schickte mir am Freitag eine Dinner-Einladung. Echt. Eine Stunde später kam eine Einladung zum gemeinsamen Busfahren hinterher. Diesmal von John McCain. Auf die Mail von Hillary, etwa zu Kaffee und Kuchen in kleinem Kreis, warte ich bis jetzt vergebens. Beide Herren lassen sich gegen Geld gewinnen. Bei Obama reicht laut seiner Mail schon eine Minimalspende, um die Chance zu bekommen, mit dem charmanten Senator ein intimes Dinner mit drei anderen Unterstützern zu gewinnen. John McCains Busplatz ist auf jeden Fall teurer, schließlich ist er ja schon nominiert, während Barack erst noch Hillary die restlichen Delegierten wegschnappen muss. Wenn ich John McCain 50 Dollar per Online-Überweisung schicke, bekomme ich ein Gedenkticket für den "Straigth Talk Express" genannten Reisebus, mit dem der alte Herr so durch die Lande fuhr. Seitdem er zum republikanischen Kandidaten nominiert wurde, fliegt er nur noch. Ich nehme an, dass ich den Platz im Bus aber nur bekomme, wenn ich noch ein paar Nullen anhänge, so liest sich das jedenfalls.
Adrienne Woltersorf ist USA-Korrespondentin der taz mit Sitz in Washington.
Dass es bei Obama anders zugeht und der Mann als Präsident möglicherweise mehr Arbeit machen wird, als uns lieb ist, zeigt sich schon daran, dass ich - wenn ich das Abendessen gewinnen will, "meine Geschichte" mitbringen muss und Ideen, wie das Land für alle zu verbessern wäre. Bei McCain soll ich offensichtlich nur die schöne Grand-Canyon-Landschaft genießen, durch die der Tacheles-Bus an diesem Jubeltag dann tuckern würde, und ansonsten die Klappe halten, weil hier Johnny das Wort hat. Auch wenn das als ein Spottpreis für eine Busreise entlang dem großartigen Grand Canyon erscheint und Sie schon das Internet hochfahren - Ausländer ohne US-Aufenthaltsgenehmigung dürfen laut Wahlgesetz leider nicht spenden, sicher eine unbedachte Regelung aus alten Tagen, als der Eurokurs noch nicht so hoch stand.
Ein Kollege hat Obama vor Wochen aus Verzweiflung 25 Dollar gespendet, weil er seit Monaten versucht, ein Interview mit dem Mann zu bekommen. Schließlich dachte er, es würde helfen, Aufmerksamkeit bei der Kampagne zu erregen. Seitdem bekommt er noch mehr Aufforderungen per Mail, er möge weiterspenden - aber kein Interview.
Dass Hillary mir keine Kaffeeklatsch-Einladung schickt, kann nur heißen, dass sie entweder schon genug Geld hat oder lieber allein isst. Da sie ihr Geld hauptsächlich bei betuchten Großspendern einsammelt, gerate ich gar nicht erst in ihr Visier. Nicht aus den Augen lassen will mich hingegen neulich in einem renommierten demokratischen Frauenklub hier in Washington eine Susan. Die reizende ältere Dame möchte forsch von mir wissen: "Nun, wo stehen Sie? Hillary oder Obama?" Susan will gar nicht abwarten, bis ich mir eine Antwort zurechtgelegt habe, die mir meine Rechercheaussichten in dieser Hochburg des demokratischen Feminismus nicht verstellt. "Dieser Kerl soll gefälligst warten", faucht die ältere Dame mit Goldbrosche. Sie hat gerade ein gut meinendes Buch über mexikanische Migranten geschrieben. Dafür hatte sie extra Spanisch gelernt. Neulich war sie beim Friedensmarsch dabei, was mir sagt, dass sie das Herz normalerweise am rechten Fleck hat. "Was fällt dem ein, wir sind jetzt mal dran! Der kann doch gefälligst noch warten, er ist doch erst 46", schimpft sie über Obama. "Ich habe doch nicht die letzten 40 Jahre meines Lebens all diese Frauendemos mitgemacht, damit dann so ein Jungscher aus dem Nichts kommt und mir das alles wegnimmt!"
Seit Susan nach der ersten Vorwahl in Iowa realisieren musste, dass ihre Hillary nicht einfach so die Krönung ihres Aktivistinnenlebens sein wird, greift sie zu harten Supportmethoden. Susan hat seit einigen Monaten einen Enkel, das heißt, einen neuen Mann in der Familie. "Statt ihm die ersten Spareinlagen für sein Konto zu schenken, gebe ich - stellen Sie sich das mal vor - Hillary das Geld", sagt Susan mit bebender Stimme. Recht hat sie. Wäre der Enkel schon 18, würde er das Geld von Omi sicher sofort für ein Dinner mit Obama spenden.
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