Kolumne Olympia: Vom Jachthafen aus gesehen
Besonders die britischen Journalisten sehen viel Schlechtes bei Olympia - während sie zwischen Jacht und Sushi-Bar pendeln. Doch die Kanadier finden ihre Spiele trotzdem sehr gut.
E in Streit ist entbrannt in der schönen und derzeit sehr sonnigen Olympiastadt. Während die internationale Presse bei zwölf Grad plus im Jachthafen von Downtown Vancouver sitzt und die idyllische Aussicht auf die Berge sowie den Stanley-Park genießt, macht sie sich bei einem Tall Latte so ihre Gedanken, was die große Geschichte dieser Spiele sein könnte. Und nachdem man mit den lieben Kollegen, mit denen man prima Geschichten verabreden kann, einen Fahrradausflug an den Strand von Kitsilano unternommen, die Kirschblüte und die sprießenden Krokusse bewundert hat, ist dann völlig klar: Das sind die schlechtesten Spiele in der olympischen Geschichte.
Viel schlechter gehts wirklich nicht, oder? Das Wetter, natürlich, viel zu warm. Aber das ist es noch längst nicht gewesen, liebe Kollegen, die Liste der Patzer ist doch endlos lang. Schaut nur, die defekte Eismaschine, die Obdachlosen in Downtown Eastside, die Probleme mit Zuschauertribünen in Cypress Mountain, der Unfall bei einer öffentlichen Party, der komplett irre Typ, der Joe Biden zu nahe gekommen ist, die Startpannen beim Biathlon, die eingeknastete olympische Flamme, der Bus, auf den ich zu lange warten musste, und dort oben in den Bergen, da soll es doch diese krasse Rodelbahn geben. Ja, richtig, diese Spiele sind ein einziger Horror, bestätigen die Kollegen, bevor es dann zum angesagtesten Sushi-Laden der Stadt geht.
Vor allem englische Kollegen werden nicht müde, auf Vancouver herumzuhacken. Es wurden so viele Haare in der Suppe gesucht und gefunden, dass man annehmen musste, die Spiele könnten nur noch von einem Kriseninterventionsteam in Bataillonsstärke gerettet werde. Aber keine Angst, die Wettbewerbe laufen noch, das IOC hat keine Nachtsitzungen einberufen, Zuschauer und Journalisten kommen heil zu den Wettkampfstätten, und wie man hört, soll es sogar hier und da gute Stimmung in den Hallen und an den Strecken geben.
Markus Völker ist Sportredakteur der taz und berichtet zurzeit von den olympischen Spielen in Vancouver.
Die lieben Kollegen aus England haben ja vollkommen recht, die offizielle Rhetorik des Organisationskomitees nicht für bare Münze zu nehmen und ein offenes Auge für die Probleme dieser Spiele zu haben. Aber das, was der Guardian als Leitmedium gerade veranstaltet, ist fragwürdig. Auf der Welle der Engländer reiten jetzt auch ein paar deutsche Medien. Ja, wenn sie einmal rollt, die Welle, dann ist sie nicht mehr aufzuhalten.
Die kanadischen Olympia-Fans scheren sich übrigens einen Dreck um die logistischen Probleme. Mit einer Bierruhe stehen sie in der Schlange, die zum Bus oder der Flamme führt. Kein böses Wort ist zu hören. Kanada hat beschlossen, die Spiele verdammt gut zu finden. Und diese gute Stimmung ist, wie es scheint, nicht nur von oben verordnet, sie ist spontan entstanden. Logisch, dass kanadische Medien leicht indigniert auf die Kommentare der englischen Kritiker reagieren. Die Heimpresse hat eilig die Probleme anderer Olympiastädte aufgelistet, von Atlanta bis Peking. Die Kanadier verstehen nicht ganz, wie man derart defätistisch sein kann, wo sie sich selbst doch so bemühen - wie zum Beispiel bei der Rettung meines Computers.
Drei Techniker brachten meine altersschwache Kiste im Pacific Coliseum wieder in Gang. Es handelte sich um eine wunderbare Wiedergeburt von Bits und Bytes. Die Helfer nahmen sich alle Zeit der Welt und waren sehr zuvorkommend. Vielleicht hat das meine Urteilsfähigkeit getrübt. Ich muss im Jachthafen noch mal darüber nachdenken.
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