Kolumne Ökosex: "Wetten, dass ?" verhöhnt Ökosex

Warum Atomstrom kein schöner Preis ist und Gottschalk im Kampf um die Umwelt endlich die Seite wechseln muss.

Ein "Ökosex-Déjà-vu": Samstagabend, ein Sofa, meine Kinder, ich im Frotteeschlafanzug, eine Packung Chips und "Wetten, dass …?" im deutschen Fernsehen. Wie bereits in einer früheren Kolumne angetippt, ist diese Familienunterhaltung ökoemotional höchst interessant. Für jeden aufrechten Solare-Effizienz-Revolutionär ist sie ein Muss: Spiegelt sich in Thomas Gottschalks Augen doch die Seele der verunsicherten Brumm-brumm-Nation in Krisenzeiten.

Gottschalks Schlüsselsatz war am Samstag: "Der verbraucht nur 7 bis 8 Liter". Dabei meinte er den lächerlichen Audi, für den er auf der Bühne Reklame machte. Erst zur Schlüsselfrage: Was genau ist denn in Deutschland ein unkomplizierter, netter Typ, der sich nicht zu viel Gedanken macht? Welche versteckten Signale sendet er aus? Wie weit ist er noch gefühlsmäßig von der nachhaltigen Entwicklung und von Ökosex entfernt?

Weiß Gottschalk so ungefähr, was im neuen Standardwerk "Zukunftsfähiges Deutschland in einer globalisierten Welt" (BUND et al., 2008) steht? Ahnt er, dass laut Professor Wolfgang Sachs vom Wuppertal Institut das Segelschiff Symbol unseres neuen Wirtschaftens sein sollte? Fühlt Gottschalk, dass unsere bisherigen Megatanker eine Ölspur der Vernichtung und Verschwendung hinter sich herziehen? Ressourceneffizienz, Reparaturfreundlichkeit, erneuerbare Energien, globale Gerechtigkeit? Spielt das bei "Wetten, dass …?" eine Rolle? Nein, der öffentliche Thomas Gottschalk sendet keine Signale in diese Richtung, so die deprimierende Analyse von Samstagabend.

Im Gegenteil: Er macht wie gehabt öffentlich-rechtliche Werbung für Atom- und Kohlestrom der Firma E-Wie-Einfach. Damit sind für den glücklichen Gewinner des Haushaltsstroms 288 g CO2-Emission/kWh und 0,0012 g radioaktiver Abfall/kWh verbunden. Ressourcenschonung? Gottschalk hat im Saal dem Zuschauer Frank Bollkämper 5.000 Euro in die Hand gedrückt und dann vor laufender Kamera dessen Opel Astra Kombi verschrottet. Als Volksvergnügen.

Vernichtung von Werten und Ressourcen als Gaudi. Das wird nicht intelligenter, nur weil es die Regierung vormacht. Der Astra sah noch dufte aus und hätte sicher noch viele Jahre so mancher bedürftigen Familie in Deutschland oder Afrika treue Dienste geleistet. Wo bleibt die Gerechtigkeit?

Dabei wären "Wetten, dass …?" und der Samstagabend für das nachhaltige Deutschland in einer globalisierten Welt so wichtig. Auf Gottschalks Couch regiert nämlich das bewusst Unbewusste des oberflächlich Unpolitischen, das stets das Leichte und Heitere nur vortäuscht. In diesem Umfeld ist es jammerschade, dass die Sponsorenpropaganda wie gehabt gegen und nicht für die nachhaltige Entwicklung agitiert.

Womit wir beim Audi wären. Kati Wilhelm, eine Ski- und Schützenkönigin, kam mit dem neuen Audi Q5 2.0 TDI auf die Bühne gedieselt. Dieser war der Hauptgewinn beim ZDF-Gewinnspiel. Tolles Auto, sagte Thommie, beeilte sich aber, das mit den 7 Litern aufzusagen. Aha, das war neu.

Da war also tatsächlich der gesellschaftliche Druck so groß geworden, dass der Mainstreamer Gottschalk plötzlich vom Verbrauch redet. Wurde hier also vor den Augen meiner Kinder im öffentlich-rechtlichen Fernsehen für ein halbwegs vernünftiges Auto geworben? Mitnichten.

Der Audi hat einen Ausstoß von lächerlich hohen 175 g CO2 pro Kilometer und steht für die heutige Lebenslüge der Autonation: Weiter mit PS-Geprotze und Panzerdesign, nur schnell ein grünes Mäntelchen drüber. Noch ist es Gottschalk anscheinend nicht zu peinlich, sein Gesicht dafür hinzuhalten. Vielleicht liest er diese Zeilen und das Buch über Zukunft in einer globalisierten Welt. Vielleicht entdeckt er seine Liebe zu Segelschiffen und Ökosex. Vielleicht sucht er sich endlich angenehmere Sponsoren.

Deutschland muss sich verändern, damit es seinen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit der Welt leisten kann. Und Thomas Gottschalk spielt dabei eine Schüsselrolle.

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