Kolumne Ökosex: Danke, Frank!
Grün wählen kann jeder, aber grün leben? Frank Plasberg ist ein Titan der hohen Talkshowkunst.
In meiner letzten Kolumne habe ich meine Wahlheimat, die Niederlande, in Sachen Atom-Ignoranz hart angefasst. Das fanden einige LeserInnen gemein. Ein dahergelaufender Deutscher solle doch bitte dieses sympathische Land nicht so unfair kritisieren. Und überhaupt gebe es ja jetzt auch in NL Demos gegen den geplanten AKW-Neubau.
Beides ist richtig. Es waren letzte Woche ein paar tausend in Amsterdam, und ich habe überzogen. Natürlich ist hier auch vieles besser als in Deutschland: Wir können beispielsweise Linda de Mol im Original gucken. Linda hat eine super beliebte Abendshow, und die heißt "Ik hou van Holland", frei übersetzt: "Ich halte viel von Holland". Das ist eine rot-weiß-blaue Ode an niederländische Kultur und Lebensart und würde wie mir vielen taz-LeserInnen gefallen.
Übrigens heißt Linda de Mol auf Deutsch "Linda, der Maulwurf", womit wir beim Thema dieser Kolumne wären, nämlich bei Frank Plasberg. Wie ein Maulwurf gräbt sich dieser sympathische Journalist in seine Themen rein, dieser Titan der hohen Talkshowkunst. Seit ich selbst zu Gast war, verpasse ich keine Sendung, und es wird Zeit, ihn mal wieder zu loben. Letzte Woche ging es um den Atomausstieg.
Darüber quatschen kann im deutschen Fernsehen jeder. Aber nur Frank zelebriert so genial die Energiewende-Jammershow: "Was würden Sie tun, naiver Atomkraftgegner, wenn im Namen des Atomausstiegs so ein Windradmonster samt Stromtrasse direkt auf Ihrer Terrasse geplant wäre?" Soll heißen: Grün wählen, das könne ja jeder, aber wer wolle schon grün leben? Eigentlich war das eine tolle Steilvorlage für jeden Freund der solaren Effizienzrevolution. "Super, ein Windmonster auf der Terrasse, habe ich zu Hause gerufen." Ich möchte so gern eine Enercon-126 mit 7,5 Megawatt und einem Rotordurchmesser von 127 Metern in meinem Garten. Leider war ich nicht eingeladen. Jetzt mal Spaß beiseite: Die Redaktion von Frank hatte wieder mal Verdienstvolles geleistet. Sie hat die ganzen hanebüchenen Mythen und falschen Annahmen zur Energiewende gesammelt, daraus die Einspieler gebastelt und schräge Jammerfragen formuliert. Motto: Wir müssen fürchterlich viele Trassen bauen. Wir müssen alle mit schrecklichen Windmühlen vorm Haus leben. Es wird alles fürchterlich teuer.
Am tollsten versuchte Plasberg seinen Gast Hubert Weiger vom BUND in Szene zu setzen. Behauptung: Die Naturschützer seien die eigentlichen Gegner der Erneuerbaren, denn sie verhindern Trassen, Speicher und Offshorewind-Parks.
Danke, Frank, für diesen Dienst am Atomausstieg, denn so konnte Hubert Weiger glänzen und sachorientiert die Märchen widerlegen: Die heute geplanten Pumpspeicher der Konzerne haben nix mit der Speicherung von Erneuerbaren zu tun, sondern mit der Speicherung von Kohle- und Atomstrom. Und so manche Trasse werde keinesfalls für Windstrom geplant, sondern für Braunkohlestrom aus Ostdeutschland. Und keinesfalls seien die Naturschützer gegen Offshore, sondern lediglich gegen den Standort eines einzigen Parks bei weit mehr als 20 genehmigten. Und Weiger nannte auch die echten Herausforderungen: dezentraler Ausbau des Netzes, Onshore-Windenergie und Schluss mit dem Jammern.
Sonst noch was? Plasbergs Gast Jutta Ditfurth kämpft seit 40 Jahren gegen Atomkraft, hat zu Hause aber keinen Ökostrom. Ich vermute, weil Stromwechseln nicht wirklich politisch ist. Ich bin übrigens Hubert-Weiger-Fan und für Ökostrom.
Leser*innenkommentare
vic
Gast
Wer möchte im Penthouse eines Atomkraftwerks wohnen?
Neben einer Mülldeponie, einem Asylwohnheim, einem Kindergarten? Alle wollen Mobilfunk, niemand einen Sendemast.
Schräge Vergleiche?
Mag sein, aber realistisch.
Jeder will irgendwie alles, aber nicht in unmittelbarer Nähe.
hto
Gast
Nur Weichbirnen glauben mit dem Umstieg auf "Ökostrom" etwas wirklich-wahrhaftiges getan zu haben - Areva und die anderen Atomkonzerne danken, denn die Zukunft der "alternativen" Energien haben die sich schon gesichert.
Der Stromverbrauch für die konfusionierende Überproduktion an SYSTEMRATIONALEM Kommunikationsmüll muss sinken, damit wir in zweifelsfreier Vernunft und eindeutiger Wahrheit wirklich zusammenleben können, auf der Basis eines unkorrumpierbaren MENSCHENRECHTS auf Nahrung, Wohnen und Gesundheit, mit allen daraus MENSCHENWÜRDIG resultierenden Konsequenzen / Möglichkeiten - das geht nur wenn das System von "Wer soll das bezahlen?" und "Arbeit macht frei" nicht mehr mit gutbürgerlich-gebildeter Suppenkaspermentalität konditioniert wird!?
kleinalex
Gast
Ich muss ehrlich sagen, ich bin immer ein wenig traurig, wenn ich das Märchen von den Stromfiltern lesen muss. Angeblich, so steht es auch in diesem Kommentar, gibt es spezielle Stromfilter, die beispielsweise Atomstrom, oder auch Ökostrom ausfiltern können. Damit ist es dann möglich, völlig unmögliche Dinge zu tun, wie beispielsweise:
Pumpspeicher bauen, die "der Speicherung von Kohle- und Atomstrom", dienen, bestückt mit speziellen Filtern die vor dem Speichern von Strom aus erneuerbaren Quellen schützen.
Ein paar Fakten, zum Mal-drüber-nachdenken:
- Jeder Stromspeicher kann Strom aus jeder beliebigen Quelle speichern.
- Solange es jede Menge Strom aus nicht erneuerbaren Quellen gibt, wird jeder Netzspeicher Strom aus diesen Quellen speichern.
- In dem Moment, in dem eine beliebige nicht erneuerbare Energiequelle endlich abgeschaltet wird um durch eine erneuerbare ersetzt zu werden, muss die Speicherkapazität bereits vorhanden sein.
Hm, 1+1+1=3. Verblüffend, ja?
Für jedes einzelne Watt, dass die erzeugte nicht erneuerbaren Energie unter den Stromverbrauch sinken soll, muss Energiespeicher bereitstehen, in dem der Strom aus den erneuerbaren Energieträgern gespeichert worden sein kann. Und jeder Tag, den diese Energiespeicher nicht zur gebaut werden, ist ein weiterer Tag, den Atom-, Kohle- und wasauchimmer-Kraftwerke sich an ihre Existenz klammern. Und jeder dieser Tage bedeutet, zumindest momentan, radioaktive Abfälle - etwa 740 Kilogramm, jeden Tag (Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Radioaktiver_Abfall, 450 Tonnen pro Jahr 2010, bei 15 Kraftwerken in Betrieb; 7 davon sind nun außer Betrieb, macht (450 * 9/15) / 365 pro Tag).
Und das alles nur, weil es ja soooo tragisch ist, wenn so ein Energiespeicher zunächst einmal für bösen Strom verwendet wird. Vermutlich ist der Stromspeicher selbst dann beschmutzt, und jeder saubere Strom, der da in Zukunft mal reingepumpt wird, verwandelt sich dann ebenfalls in schmutzigen Strom.
Wer den Bau eines Stromspeichers vrhindern will, der ist in meinen Augen ein genauso glaubwürdiger Atomkraftgegner wie Helmut Kohl.
IJoe
Gast
Energieproblem geloest:
mit der heissen Luft dieser Kolumne waere eine nahezu unerschoepfliche Energiequelle gefunden.
Nachteil: vernunftbegabte Menschen werden nach dem Lesen von grosser Traurikeit uebermannt.