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Kolumne ÖkosexAusstiegsspaß mit Augenmaß

Kolumne
von Martin Unfried

Bei Merkels Atomplänen könnte man aus Dankbarkeit gleich heulen. Oder etwa nicht?

D ieser Text wird geschrieben mit einem kleinen Anti-AKW-Laptop, der nur bei Vollgas 40 Watt zieht. Dieser Hinweis geht an die Ethikkommission, auf deren erlösenden Bericht wir diese Woche warten. "Risiko" war früher insbesondere bekannt als gefährliche Situation bei Wim Thoelkes Show "Der große Preis". Da kam die bedrohlich Musik und Wim fragte: "Sie haben eine schöne Republik mit herrlichen Bundesländern, Landschaften und Menschen: Wie viel setzen Sie?"

Großmeister der Realpolitik wie Helmut Schmidt und Helmut Kohl setzten ohne mit der Wimper zu zucken auf den Atom-Jackpot-Super-GAU. Das konnten sie natürlich nur mit einer super Ausrede. Die lautete schlicht: "Wat mut dat mut". No risk no fun. Fun meinte hier Arbeitsplätze, Unternehmensgewinne, Weltmarkt und Spitzentechnologie. Dieser offensichtliche Mumpitz hatte bekanntlich den Soziologen Ulrich Beck inspiriert. Er reüssierte in den 80er Jahren mit dem Begriff der Risikogesellschaft. Zu Recht ist Professor Beck heute einer der fabulösen Ethiker der Bundesregierung. Ich dachte erst, es ginge ethisch um eine Bewertung des Risikos der Atomkraftwerke. Viel interessanter! Es geht in der Kommission um das Risiko des beschleunigten Ausstiegs. Aussteigen ist nämlich höllengefährlich. Deshalb nur mit ethischem Augenmaß. Augenmaß wird das "Merkelwort" des Jahres 2011.

Das Augenmaß der CSU sagt beispielsweise 2022. Whow! Die Ethikkommission hat schon durchsickern lassen, dass es mit Augenmaß und wegen Klimaschutz (besonders Eon macht sich dafür stark) wohl 2021 empfehlen könnte. Respekt! Merkels Konsensplan sieht vor, dass ich bei so viel Beschleunigung dankbar weine und nie mehr demonstriere. Leider fehlte der Kanzlerin hier das nötige Augenmaß. 2021 ist natürlich ein Schlag ins Gesicht jedes aufrechten Atomkraftgegners.

taz

MARTIN UNFRIED ist Autor der taz.

Wie jeder weiß, ist die Ethik- in Wahrheit eine "Ausredenkommission". Meine These: Sind die Risiken sichtbarer, müssen die Ausreden eben noch innovativer präsentiert werden. So wende ich mich persönlich an das Kommissionsmitglied Ulrich Beck: Lieber Herr Professor Beck, die "Ausredengesellschaft" ist der Schwippschwager der "Risikogesellschaft. Was wir erleben: Die Risikojunkies haben sich so an den Hauch des Todes gewöhnt, dass sie das Undenkbare, den raschen Ausstieg, gar nicht zu denken wagen. Aus Ökosex-Perspektive ist schlüssig, was Hubert Weiger vom BUND sagt: Bis 2012 könnten wir alle Atomkraftwerke vom Netz nehmen. Das alleinige Kriterium sei die Unversehrtheit der Bevölkerung. Heißt, das definitive Ende der Ausreden. Vor allem brauche es eine gemeinsame Anstrengung in Sachen schneller Stromeinsparung: ran an die Heizungspumpen, Elektromotoren, Druckluftteile, Gefriereinheiten und den ganzen uneffizienten Quatsch. Und zwar heute.

Ich meine, da könnte auch die Ethikkommission jenseits des Berichts ein tolles Zeichen setzen. Wenn nun alle EthikerInnen 2011 bei sich zu Hause 20 Prozent Atomstrom einsparen würden. Wäre das nicht toll? Oder geht das gar nicht?

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1 Kommentar

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  • I
    IJoe

    "...ran an die Heizungspumpen, Elektromotoren, Druckluftteile, Gefriereinheiten und den ganzen uneffizienten Quatsch. "

    Hat der Theaterwissenschaftler eigentlich irgendeine Ahnung, von was er da redet? Da hätte ich mal gern was konkretes gehört, nicht nur: alles irgendwie ineffizient.

    Ach so, er ist ja kein Techniker, sondern sieht das alles aus der Meta-Perspektive. Arbeiten dürfen die andern.

    Jeder, der im wirklichen Leben steht, kann nur lachen über den gequirlten Mist, der hier verbreitet wird. Aber für taz-Leser reicht das.