Kolumne Nebensachen aus Warschau: Handy des polnischen Präsidenten
Über ein Handy, das zum Sargnargel wird und die Entsorgung von Daten mit den Zähnen.
Ein Handy zu benutzen, ist eigentlich nicht so schwer. Sollte man jedenfalls meinen. Auch Millionen Polen wissen, wie es geht. Wenn es klingelt, quäkt oder "Dzien dobry" sagt, geht man dran und unterhält sich. Als vor kurzem Polens Präsidentensprecher in die Kameras weinte, dass die Regierung fast nie Lech Kaczynski anriefe, nicht mal in Notfällen, empörten sich insbesondere die Radio-Maryja-Hörer, sein größte Fan-Gemeinde. Die Drähte liefen heiß. Sie wollten den Präsidenten in seinem Palast anrufen und trösten. Doch niemand ging an den Apparat.
Tage zuvor saß der Präsident im Flugzeug und hatte sein Handy ausgeschaltet. Da konnte man ihn auch nicht anrufen. Erstens darf man im Flugzeug nicht telefonieren und zweitens will auch ein Präsident mal seine Ruhe haben. Insbesondere vor dieser ihm so verhassten Regierung mit dem Liberalkonservativen Donald Tusk an der Spitze.
Wenig später klingelte das Handy von Außenminister Radoslaw Sikorski. Die Präsidentenkanzlei war dran. Lech Kaczynski wünsche ihn dringend zu sprechen. Sikorski nahm innerlich Hab-Acht-Stellung ein, sagte "Ja, bitte" und erwartete, nun Kaczynskis Stimme zu hören. Nein, nicht telefonisch, hörte er stattdessen. Sikorski solle persönlich vorbeikommen. Es sei dringend. "Aber ich bin in Brüssel auf dem EU-Außenministertreffen." Vielleicht könne der Präsident doch kurz ans Telefon kommen und zumindest sagen, worum es gehe. Am anderen Ende hörte er nur: "Das ist Ihre Entscheidung." Sikorski war alarmiert. Er raste zurück zu den EU-Kollegen, entschuldigte sich, dass er gehen müsse, aber der Präsident rufe ihn dringend ins Land zurück. Telefonisch sei das nicht zu regeln. Die Kollegen nickten verständnisvoll, zogen ihre Handys und schickten SMS an ihre Botschafter in Polen: "Was ist in Warschau los?"
Sikorski, durch ein Telefondesaster mit der Präsidentenkanzlei schon leicht traumatisiert, jettete zurück und war noch vor Mitternacht im Präsidentenpalast. Er wollte sich nicht erneut Illoyalität und fehlenden Respekt vor dem Staatsoberhaupt vorwerfen lassen, nur weil eine telefonische Absprache nicht möglich war. Dort aber war man über sein Erscheinen erstaunt. Er hätte doch die EU-Außenministersitzung nicht unterbrechen brauchen. So dringend sei es nun auch wieder nicht gewesen. Der Präsident reichte Plätzchen. Er wolle mit Sikorski nur ein bisschen über Polens Außenpolitik plaudern, insbesondere über dessen geplante Besuche in der Ukraine und den USA.
Probleme mit moderner Kommunikationstechnik hat aber nicht nur der Präsident und seine Kanzlei. Bereits im letzten Jahr hielt Polens damaliger Justizminister Zbigniew Ziobro sein Handy-Diktafon in die Kameras und sagte: "Dies ist der Sargnagel zur Karriere des Landwirtschaftsministers Lepper." Tatsächlich verlor Lepper durch Ziobro seinen Job, doch zugleich kollabierte die gesamte Regierung. Der Justizminister hatte mit seinem "Sargnagel" ganze Arbeit geleistet.
Nun übergab er Dienstlaptops und Handy-SIM-Karten an die Nachfolgeregierung - als Technikschrott. "Das ist mein gutes Recht", verteidigte er die Zerstörung von Staatseigentum. Da seien schließlich auch private Daten drauf. Im Fernsehen erläuterte dann ein Experte, wie man fachgerecht Daten löscht: "Sie müssen nicht mit dem Hammer auf den Laptop einschlagen oder die SIM-Karten mit den Zähnen zermalmen!"
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