Kolumne Monday Mirror: Babygeschrei bei der BBC
taz-Redakteurin Susanne Lang arbeitet zurzeit bei der Tageszeitung Guardian in London. In ihrer wöchentlichen Kolumne schreibt sie über die lieben britischen Kollegen.
Ein Fernsehsender macht mit einer Quiz-Show nicht nur Quote, sondern sehr viel Geld. Geld, das er seinen ZuschauerInnen ohne großen Aufwand abknöpft: Alles, was er tun muss, ist sie zu einem oder mehreren kostenpflichtigen Telefonanrufen zu motivieren, mit Aussicht auf den Megagewinn. Welcher Sender wohl so skrupellos agiert? Ein kommerzieller, privater Sender, selbstverständlich.
Ein Fernsehsender strahlt in einer Sendung seines 24-stündigen Nachrichtenprogramms einen Beitrag über frisch geborene Fünflinge aus. Die Säuglinge haben einen Sauerstoffschlauch über Mund und Nase. Trotzdem ist Babygeschrei zu hören.
Das Krankenhaus, in dem die Geburt der Fünflinge gefilmt wurde, protestiert in der Presse: Das Filmmaterial, das es an verschiedene Fernsehstationen gegeben habe, sei ohne Ton aufgenommen worden. Welcher Sender wohl so manipulativ arbeitet? Das ist die BBC - alles andere als selbstverständlich.
Doch seit der öffentlich-rechtliche Sender mit einem gefälschten Beitrag über die Queen in die Schlagzeilen geriet, in dem man sie aus einem Fotoshooting stürmen sah, überraschen selbst kleinere Zwischenfälle wie eine hinzugefügte Tonspur die Öffentlichkeit nicht mehr. Sie bekräftigen lediglich das, was so gerne mit Vertrauenskrise beschrieben wird. Anders als in Deutschland jedoch, wo die öffentlich-rechtliche ARD selbst einen Schleichwerbeskandal weitgehend unbeschadet überstehen kann, bekam die BBC die Folgen des Vertrauensentzugs unmittelbar zu spüren.
Der vorgelegte Finanzplan für das kommende Jahr wurde nicht genehmigt, woraufhin BBC-Chef Mark Thompson im September prompt umfangreiche Stelleneinsparungen ankündigte. Die gebührenfinanzierte BBC steht unter Rechtfertigungszwang - nicht nur im Hinblick auf ihre journalistische Arbeit, auch auf die Anzahl ihrer Kanäle. Nicht zuletzt deshalb wiegt die Meldung von vergangener Woche über das hinzugefügte Babygeschrei schwer.
Der Beitrag wurde auf BBC News 24 ausgestrahlt, nicht nur einem ihrer renommierten Vorzeigekanäle, auch eines ihrer digitalen Projekte, mit dem die BBC seit 1997 dem privaten Nachrichtensender Sky News erfolgreich Konkurrenz macht.
Thompsons Anweisung an alle Mitarbeiter, so transparent wie möglich zu arbeiten, ergänzt um die Einführung einer Website, auf der die Bedingungen und Methoden der journalistischen TV-Arbeit aufgezeigt werden, scheint noch keine Früchte zu tragen. Wie gut, dass es da zurzeit den Fall der verschwundenen Maddie gibt. Ein Exklusiv-Interview mit einer der Mitreisenden, die Maddies Entführer gesehen haben möchte und sich nun doch entschlossen habe zu reden, brachte die BBC wenigstens indirekt positiv auf die Seite eins der Boulevardpresse. Auch eine Art von vertrauensbildender Maßnahme.
Auf den privaten Sender ITV übrigens wartet eine Strafe in Millionenhöhe für seinen Gewinnspielbetrug. Die britische Aufsichtsbehörde Ofcom ermittelt noch.
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