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Kolumne MithulogieDas Piss-Manifest

Mithu Sanyal
Kolumne
von Mithu Sanyal

Ein Aufruf an alle Lad*ys und Cis-Genderas, an Femmes, Butches und Bitches: Verbessern wir die Welt! Und tun wir es in weiter Flur!

Wofür gibt es Büsche und Bäume? Nicht nur zum Fotografieren! Foto: dpa

A nfang des Jahres sorgte ein Artikel, den ich für die taz geschrieben hatte, für einen Shitstorm (oder, wie ich solche sozialen Wetterphänomene lieber bezeichne, für einen Sturm im www-dot-Glas).

Ich kommentierte die ganze Sache irgendwann im WDR sinngemäß: Wenn die ganzen Scheißer* und Stürmer*innen ernsthaft befürchten, dass ein kleiner Artikel von mir die Welt verändern könnte, möchte ich eine regelmäßige Kolumne in der taz. Dieser Text ist also der Beweis, dass Magie funktioniert.

Beginnen wir die Verbesserung der Welt mit der Blase. Nicht der Filterblase, die uns alle darin bestärkt, dass unsere Ansichten richtig und wichtig sind. Sondern mit der Blase, die uns darin bestärkt, nach der nächsten Toilette Ausschau zu halten. Schließlich ist dies gleichzeitig der Beginn des Frühlings mit seinen kühlen grünen Wiesen und es ist kein Zufall, dass ein Synonym für Erleichterung „Ruf der Natur“ ist.

Unser Raum

Nur ist diese Handlung, die wir alle vornehmen müssen, wenn wir nicht an einer Wasservergiftung (ja, so etwas gibt es) sterben wollen, überraschend gegendert – erst recht im öffentlichen Raum.

Deshalb ist dies ein Aufruf an alle Lad*ys und Cis-Genderas, an Femmes, Butches und Bitches: Tut es in weiter Flur!

Flur im Sinne von Feld und Flur. Natürlich ist nicht gemeint, dass wir uns ab jetzt in jeden Hauseingang hocken sollen. Zwar habe ich das Bouquet bereits mit dem Vokabular von Whisky-Expert*innen beschrieben gehört, die der Geruch an das volle Aroma von in Barriquefässern gereiften Tropfen erinnerte, doch sollte man Urin ebenso wenig wie uisca beatha auf gefliesten oder gepflasterten Boden vergießen. Wofür gibt es Büsche und Bäume? In diesem Sinne:

1. Draußen zu pinkeln ist gut für die Umwelt. Im südafrikanischen Durban wird Urin bereits in öffentlichen Toiletten getrennt aufgefangen und wegen seines hohen Gehalts an Stickstoff, Phosphor und Kalium als Dünger verwendet. Wo*men, verweigert der Vegetation nicht euren Fertiliser!

2. Draußen zu pinkeln ist gut für die Gesundheit. Einhalten erhöht nicht nur die Gefahr von Harn- und Blaseninfektionen, sondern auch von Nierensteinen.

3. Draußen zu pinkeln ist leichter für Menschen mit Mösen – und zwar bis ins hohe Alter, da wir zwar auch eine Prostata haben, diese aber auch vergrößert nicht auf unsere Harnröhre drückt.

4. Draußen zu pinkeln nannte meine Freundin Vera „Pipi mit Aussicht“. Die Aussicht war in der Regel sie. Und das ist noch ein Vorteil für Menschen mit Mösen, dass Exhibitionismus nur bei Männern strafbar ist.

Doch first and foremost:

5. Draußen zu pinkeln verlängert die Zeit, die Menschen, die sich als Frauen identifizieren, im öffentlichen Raum verbringen können. Schon einmal mit einer Freundin im Park gewesen und umkehren müssen, weil sie musste? Quod erat demonstrandum.

Der Park gehört uns! Zumindest auch!

Piss-Tazien, Go Girls, selbst gefaltete Papiertrichter und Pur-Pinkler*innen aller Völker, vereinigt euch!

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Mithu Sanyal
Autorin
Dr. Mithu M. Sanyal, Kulturwissenschaftlerin und Autorin Themen: Sex, Gender, Macht, (Post)Kolonialismus, Rassismus, Wissen schreibt eine regelmäßige Kolumne für die taz "Mithulogie" Bücher u.a. "Vulva" (Wagenbach), "Vergewaltigung. Aspekte eines Verbrechens" (Nautilus.)
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6 Kommentare

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  • Geile Kolumne. Habe letztens ein Interview mit Sarah Millican gehört, in dem sie erzählt hat, dass sie im Stau pinkeln musste. Anstatt auszusteigen hat sie auf den Beifahrersitz gepisst. Da ist das hier vorgeschlagene Modell doch gelebte Gleichberechtigung.

  • yeah, Feminismus ist sooo wichtig....

     

    Satire geht besser...

  • Bitch kann aus dem Englischen ins Deutsche u.a. übersetzt werden mit Zicke, Miststück, Hündin, Rabenaas, Weibstück, Hure, Nutte, Schlampe und Ische. Ja. Bitte: Machen wir die Welt ein bisschen besser. Fangen wir damit an, dass wir weder uns selbst noch unsere Freund*innen mit diesem herabsetzenden Wort ettikettieren. Dann müssen wir womöglich irgendwann auch Leute, die uns kritisieren, nicht öffentlich als "Scheißer* und Stürmer*innen" angehen.

     

    Gewaltlosigkeit fängt mit der Sprache zwar nicht an, sie hört aber damit auch noch lange nicht auf. Wie wär' es mal mit einem Manifest, das für Gewaltlosigkeit plädiert? Das wäre mal was richtig Neues. Natürlich nur, wenn man bloß die letzten 500 Jahre überblickt und außer Acht lässt, dass die Bergpredigt schon mehr als 2000 Jahre her ist

     

    Nun ja. Wer frei weg in die Landschaft pinkeln will, der hat es wohl nicht so mit alten Büchern und Legenden. Der hat womöglich richtig Spaß daran, seinen Mitmensch*innen oder doch wenigstens unschuldigen Büschen und Bäumen nach Hünd*innenart ans Bein zu pinkeln. In dem Fall will ich selbstverständlich keinen Rat erteilt haben. Frei laufende Hunde sind doch sicher immer noch die besseren Künstler*innen für Solche-Welche.

     

    Aber eins kann ich mir dann doch nicht verkneifen. Anders als Hunde beiderlei Geschlechts sollten selbsternannte Bitches vielleicht tatsächlich ein ganz klein wenig an die eigene Macht glauben, die sie so dringend suchen bzw. finden wollen auf ihren verbalen Selbstermächtigungstrip. Wäre ich sie, würde ich mich zumindest ein ganz klein wenig davor fürchten, dass fündig werde, und sei es auch nur aus Versehen. Im schlimmsten Fall kann ich dann "mit einem kleinen Artikel […] die Welt verändern" - und zwar zum Negativen hin. Nun ja, da sch***t ja wohl der Hund drauf. Bzw. die Hündin.

  • Na - da sind aber schwere - genderneutrale

    Lernprozesse nötig! - Aber Hallo!

     

    In einer berühmten fein im Grünen gelegenen

    Klinik - die Frühlingsluft a balconia genießend -

    Kreischte es mir ins Ohr - "Der pisst da einfach hin!"

    Nach merhfachem Armeschlenkern - Entdeckte ich -

    Queerab - in der Größe einer Streichholzschachtel

    Im Grünen gerade noch erkennbar einen - Pinkeln!

    Ähnliches mehrfach. - & Merkwürdigerweise unter

    Übelnehmend & hysterischem Gekreische - & sorry -

    Immer. Weiblich konnotiert. & mal aus der Hand -;)

     

    Dank Schlaganfall - Schon mal schlagartig vom Fahrrad katapuliert - Zu hier angepriesenem bayrischem Baumnässen - Werden selbst wohlmeinende Hinweise -

    Gern unter Presswelle mit: "Dess wüßt ich ever" - oder -

    "Könnt ja jeder saare!" - quittiert - usw usf .. Jau!

    Nach oben offener Horizont der menschlichen Toleranz.

    Einem gegenläufigen Ansinnen also alles Gute!

     

    Aber dennoch erfreulich - Wenn da eine Nachschulung -

    In Frage steht! Frauman darf gespannt sein!;) & Hörens!

    pc - ist das ja sicher nicht. Hör die Hufe schon am Scharren.

     

    (ps - woanders ist frauman da seit längerem - ja geradezu traditionell schonn was weiter - wa!

    "Leben in Battersea" by Nell Dunn - läßt z.B. grüßen!;))

    (wenn auch lausig von Hans Wollschläger übersetzt;)(

    • @Lowandorder:

      & dennoch wieder mal - geklaut!

      "Was wech is - is wech!"

      Auch wieder wahr!

  • Manifest? Piss-taz-ie!