Kolumne Männer: Der iPod unter den Beziehungen

Für viele Heteromänner haben Schwule und Apple-Produkte viel gemein: Sie gelten als smart, schön und benutzerfreundlich.

Das Folgende dürfen Sie nicht weitersagen. Ich habe es Freunden versprochen. Was sie mir im Schutz von Bier und später Stunde anvertrauten, ist nicht gerade geeignet, in einer Rede des Bundespräsidenten zum soeben ausgedachten UN-Tag der Geschlechtersympathie aufzutauchen.

Und das kam so: Ein guter Freund von mir hatte genug. Von allem. Damit meinte er: von Frauen. "Die sind so kompliziert", sagte Hilmar. Wir saßen zu viert beim Bier und und hörten zu. "Frauen signalisieren immer das eine und meinen das andere." Hilmar ist Ingenieur. Er weiß also, wie Dinge zu funktionieren haben. Hilmar bleibt immer vor roten Ampeln stehen. Auch als Fußgänger, auch nachts. Regeln sind Regeln. Hilmar seufzte, nahm einen Schluck und sagte: "Ich wünschte, ich wäre schwul."

Schwulsein hat für eine gewissen Heteroklientel mittlerweile viel gemein mit den Produkten von Apple. Beide gelten als gut aussehende, smarte Alternative zum Massenmarkt, ja als Statussymbol. Und sie werden gerühmt für ihre Benutzerfreundlichkeit.

Ich kenne mehrere schwule Paare, die miteinander glücklich sind. Zugleich haben sie kein Problem damit, wenn sich der eine, statt "Lets dance" zu gucken, via Onlineportal Gay Romeo mit einem anderen Mann zum Sex verabredet. "Überhaupt", sagte Hilmar. "Das ganze Eroberungsgetue. Es muss doch auch ohne Heuchelei gehen."

"Das ist doch Quatsch", sagte eine Freundin, die mit am Tisch saß: "Eigentlich steht ihr Männer doch drauf, dass wir Frauen kompliziert sind. Ein bisschen mit dem Feuer zu spielen ist nämlich aufregender, als im Supermarkt einfach alles aufs Warenband zu werfen." "Also", konterte Hilmar, "ich sehe weit mehr Männer an der Supermarktkasse als an Lagerfeuern."

Jetzt wirds albern, dachte ich. Hoffentlich hören sie nicht auf.

"Ach ja?", sagte die Freundin. "Aber wenn eine Frau ankommt und direkt sagt, dass sie mit dir ins Bett will: Wetten, du wärst erst mal verschreckt?"

"Also, ich würd ihr das verzeihen", sagte Hilmar.

"Lasst uns die Sache rational angehen", sagte ich. "Die Lösung lautet also - erstens: Alle Männer werden schwul. Daraus folgt zweitens: Alle Frauen werden lesbisch. Damit wäre noch ein Problem gelöst: Mario Barth."

Einer zweiten Freundin platzte der Kragen: "Frauen sind doch gar nicht kompliziert. Das halte ich für ein hartnäckiges Gerücht. Männer sind kompliziert. Schwule Männer auch. Und die werden von Heteros nicht beneidet, weil es auch unter ihnen Treueanhänger gibt, was da manchmal gar nicht so einfach ist, hab ich gehört." Hilmar schüttelte den Kopf: "Das ist mir alles zu kompliziert."

Was würden Sie sagen, wenn ich Ihnen erzählte, diese Plauderei habe gar nicht angetrunken zu später Stunde stattgefunden, sondern tagsüber via Facebook und vermutlich nüchtern? Was, Sie fänden das bezeichnend für den Stand der Emanzipation der Männer, die sich nicht trauen, über ihre Frustrationen und Überforderungen zu reden? Aus Angst, von Frauen wie Männern als "Weichei" beschimpft zu werden? Dann habe ich nichts gesagt.

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Schriftsteller, Buchautor & Journalist. Von 2005 bis 2014 war er Politik-Redakteur und Kolumnist der taz. Sein autobiographisches Sachbuch "Das Erbe der Kriegsenkel" wurde zum Bestseller. Auch der Nachfolger "Das Opfer ist der neue Held" behandelt die Folgen unverstandener Traumata. Lohres Romandebüt "Der kühnste Plan seit Menschengedenken" wird von der Kritik gefeiert.

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