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Kolumne MännerAmerican Psycho

Matthias Lohre
Kolumne
von Matthias Lohre

Frauen übernehmen Männerklischees und sind stolz darauf. Ein Glück, dass Männer das nicht nachmachen.

Viel rosa, viel blondiertes Haar: Christina Aguilera. Bild: reuters

C hristina Aguilera ist superaufgeregt. Neulich erschien ihre neue Single „Your Body“, und sie ist stolz auf den dazu gehörigen Clip. „Darin spiele ich diesen Charakter. Sie ist vielleicht etwas Bad Ass“, erklärt die 31-Jährige. „Sie ist sehr selbstsicher, selbstbewusst, aber sie ist superspielerisch und superironisch. Sie lacht das ganze Video hindurch.“ Es ist ein wirklich heiteres Video geworden: viel Rosa, viel blondiertes Haar, viel Kaugummigekaue. Und drei hingeschlachtete Männer.

Während Aguilera von One-Night-Stands singt, tötet sie binnen vier Minuten drei Kerle. Zunächst lässt sie sich von einem hübschen Autofahrer mitnehmen, um ihn nach dem Sex in die Luft zu sprengen. Die Explosionswolke ist rosa. Als die Sängerin einen Kerl in eine Toilettenkabine zerrt, spritzt hinter der Tür bald sein pastellblaues Blut. Und dem Mann, mit dem Aguilera im Motelzimmer landet, zerschmettert sie den schönen Kopf mit einem Baseballschläger. Durch die Luft wirbelt rosa Konfetti.

Nun ist ja nichts langweiliger, als sich über Populärkultur aufzuregen. Und nichts erfüllt den Werbezweck solcher Aktionen perfekter als ihre Skandalisierung. Vielleicht also ist es ein Zeichen gewachsener gesellschaftlicher Klugheit, dass seit der Clipveröffentlichung die große Aufregung ausgeblieben ist. Trotzdem bin ich mir nicht sicher, ob es sonderlich gut ankäme, gäbe ich eine Art männliche Christina Aguilera.

Bild: privat
Matthias Lohre

ist Parlamentsredakteur der taz.

Mord als Comebackstrategie?

Nehmen wir mal an, ich wäre ein aus der Form geratener Popstar, dessen Karriere schwächelt. Wäre es da eine kluge Comebackstrategie, einen Clip zu drehen, in dem ich Sex mit drei Frauen simuliere, um sie danach zu ermorden? Käme ich dazu, in Interviews freudig Sätze zu sagen wie: „Ich glaube, ich habe nie zuvor ein Video gemacht mit so viel Farbe, Freiheit und Freude.“ Der Arbeitsagenturberater, der meinem Popstar-Ich einen Existenzgründungszuschuss gewährt hat, müsste seinem Chef sicher ein paar Fragen beantworten.

Klar, dieses Messen mit zweierlei Maß hat mit Kurzsichtigkeit zu tun und mangelnder Empathie für Männer. In der Popkultur wird noch immer das Bild vom tumben, gefühlsarmen Kerl gepflegt. Aber in Aguileras Fall spielt noch etwas eine Rolle: Männliche Rollenklischees sind einfach cooler als weibliche.

Rohe Gewalt, Reuelosigkeit, emotionsloser Sex – das ist doch was! Wenn Frauen in Filmen diese männlich besetzten Eigenschaften zeigen, gelten sie als gefährliche, faszinierende Vamps. Beispielsweise Sharon Stone in „Basic Instinct“. Und umgekehrt?

Tanzen Männer etwa durch Pop-Videos, in denen die Musik perlt wie ein kleiner, erfrischender Wasserfall? Streifen sie lächelnd durch sommerliche Felder? Verstecken sie sich dabei neckisch hinter Sonnenblumenblüten? Liegen sie kichernd auf dem Rücken, einen Finger zwischen den Zähnen? Gucken sie lasziv in die Kamera, um schließlich über so viel erotische Verspieltheit lachend den Kopf zu schütteln? Und wuscheln sie sich beim Refrain dramatisch durchs Haar?

Nee, das machen Kerle nicht. Weil’s unoriginell ist und blöd wirkt. Wir Männer spüren so was.

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Matthias Lohre
Schriftsteller & Buchautor
Schriftsteller, Buchautor & Journalist. Von 2005 bis 2014 war er Politik-Redakteur und Kolumnist der taz. Sein autobiographisches Sachbuch "Das Erbe der Kriegsenkel" wurde zum Bestseller. Auch der Nachfolger "Das Opfer ist der neue Held" behandelt die Folgen unverstandener Traumata. Lohres Romandebüt "Der kühnste Plan seit Menschengedenken" wurde von der Kritik gefeiert. Anfang 2025 veröffentlichte er seinen zweiten Roman "Teufels Bruder" über Heinrich und Thomas Mann in Italien.
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16 Kommentare

 / 
  • UW
    und wo...

    ... bleibt der konstruktive Vorschlag, wie das Rollenklischeeaufbrechen intelligent vor sich gehen könnte?

     

    Sie haben offenbar nicht einmal mehr diesen Anspruch an sich selber.

    Genau wie die meisten Feministinnen:

     

    Immer schön im Opfer sein suhlen.

  • A
    aujau

    Erinnert sich noch jemand an die Vargas-Girls, die auf den amerikanischen Bombern aufgeklebt waren?

    Die 120-90-90-Blondinen als Männermörderinnen sind nur die abgewandelte Fortsetzung, aber als solche im Westen nichts Neues.

  • H
    Helena

    @ von Klopf, klopf. Ist jemand zu Hause?:

     

    "Und dieses frauenfeindliche Klischee des weiblichen "Maneater" hat C.A. ironisch aufs Korn genommen. Danke dafür."

     

    Inwiefern? Das dort blaus Blut fließt, und Konfetti fliegt liegt daran, dass es ansonsten nicht vor einer bestimmten Uhrzeit hätte gesendet werden dürfen. Und der "männermordende Vamp" ist kein Klischee, sondern eine Figur in Film und Literatur.

  • HO
    Hotel Ostoria

    M. Lohre sagt ja auch in Erwartung vermeintlich "männerberuhigender" Doppelmoral (höhöhö) wie es wohl ankäme, wenn Mann mal einen weiblichen Konfettikopf weghaut. Da ist große Empörung auf breiter Front vorprogrammiert, auch wenn nach offiziell politisch korrekter Maßgabe die Unterschiede innerhalb der Geschlechter größer seien, als unter ihnen.

     

    Aber die Märchen glaubt nach wie ehedem bewährt traditionell weiblicher Opferkultur, will sagen klassische Instrumentalisierung des Mannes unter dem Deckmantel vorgeblich emanzipatorischer Politik, offenbar selbst frau nicht mehr.

    Der "Sensibelchen-gutzi-gutzi-gutzi"-Hohn ist insofern wie Aguilera-Musik: rosa, blondiert und schlicht.

  • M
    Männernichtmehrversteherin

    Lieber Bob,

     

    kann es sein, dass Sie tatsächlich von mir verlangen, Herrn Lohres Text ERNST zu nehmen? Oder gehen Sie womöglich davon aus, ich hätte es getan??

     

    Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass mir das nicht möglich ist. Sie wissen schon, der Text ist alles andere als intellektuell überschaubar.

     

    Vermutlich aufgrund meiner - exklusiv von Ihnen diagnostizierten - Leseschwäche scheinen mir Gedankengänge des Autoren wirr, der Unterton mutet ein wenig weinerlich an.

    Das dürfte der Grund sein, warum mich dieser Text sehr amüsiert hat.

     

    Ihr tiefgründig-scharfsinniger Beitrag dagegen hat zutiefst beeindruckt. Wie treffsicher Sie meine Unfähigkeit, "richtig" zu lesen, erkannt haben, wird mich nächtelang nicht schlafen lassen. Wie haben Sie das nur erkannt? Ob andere das auch erkennen können? Ob ich selbst es auch eines Tages bemerken werde? Fragen über Fragen...

     

    Über eine Antwort von Ihnen würde ich mich sehr freuen. Ich bin mir sicher, von Ihnen kann ich - wenn nicht sogar die ganze Welt - noch sehr, sehr viel lernen.

     

    In freudiger Erwartung Ihrer erhellenden Ausführungen und mit freundlichen Grüßen!

  • B
    Bob

    @Männerberuhigerin

     

    ...ihr mimmimimi-gequatsche können sie sich getrost sparen....sollten lieber die Zeit, welche sie für das schreiben eines Kommentars aufgewendet haben, dazu verwenden um "richtiges" Lesen zu lernen. Da wenn sie dieses beherrschen würden ihnen vielleicht aufgefallen wäre worum es hierbei geht...

     

    ...bzgl. der unterstellung des angeblichen antifeminismus (was nicht wirklich nachvollziehbar ist)...lesen sie einmal einige Kolumnen auf anderen namenhaften Seiten und für welchen Männerfeindlichen Quatsch diese Platz einräumen (z.B. wird sich über Prostatakrebs und (natürlich auspassen) männliche Beschneidungen lustig gemacht)...

     

     

    ...zu letzt finde ich es gut das wenigstens hier auch ein Blick auf Männer gelegt wird und dieses Thema hier einen Platz hat...

  • M
    Männerberuhigerin

    Och, Herr Lohre, Sie Sensibelchen!

    Sie haben das ganz Video falsch verstanden. Und jetzt sind Sie verletzt und traurig, wegen bösen Frauen, die Männer töten und so. Und viel zu viele Gedanken machen Sie sich auch. Das schadet nur! Sollten Sie künftig sein lassen!

     

    Ich erkläre Ihnen (fällt mir wirklich schwer, nicht "Du" und gutzi-gutzi-gutzi zu sagen) mal, was in dem Video mit den Männern passiert ist.

     

    Gleich zu Beginn kommt doch schon ein ganz beruhigender Hinweis, weil die wohl schon geahnt haben, wie sehr dieser Film manche Leute verstören könnte. Da steht: "No men were harmed in the making of this video". Das heißt: Bei der Herstellung des Videos wurden keinen Männern etwas zuleide getan. Die Männer können also gar nicht tot sein, sonst würden die so etwas bestimmt nicht schreiben.

     

    Der erste Mann:

    Der saß doch gar nicht mehr in dem Auto, als es explodiert ist. Ist doch klar. Sonst wäre sicher Blut und Gehirn und so herumgespritzt.

    Also ist ihm auch nichts passiert.

     

    Der zweite Mann:

    Den hat die Frau während des Liebesspiels in der Herrentoilette mit blauer Farbe vollgekleckert. Manche finden das erotisch. Und der Sex mit der Frau war so super, dass der Mann anschließend sofort auf dem Klo eingeschlafen ist. Dem ist auch nichts Schlimmes passiert.

     

    Der dritte Mann:

    Die Frau hat mit dem Baseballschläger ordentlich auf den Konfetti-Topf gehauen und dann ist das ganze Konfetti durch die Gegend geflogen. Manche finden das sexy. Dem Mann ist natürlich auch nichts passiert.

     

    Also, Herr Lohre (gutzi-gutzi), nun beruhigen Sie sich schön. Sie haben das nur falsch verstanden, in Wirklichkeit war da doch gar nichts schrecklich.

    Doch halt - stimmt nicht so ganz. Die Musik. Die war wirklich schlimm.

  • A
    anke

    @profem:

    Mach doch! Ich meine: Was willst Du noch hier? Motzen? Dann bitte: Wer "pro Frau" ist, ohne die Frauen zu fragen, ob sie überhaupt gerettet werden wollen von einem Kerl seines Schlages, der muss damit rechnen, dass er an eine gerät, die dank Macho-Prägung wild entschlossen ist, Christina Aguilera als Feministin aufzufassen. (Siehe miri.)

  • S
    Sandra

    Tja, ich kann Frau Drobnitzky nur zustimmen, jedenfalls wenn sie es ironisch meint.

     

    Ich habe den Clip von Aguilera nicht gesehen, aber wie der hier beschrieben wird, gefällt er mir eh nicht.

     

    Was mir aber gefallen würde, wären Männer, die kuschlig und nett und verspielt und locker mit ihren Gefühlen umgehen können und nicht aus Panik vor der Entlarvung ihrer "weiblichen Seite" sich grausam und hart präsentieren müssen.

  • FS
    Feminismus schützt vor Dummheit nicht

    "....Dass die taz klar antifeministischen statements wie diesem überhaupt Platz auf ihrer Seite einräumt"

     

    Was ist denn daran bitte antifeministisch? Widerlege doch bitte mal sachlich die Argumentation! Wenn Frauen ihre Sexualpartner ermorden, ist das empowerment und weibliche Stärke, oder was?

  • C
    clara

    @profem

    Lies doch,was Du willst, aber übe

    keine Zensur aus. Hier herrscht Demokratie,

    damit eben auch noch Vernunft durchzudringen

    vermag!

    Profitmaximierung durch Verniedlichung

    von Gewalt, Anstachelung zur Gewalt

    gegen ein Geschlecht, ist genauso widerlich

    wie Rassismus.

    Wer Menschen aufgrund seines Geschlechtes

    für minder wertvoll hält, ist ein ideologischer Nachfahre/

    Nachfahrin des Faschismus!

    Sie können sich einmal gern mit

    Frauen in Kampfeinheiten der Wehrmacht und

    im Stalinismus beschäftigen.

    Da wissen Sie danach endlich, wer ihre moralischen Urahnen waren!

    Peinlich sind solche sexistischen IdeologInnen

    in Bildung/Erziehung und allen anderen

    sozialen Ämtern mit Entscheidungsbefugnissen!

    Sie sollten sich schämen, die Frauen so in Verruf

    zu bringen.

  • M
    miri

    Soso, die männlichen Klischees sind cooler. Und was heißt das jetzt? Dass ihr euch gerne à la Aguilera schlachten lasst um der männlichen Coolness willen? Dann, muss ich sagen, kriegt ihr, was ihr verdient habt. Tod aus Eitelkeit.

  • P
    profem

    Dass die taz klar antifeministischen statements wie diesem überhaupt Platz auf ihrer Seite einräumt und dafür auch noch Gehalt zahlt, ist schon peinlich. Hier brauchts dringend eine redaktionsinterne Debatte. Ich dachte zuerst, jetzt kommt gleich eine sinnvolle Kritik an Männlichkeitskonstruktionen in der Popkultur, aber es folgte einfach nur sexistische Polemik. Da kann ich auch Bild lesen.

  • DR
    Dr. rer. Nat. Harald Wenk

    Sicher: Sex and crime WIRKEN FAST IMMER.

    Aber der "entfremende" Effekt der Identifikatorischen kontrintuitiven brutalewnb Gewalt der sexy und auch sonst Symapjathieträgerin, für die Fans, ist nicht zu unzrterschätzen. Die Frauen bilden die Hälfte der Menscheit und das Tabu: KEINE GEWALT GEGEN FRAUEN. BEGRÜNCUDUNG/FOLGERUNG: FRAUEN SIND IMMER IMMER IMMER IMMER IMMER IMMER IMMER OPFER in öffentlichen Diskssionenn ist derartig tief und fest, leider auch in linken Kreisen verwurzelt, die Begründung/Folgerung seien irrealen "für die Galerie übertreibenden Charakter" dabei offenbart, dass ma fast nur mit ungekehrter Übetreibung dagaegen angehen kann. In den Medien wird Nietzsches Satz: "Etwas mus 100fach überrieben werden, damit es psychologisch überhaupt eine Wirkung tut" natürlich stark beachtet.

     

    Popanlyse, Schizoanslyse ist hauptsichlich der Frage gewidmet: Welche Begehenskomplex bringen solche masseanhafte Erfolge hervor, gewidmet.

     

    Tabus und Verbote sind hochgradig besetzt und wirken als Denk/Fühlverbote, Versteinerungen.

  • KK
    Klopf, klopf. Ist jemand zu Hause?

    "Wenn Frauen in Filmen diese männlich besetzten Eigenschaften zeigen, gelten sie als gefährliche, faszinierende Vamps. Beispielsweise Sharon Stone in „Basic Instinct“."

     

    Und dieses frauenfeindliche Klischee des weiblichen "Maneater" hat C.A. ironisch aufs Korn genommen. Danke dafür.

  • M
    MArcel

    Made my day, danke!