Kolumne Macht: Ein vorhersehbares Blutbad
Dem kenianischen Präsidenten Uhuru Kenyatta spielte die Trägödie von Garissa, bei der 147 Menschen starben, in die Hände. Mindestens.
B ei dem kenianischen Präsidenten Uhuru Kenyatta werden sich in diesen Tagen die Beileidsbekundungen stapeln; es gehört zu den internationalen diplomatischen Gepflogenheiten, einem Staatsoberhaupt zu kondolieren, in dessen Land sich eine Tragödie ereignet hat. Eigentlich ist das eine schöne Geste. Aber in diesem Fall vielleicht doch überflüssig.
Es gibt nämlich keinen Hinweis darauf, dass Uhuru Kenyatta traurig, erschüttert oder auch nur betrübt ist über den terroristischen Angriff auf die Universität der ostkenianischen Stadt Garissa, bei dem mindestens 147 Menschen starben, die meisten von ihnen Studenten.
Manches deutet darauf hin, dass es dem Präsidenten ziemlich egal ist, was da in der Provinz passiert. Abgesehen von der Tatsache, dass er das Ereignis nutzt, um politische Ziele zu verfolgen und sich über ein wichtiges Gerichtsurteil hinwegzusetzen.
Das Blutbad war vorhersehbar. Die Frage war nicht, ob sich etwas Derartiges ereignen würde, sondern nur: wann. Seit die kenianische Armee im Herbst 2011 in Somalia einmarschiert ist, um die islamistische Miliz al-Shabaab zu bekämpfen, ist die Bevölkerung in den Regionen unweit der 700 Kilometer langen Grenze dem Terror von Vergeltungsschlägen weitgehend schutzlos ausgeliefert.
Schauplatz von Massakern
Die Ostergeschichte ging in der Kurzfassung so: Jesus war plötzlich weg, das Grab leer. Dann tauchte er wieder auf. Wir erzählen deshalb zu Ostern Geschichten vom Verschwinden und Auftauchen in der taz.am wochenende vom 4./5. April 2015. Außerdem: Auch sie war mal weg, trat als Ministerin zurück und kam wieder. Ihre Partei, die FDP, ging unter, sie macht weiter: Ein Interview mit Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Und: Micha Brumlik bespricht Heideggers Aufzeichnungen aus den Jahren 1942 bis 1948. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
Vor gerade einmal zwei Wochen haben die Parlamentarier des Grenzdistrikts Mandera, der ebenfalls bereits Schauplatz von Massakern gewesen ist, der Regierung Tatenlosigkeit vorgeworfen und die Stationierung von Truppen entlang der Grenze gefordert. Keine Reaktion. Wenn man davon absieht, dass seltsame Pläne veröffentlicht wurden, denen zufolge die Regierung beabsichtigt, eine Mauer zu bauen und sich dabei an Vorbildern wie den USA und ihrer Grenze zu Mexiko sowie Israel und der Abgrenzung zu Palästina orientieren möchte. Das kann man in einer Gegend ohne Straßen und Stromversorgung eigentlich nur als humoristischen Beitrag zur Debatte verstehen.
Natürlich ist eine Universität kein Hochsicherheitstrakt, und selbstverständlich lassen sich Terroranschläge nicht vollständig verhindern. Aber es soll konkrete Warnungen vor einem Anschlag auf die Universität von Garissa gegeben haben. Und selbst wenn es die nicht gegeben hat: Zwei Polizisten waren zum Schutz für die Einrichtung in einer gefährdeten Stadt abgestellt. Zwei! Die beiden sind, wenig überraschend, jetzt tot.
Wieso war die Uni nicht besser geschützt? Der Präsident sagt: Es herrscht akuter Personalmangel bei der Polizei. Warum herrscht akuter Personalmangel? Weil ein kenianisches Gericht im letzten Jahr die Immatrikulation von 10.000 Polizeianwärtern mit der Begründung gestoppt hat, das Auswahlverfahren sei korrupt und ein offener Bruch der Verfassung gewesen. Das hat dem Präsidenten nicht gefallen. Und jetzt, nach dem Massaker in Garissa, hat er den Polizeichef angewiesen, mit der Ausbildung der Anwärter sofort zu beginnen – ungeachtet des noch schwebenden Berufungsverfahrens.
Nein, ich kann nicht beweisen und will nicht behaupten, dass Uhuru Kenyatta das Massaker in Garissa vorhergesehen hat. Aber es lässt sich kaum leugnen, dass es ihm durchaus gelegen kam. Wenn ich die Mutter einer der Getöteten wäre: Ich wüsste nicht, wohin mit meinem Zorn. Das ist wörtlich zu verstehen. Wer hilft den Opfern in Kenia?
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