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Kolumne LügenleserDie Hetzer haben längst verloren

Juri Sternburg
Kolumne
von Juri Sternburg

Was hat ein Messerattentat in München mit „TV“ zu tun, kann man fragen. Die Antwort ist immer die gleiche: Die Globalisierung kommt: Deal with it!

Deutscher Brunch, Alda Foto: photocase/Bengelsdorf

Nachdem viele Hetzer ihre Frage wieder löschen, weil die Antwort offenbar nicht in ihre Schublade passt: Geburtsland des TV ist Deutschland“, schreibt die Münchner Polizei auf Twitter. Wir sind beim Fressen. Das ist die deutsche Antwort auf Brunch. Breakfast plus Lunch gleich Brunch. Frühstück plus Mittagessen gleich Fressen. Deutsche Logik in Zeiten von Denglish. Zwischen dem halbfest gekochten Ei und dem Croissant, kommt die Frage dann aber doch noch auf. „Was hat das TV jetzt damit zu tun?“ Eventuell ist das Fernsehen auch von Überfremdung bedroht, who knows.

Im Saarland versprach ein NPD-Kandidat kürzlich, die arabischen Zahlen abzuschaffen. Für die Kids unter euch: NPD, das ist diese Nazi-Partei, die lange vor der AfD AfD-Positionen vertreten hat, aber nicht so geübt darin war, das Ganze gutbürgerlich zu verkaufen. Bei dem Tweet der Münchner Polizei lösen sich langsam die Fragezeichen auf: „TV“ steht für Tatverdächtiger, nicht für Television. Es geht um einen Mann, der in München wahllos auf Passanten eingestochen hat.

„Tatverdächtiger ist 33-jähriger Deutscher“, titelt der Spiegel. Da er nicht „Allahu Akbar“ geschrien hat, wird er als geistesgestört deklariert. Als ob jemand, der glaubt, ein unsichtbarer Mann, der auf einer Wolke sitzt, habe ihm befohlen, andere Menschen umzubringen die nicht – oder nicht doll genug – an den unsichtbaren Mann glauben, nicht ein Paradebeispiel für offensichtliche Geisteskrankheit wäre.

Menschen reisen, wohnen und vögeln weltweit

Aber darum geht’s nicht, jetzt wird erst mal ausdiskutiert, wo die Eltern herkamen und ob nicht vielleicht doch eine Oma aus Bosnien oder Taka-Tuka-Land kam.

Als ob das ein Pro­blem lösen würde. Als ob nicht jedem Menschen längst klar wäre, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis es so etwas wie den „Volkskörper“ nicht mehr gibt. Menschen reisen, wohnen, leben und vögeln inzwischen weltweit. Und sie haben Spaß dabei. Deal with it. Auch die Gegner dieser natürlichen Globalisierung wissen das. Gewinnen werden sie diesen Kampf eh nicht mehr, jetzt wird nur noch gestänkert und aufgehetzt, bis es dann bald in die Urne geht und sich niemand mehr an ihren sinnlosen Feldzug erinnern wird.

Es gibt nichts Deutscheres als den unbedingten Wunsch, die Herkunft eines Kriminellen herauszufinden, um dann die Tat, die Ursachen dieser Tat und weitere Taten weit von sich weg zu schieben. Wie sagen die Rechten so gern im Netz? „Hat natürlich alles mit nichts zu tun.“

Eine gute Zustandsbeschreibung der eigenen Weltsicht, wenn man immer wieder manisch versucht, aufgrund der Herkunft eine mörderische, abstoßende Tat zu erklären. Diese Weigerung, zu akzeptieren, dass es bald nicht mehr wichtig oder exakt bestimmbar ist, aus welchem Land jemand kommt, ähnelt dem Glauben an den unsichtbaren Mann schon sehr.

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Juri Sternburg
Juri Sternburg, geboren in Berlin-Kreuzberg, ist Autor und Dramatiker. Seine Stücke wurden unter anderem am Maxim Gorki Theater und am Deutschen Theater in Berlin aufgeführt. Seine Novelle "Das Nirvana Baby" ist im Korbinian Verlag erschienen. Neben der TAZ schreibt er für VICE und das JUICE Magazin.  
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9 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Globalisierungsgewinner und Globalisierungsverlierer, man muss halt nur zu den 10 % Gewinnern gehören und nicht zu den 90 % Verlieren.

     

    Ich habe noch keine Drogen gefunden, die mir das erträglich machen.

  • Warum darf keiner wissen, wer oder wieso jemand eine Straftat gemacht hat ? Wo ist der Unterschied bei vergleichbaren Taten, ob es ein Deutscher " Wahnsinniger " war oder ein Ausländischer " Wahnsinniger "

    Warum unterscheiden wir zwischen rechten und linken Straftaten ?

    Verbrechen ist Verbrechen und gehört bestraft.

    • 8G
      849 (Profil gelöscht)
      @Günter Witte:

      Auge um Auge, Zahn um Zahn also?

  • S gibt halt Globalisierungsgewinner und Globalisierungsverlierer. Die Gewinner lassen ihre frei beweglichen und skalierbaren Verfügungsrechte rund um den Globus für sich arbeiten und die Verlierer müssen ihre fleischigen schadhaften Körper über Meere und Wüsten schleppen, um ihre begrenzte Lebenszeit und Körperkraft den Gewinnern im Verdrängungswettbewerb anzudienen. Man muss halt nur zu den Gewinnern gehören: läuft bei Dir.

  • So ein Unsinn. Natürlich ist es interessant woher jemand kommt.

     

    Manche Gruppe in der Gesellschaft haben eine höhere Kriminalitätsrate wie Andere und man kann und sollte dann berechtigterweise die Frage stellen dürfen, ob wir diese Gruppe in Zukunft weiter als Gast haben oder sie womöglich sogar noch einbürgern wollen.

     

    Ja, man kann und soll eine Auswahl treffen, wenn es dafür gute Gründe gibt. Das geht hoffentlich auch im Rahmen des Grundgesetztes.

     

    Man kann aber das Grundgesetzt auch ändern, wenn nötig. Deswegen ist man noch lange kein Verfassungsfeind.

     

    In Zusammenhang mit den Auslandseinsätze der Bundeswehr sehe ich keine Übereinstimmung mit dem Grundgesetzt, aber das ist ja alles nur meine Laienmeinung.

    • @haraldarc:

      @HARALDARC natürlich darf man sich fragen woher jemand kommt. Der Punkt ist nur, dass es bereits Erkenntnisse zum Zusammenhang von Herkunft und Verhalten gibt. Kurz und knapp: ein statistisch signifikanter Zusammenhang ist nicht nachweisbar. Aber diese Antwort passt rechten Hetzern nicht ins Konzept, deshalb wird sie ignoriert und jegliche anderslautende Meinung diffamiert und zur Verschwörung erklärt. Das Problem ist also nicht, dass irgendwann einmal diese Frage gestellt und beantwortet wurde, sondern dass die Frage weiterhin so oft und lange gestellt wird, bis einem die Antwort gefällt.

    • 8G
      849 (Profil gelöscht)
      @haraldarc:

      Da müsste man sich aber auch bei gewissen "biodeutschen" Gruppen in der Gesellschaft fragen, ob man sie weiter als Gast haben will oder sie nicht womöglich auf eine einsame - zuvor den "faulen Griechen" abgekaufte - Insel abschiebt. Woher kommt aber diese höhere Kriminalitätsrate? Sicher nicht aus dem bösen Wesen derer, die einer Gruppe angehören.

       

      Auswählen kann man, wenn man ein Einwanderungsgesetz macht. Asyl gewährt man hingegen Verfolgten ohne Ansehen ihrer Gruppenzugehörigkeit. Das wäre nicht mehr mein Land, wenn es diese Verfassung derart umbiegen würde, dass dies nicht mehr gölt. Soviel "Verfassungspatriotismus" bringe ich gerade noch auf.

    • @haraldarc:

      Nicht nur "Laienmeinung", sonder auch noch kompletter Quatsch und Faktisch falsch. Mir wird schlecht, wenn Menschen ihren Rassismus mit irgendwelchen ausgedachten Zahlen rechtfertigen wollen.

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    "Menschen reisen, wohnen, leben und vögeln inzwischen weltweit."

     

    Es ist immer schon wer gereist und es hat immer schon wer gelebt und es hat immer schon wer gevögelt, sonst würden wir heute nicht mehr reisen, wohnen, leben und vögeln, oder?