Kolumne London Eye: Schwimmen statt Saufen
Wie kann man Sport zum permanenten Erlebnis machen? Kann er eine Alternative zum Regen und zum Trinken sein? Das fragen sich die Londoner.
N ach der Aufzählung aller Sportler, die man so bewundert, vor allem die vielen britischen Medaillengewinnern, richtet sich das Stadtgespräch jetzt auf die Frage, wie man Sport in London zum permanenten Erlebnis machen kann. Andy, der gerade mit Freunden in einem Straßencafé sitzt, erklärt, es sei wichtig, die Jugend langfristig zum Sport zu inspirieren.
George neben ihm spricht von der Notwendigkeit eines Kulturwechsels. „Ich glaube, einer der Hauptgründe, weshalb wir normalerweise so melancholisch und unglücklich sind, ist die Dunkelheit, der Regen und das Fehlen von Alternativen zum Trinken. Parks und öffentliche Sportplätze sollten ganz einfach länger aufhaben, auch im Winter“, suggeriert er, und fügt hinzu, dass mehr Sportplätze beleuchtet und zum Teil vor Regen geschützt sein sollten. „Mit zusätzlichen Sportprogrammen und Coaching.“
Das ist weniger eine Geldfrage als eine der Einstellung. Hier in London kauft die Stadt teure Open-Air-Fitnessmaschinen für Parks, die aber ab 19 Uhr dichtmachen. Fatima aus Pakistan stimmt zu: In Islamabad spielen Volleyballteams um Mitternacht, hier in London schmeißt man die Jugendlichen nach der Dämmerung vom öffentlichen Basketball- oder Fußballfeld, weil Anwohner sich sonst gestört fühlen. „Wenn die gleichen Jugendlichen dann nichts zu tun haben und in den dunklen Straßenecken herumhocken und sich bekiffen, oder wenn wir alle übergewichtig werden, sind die Kosten für unsere Gesellschaft doch viel höher als das bisschen Krach am Abend“, findet sie.
Sogar auf Coram Fields, einer der größten Londoner Spielplätze, wünschen sich die Eltern jetzt Sportprogramme. Osa, die vier Kinder im Alter zwischen 5 und 18 hat, sieht als größtes Problem das Geld. Sie konnte sich irgendwann die Schwimm- und Tennisstunden für ihre älteste Tochter nicht mehr leisten. „Wir brauchen in London echte Sportmöglichkeiten. Mit zwei Schulsportstunden pro Woche in den staatlichen Schulen geht das nicht“, sagt sie.
Gordon erinnert sich, wie vor Olympia in einem Schulhof ein mobiles Schwimmbecken aufgestellt wurde. Ende Juli wurde es in den Olympiapark gebracht und dient jetzt als Trainingsbecken. Während der Zeit in der Schule gab es dort Schwimmunterricht für nur £ 1.50 die Stunde (2 Euro) – ganz toll.
ist freier Autor der taz.
Leider blieb das Becken dort nur für drei Monate, und es verfügte über keinerlei Duschen! „Ich weiß nicht, wer sich das ausgedacht hatte“, sagt Gordon. „Das war eine totale Zumutung, dass unsere Kinder nach dem Schwimmen sich das stark chlorierte Wasser nicht abwaschen konnten. Hat der Bürgermeister gedacht, dass wir unsere Kinder einfach in den Regen stellen sollen oder was?“
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