Kolumne Liebeserklärung: Saudischer Sonnyboy
Mohammed bin Salman ist Saudi-Arabiens Thronfolger – und ein Supertyp! Der Frauenaktivist will nun auch noch den Nahostkonflikt lösen.
T raumprinz oder Tyrann?, fragte das Magazin Stern in der vergangenen Woche, als wäre die Antwort nicht klarer als das Wasser im Arabischen Golf! Denn mal ehrlich: Was hat der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman, kurz MbS, nicht schon alles zum Laufen oder vielmehr zum Fahren gebracht? Frauen zum Beispiel, die sich ab Juni tatsächlich hinters Steuer setzen dürfen. Und sich dabei womöglich nicht mal mehr vollverschleiern müssen, will MbS doch auch die restriktiven Kleidervorschriften lockern.
Ein Feminist! Oder aber einer, der weiß, dass es der Wirtschaft seines Landes, das er unbedingt vom zur Neige gehenden Öl unabhängig machen will, wenig gedeihlich ist, die besser ausgebildete Hälfte der Bevölkerung zu ignorieren.
Aber jetzt kommt’s wirklich: In der vergangenen Woche hat MbS in einem Interview mit The Atlantic Israel das Recht auf einen eigenen Staat zugesprochen! Ein Friedensaktivist! Oder aber einer, der nicht mehr zu verhehlen braucht, welch enge Beziehungen Israel und Saudi-Arabien, trotz eines öffentlich propagierten Kriegszustands, allenthalben pflegen.
So trafen sich etwa im Oktober die ehemaligen Geheimdienstchefs beider Staaten zu einem Gedankenaustausch. Kaum beklagt hatte sich auch Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu über das 110 Milliarden Dollar schwere Rüstungsgeschäft zwischen Saudi-Arabien und den USA vom vergangenen Mai. Obwohl der engste Verbündete einem angeblichen Erzfeind so viele beautiful weapons liefert!
Freundschaft gegen Iron Dome?
Denn der eigentliche – gemeinsame – Erzfeind bäumt sich auf der anderen Seite des Golfstroms auf: der Iran. Und so lässt es sich MbS im besagten Interview auch nicht nehmen, dem iranischen Revolutionsführer Ali Chamenei zum wiederholten Male zu attestieren, Hitler würde neben ihm geradezu „gut aussehen“.
MbS sucht Verbündete im Kampf gegen diesen verhassten Iran und findet in Israel einen schlagkräftigen Partner. Was gäbe MbS nicht etwa für das israelische Raketenabwehrsystem Iron Dome, wo doch neulich schon Raketen kurz vor Riad eingeschlagen sind? Übrigens aus dem Jemen, in dem MbS einen erbarmungslosen Stellvertreterkrieg gegen den Iran führt und die Bevölkerung aushungern lässt. Aber sei’s drum, eindeutig: Traumprinz!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland