Kolumne Liebeserklärung: Der Eribon der deutschen Mittelklasse
Don Alphonso berichtet in seinem Blog „Die Stützen der Gesellschaft“ auf faz.net über das Innenleben der besseren Kreise. Jetzt muss er weichen.
I m protestantischen Deutschland gibt es einen Luxusvorbehalt, auch wenn der nouveau riche noch nichts davon gehört hat: Das Konto ist voll, aber man zeigt es nicht. Wenn am Sonntagnachmittag die Spazierfahrt mit dem Cabrio ansteht, wird mit Sonnenbrille und falschem Bart gefahren. Als sei das ererbte Aktienportfolio ein Grund, in Sack und Asche zu gehen. Reichtum schändet nicht! Die meisten können ja nichts dafür.
Wie erfrischend, dass es Don Alphonso gibt, dessen Blog „Die Stützen der Gesellschaft“ sich weder neureich noch protestantisch, sondern bayerisch-barock gibt, aber nun leider nicht mehr auf den Internetseiten der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu lesen sein wird. „Wir wollen kreativen Ansätzen größeren Raum geben“, meldete die Zeitung am Dienstag. Frank Schirrmacher hatte Don Alphonsos Blog 2009 eingekauft.
Dort kämpfte Alphonso gegen Feministinnen, regte sich über den Müll in der Hauptstadt auf, fotografierte Dealer im Görlitzer Park und wetterte gegen eine akademische „Aufsteiger-Halbwelt“, die sich Kultur nur anlese, um die arbeitende Bevölkerung zu beschämen.
Die pausbäckigen Privilegien
Vor allem aber bestand Alphonso darauf, den „besseren Kreisen“ anzugehören, eine Selbstbeschreibung, die aus der Mode gekommen war, was nur zur weiteren Verschleierung der Tatsache beitrug, dass sich die Angehörigen der besseren Kreise oft aus dem Kleinbürgertum rekrutieren, das durch Disziplin und beherztes Handeln zu Wohlstand gekommenen ist.
In einem seiner jüngeren Posts beschrieb Alphonso den Fall der Familie G. aus seiner Heimatstadt, bei der „das Immobilienvermögen wieder zusammenlief, nachdem eine Tante mit Neigungen, alles der Kirche zu vermachen, in 17 Meter Höhe aus dem Fenster schlafwandelte“. Einmal mehr verteidigte Alphonso so die pausbäckigen Privilegien der Wohlhabenden als Ergebnis von überdurchschnittlicher Charakterstärke über die Generationen hinweg.
Don Alphonso ist demnach für den vermögenden Teil der deutschen Mittelklasse, was Didier Eribon für die französische Arbeiterklasse ist: Er drückt ihre Widersprüche aus, aber sie merken es nicht. Lassen wir dem Meister das letzte Wort: „Ich habe die Kunstfigur erfunden, ich weiß genau, wie übel sie ist!“
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt