Kolumne Liebeserklärung: Funktionär in der Schwebe
Das Internationale Olympische Komitee hat den russischen Sportfunktionär wegen Dopings bestraft. Der tritt zurück – oder so ähnlich.
W itali Mutko ist ein einzigartiger Meister der kreativen Krisenbewältigung. Denn keiner kann mit Bestimmtheit sagen, ob der russische Politiker und Sportfunktionär in den letzten Tagen zweimal, anderthalbmal oder gar nicht zurückgetreten ist. Für jede Lesart lassen sich plausible Argumente finden.
Vom Internationalen Olympischen Komitee wurde der einstige russische Sportminister Anfang Dezember als einer der Hauptverantwortlichen des systemischen Dopings in Russland mit einer lebenslangen Sperre für die Olympischen Spiele sanktioniert. Daraufhin nahmen die Fragen, ob Mutko denn nun noch russischer Fußballpräsident und Organisationschef für die Fußball-WM 2018 sein kann, an Bedeutung zu.
Mutko hat sie auf ganz eigene Art beantwortet. Am Montag verkündete er, mit seiner Aufgabe als Chef des nationalen Fußballverbandes ein halbes Jahr pausieren zu wollen, damit er sich in Ruhe um anstehende juristische Scherereien kümmern könne. Er will gegen seine lebenslange Sperre vor dem Internationalen Sportgericht klagen. Zur WM im eigenen Lande will er dann wieder als oberster Repräsentant des russischen Fußballs auf der Tribüne sitzen. Eine Pause, ein zeitlich begrenzter Rücktritt, eine Art Sabbatical für schwer angeschlagene Spitzenfunktionäre, diese innovative Idee hat auch beim Fußball-Weltverband Eindruck hinterlassen. Dessen krisengeplagter Chef Gianni Infantino könnte sich im Ernstfall so eine Schaffenspause gewiss auch vorstellen. Die Fifa bedankte sich bei „Herrn Mutko für diesen verantwortungsvollen Schritt“.
Am Donnerstag vollzog Mutko den zweiten Schritt. Er trat als WM-Organisationschef zurück. Sein Organisationsteam beruhigte aber nach der Entscheidung gleich, Mutko werde als stellvertretender Ministerpräsident weiter die Vorbereitung der Regionen auf die WM beaufsichtigen und den Bau der notwendigen Infrastruktur koordinieren.
Das ist die hohe Schule des Krisenmanagements: Zurücktreten und einfach weitermachen oder gegebenenfalls halt ein wenig pausieren. Diese Nonchalance im Umgang mit schwierigen Situationen hatte einst auch der nun im Schmollwinkel verschwundene Franz Beckenbauer. Geht’s raus und spuits weiter.
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