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Kolumne LiebeserklärungChristliche Werte

Jürn Kruse
Kolumne
von Jürn Kruse

Wenn du glaubst, es geht nicht mehr, kommen von irgendwo christliche Werte her: Sie taugen für alles. So pluralistisch kann das weitergehen.

Diesmal erklären wir unsere Liebe den christlichen Werten Foto: ©Tom

O h Gott, oh Gott, was war das wieder für eine Woche voller christlicher Werte. Da wirft der eine (Jürgen Trittin) den anderen (CDU und CSU) vor, christliche Werte zu verleugnen, wenn die anderen eine Obergrenze zur Aufnahme von Asylsuchenden einführten (die sie aber nicht Obergrenze nennen), während die anderen (zum Beispiel Angela Merkel) es geradezu christlich finden, nicht alle aufzunehmen, da wir uns ja nicht um alle kümmern könnten, was wiederum unchristlich wäre.

Und sonst? Eine Kirche in den USA findet es christlich, Waffen zu verlosen. Präsident Donald Trump und Teile seiner republikanischen Partei berufen sich auf christliche Werte, wenn sie es Frauen so schwer und teuer wie möglich machen wollen, abzutreiben. In Polen begründet die regierende PiS quasi alles mit christlichen Werten.

Und die evangelische Kirche in Deutschland findet es ziemlich christlich, wenn jeder Pastor und jede Pastorin einfach selbst entscheidet, ob er oder sie gleichgeschlechtlichen Paaren bei einer Hochzeit den Segen der Kirche mit auf den Weg gibt. Mir gefällt das.

Nicht, dass Männer versuchen, Frauen Abtreibungen zu erschweren. Nein, mir gefällt, dass sich alle irgendwie auf christliche Werte berufen können. Das zeigt, dass es in der – nennen wir sie mal – westlichen Welt eben keine christliche Hauptströmung gibt. Niemand, auch nicht der Papst, kann ernsthaft von sich behaupten, eine Richtung vorgeben zu können, der dann alle Schäfchen folgen. Das ist Pluralismus.

Aber das steht doch in der Bibel, sagt da der religionsgelehrte Schlaumeier.

Außerdem ist der Rückgriff auf christliche Werte so schön entlarvend: Wer sich einzig auf Christus beruft, hat sonst keine Argumente. Je häufiger sich jemand auf christliche Werte beruft, umso unglaubwürdiger ist er oder sie. Denn wer weiß schon, was Jesus wollte?

Aber das steht doch in der Bibel, sagt da der religionsgelehrte Schlaumeier. Jaha, guter Einwand, aber in der Bibel steht auch, dass du schnell mal Blutschuld auf dich laden kannst, wenn du kein Geländer auf dein Dach montierst. Denk mal drüber nach, ob dein Dach ordentlich gesichert ist.

Und das kann dann auch jede und jeder wieder so interpretieren, wie er oder sie will. Schön.

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Jürn Kruse
Ist heute: Redaktionsleiter bei Übermedien und freier Autor. War mal: Leiter des Ressorts tazzwei bei der taz. Davor: Journalistik und Politikwissenschaft in Leipzig studiert. Dazwischen: Gelernt an der Axel Springer Akademie in Berlin.
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5 Kommentare

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  • 4G
    4845 (Profil gelöscht)

    Christliche Werte? Nein Danke! Kein Bedarf an verlogener Bigottigkeit. Lieber humanistische Werte, die sind wenigsten aufrichtig.

  • Das Lob der christlichen Beliebigkeit.

     

    Der Autor pflegt gerne das Lob der Beliebigkeit, weil ihm absolute Werte fremd sind.

     

    Er meint nun, endlich sei die christliche Kirche so beliebig,

    wie er sich die Welt und die Werte beliebig vorstellt.

     

    Die Bremische evangelische Kirche mag ja nun an Substanz verloren haben. Schon in den 1980er Jahren fehlte es dort an theologischer und spiritueller Substanz.

     

    Die Käßmanisierung der Amtskirche, die Milliardenvermögen anhäuft und Milliarden an Steuergeldern im Namen der Beliebigkeit umverteilt,

    macht die Amtskirche beliebig.

     

    Durch diese Beliebigkeit verfehlt sie aber Christus, Gott und den Glauben.

     

    Dass sich eine Partei, die mehr als 30 % der tatsächlichen Wähler bewegen kann, diffus auf das Christentum beruft, macht aus den Wählern noch keine Christen.

     

    Und sie haben auch nicht die Defini-tionsmacht für das christliche Leben.

     

    Die Selbstauflösung des christlichen Glaubens schreitet in Deutschland und Mitteleuropa voran. Das Ergebnis ist aber eben nicht "Freiheit", sondern Beliebigkeit.

    Und diese Beliebigkeit ist ein Treibsand, auf dem weder der Einzelne, noch die Gemeinschaft gut stehen können. Es bleibt ein Vakuum.

     

    Wer sich einzig auf sich selbst als Verkünder der Beliebigkeit beruft,

    hat (erst recht) keine Argumente.

     

    Wenn ich mit Menschen- und mit Engelszungen redete und hätte die Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle.

    (Korinther 13.1)

     

    Ja. Das steht tatsächlich in der Bibel.

    Hat also schon mal jemand, dem die Menschen nicht beliebig sind, drüber nachgedacht die letzten 2 Jahrtau-sende.

     

    Je nach Betrachter ist es tatsächlich möglich, mit Bibellektüre schlauer zu werden. Denn die Menschen haben sich in ihrer charakterlichen Verfasstheit gar nicht so sehr gewandelt, wie mancher meint oder glaubt.

  • Liebe taz, das könnt ihr doch wirklich besser. Dieser Text ist durchweg absolut vereinfachend, undifferenziert und tendenziös! Er argumentiert leider auf dem gleichen Niveau, wie all' diejenigen, die Linken pauschal den Vorwurf der Verantwortung für die Morde unter Stalin machen.

     

    Als evangelischer Theologiestudent kann ich so viel sagen: christliche Werte sind ganz und gar nicht beliebig. Deshalb haben wir die christliche Ethik als wissenschaftliche Disziplin. Trotzdem sind ethische Urteile niemals absolute Urteile, über die nicht diskutiert werden könnte/dürfte. Das sind sie in der philosophischen Ethik (Gott sei Dank) auch nicht. Damit sind sie aber absolut nicht beliebig, sondern unterliegen wissenschaftlichen Methoden zur Plausibilisierung!

    Ebenfalls hängt christliche Ethik nicht im "luftleeren Raum", in dem sie sich nur auf Christus (bzw. ein subjektives Christusbild) berufen würde. Spätestens seit Eilert Herms dürfte absolut jedem, der sich mit der Materie beschäftigt, klar sein, dass theologische Ethik nicht losgelöst von der philosophischen passieren kann. Ihre Urteile müssen auch ohne den Rückgriff auf Christus funktionieren, ansonsten wäre sie ja gar nicht diskursfähig außerhalb christlicher Gemeinschaften und könnte somit auch keine allgemeinen ethischen Beurteilungen vornehmen.

    Und was die Frage angeht, was der Herr Jesus denn nun wirklich gewollt hat, so würde ich das doch lieber den Kollegen im Fach Neues Testament überlassen, die genau an solchen Fragestellungen historisch-wissenschaftlich arbeiten.

     

    Ich glaube, dass das Grundproblem, auf das der Text hinweist, ein anderes ist: gerade dort, wo sich Politik auf "christliche Werte" beruft, hat man häufig äußerst wenig Ahnung von Ethik, dort geht es häufig eher um eine Art "moralisches Bauchgefühl". In diesem Artikel ist das aber leider nicht anders.

    • @Drude Jonas Jakob:

      Da möcht ich doch mal -

       

      Jürn Kruse jenseits der Binsenfelder -

      Denn doch in Schutz nehmen & als

      Handreichung dies feine gemeine Zitat

       

      " Sandalinistas - nach allen Seiten offen...

       

      "If what Jesus said was good, what can it matter whether he was God or not?"

      (Kur Vonnegut - Dr. Kevorkian) "

       

      Für's weitere Studium angfügen!

      Prosit - also - "Es möge nützen &!

      Wohl bekomms!"

  • Winner of the day -

    Yeah Yeah - der* -

     

    Der goldenen Midas-Mütze -

    Look up here^!;)

     

    (*seit fazi-Schirrmacher in die

    Binsen gegangenen… - gell!;))

    =Phrygische Mütze - die bekanntlich fälschlich zur -

    Freiheitsmütze en France mutierte!

    Wie passend!;))

    Newahr.