Kolumne Leuchten der Menschheit: Tee predigen, Wein saufen

Nicht singen, kein Sex: Die Autorinnen Fariba Vafi und Dima Wannous sprechen über die Eigenheiten regionaler Regime sowie Literatur.

Drei Frauen sitzen vor Mikrofonen

Dima Wannous und Fariba Vafi mit Übersetzerin Jutta Himmelreich, Frankfurt 27.1.2018 Foto: Anke Kluß

Jedes Land, jede Öffentlichkeit bringt gewisse Eigenheiten hervor. Minderheiten ringen mit Mehrheiten und umgekehrt, roh oder gesittet, je nach Stand gesetzlich verankerter demokratischer Rechte. Am letzten Wochenende umschrieb die iranische Schriftstellerin Fariba Vafi auf den Litprom-Literaturtagen in Frankfurt am Main die Spielregeln der Zensur im Iran (ihr Roman „Tarlan“ erschien 2015 im Sujet Verlag).

So sollte im iranischen Gottesstaat eine Frau nicht einmal fiktional aus einer Menschenmenge heraus singend dargestellt werden. Die religiösen Autoritäten könnten dies für unangemessen halten. In der iranischen Literatur gibt es auch keine Weintrinker. In der Fiktion konsumieren alle nur Tee. Auch wenn die Fakten andere sind, sich das halbe Land regelmäßig privat besäuft, viele Heroin schnüffeln. Darüber spricht besser nicht öffentlich, wer wie Vafi weiterhin im Iran leben und schreiben möchte.

Die Litprom-Literaturtage 2018 standen unter dem Motto „Kartographien des Weiblichen“. Im Frankfurter Literaturhaus diskutierten Autorinnen, aus Senegal, Indonesien, Indien oder Argentinien. So kam auch die Syrerin Dima Wannous mit der Iranerin Vafi in den öffentlichen Austausch. Wannous („Dunkle Wolken über Damaskus“, Nautilus 2014) lebt zurzeit im Londoner Exil. Sie gehört der laizistischen syrischen Opposition an. Und kann sich in Vafi, die preisgekrönte iranische Schriftstellerin, hineinversetzen, vermeidet daher zu heikle Themen. Ihr gemeinsames Gespräch funktioniert über vielsagende Auslassungen.

Über sich selbst und Syrien spricht Wannous hingegen relativ offen. Eine oppositionelle Öffentlichkeit und Kultur kann dort im Inland nur noch unter prekärsten Bedingungen im Untergrund existieren.

Probleme mit religiös-nationalistischen oder autoritär-patriarchalen Strukturen kennt auch die indonesische Schriftstellerin Laksmi Pamuntjak. Ihr Roman „Alle Farben Rot“ erschien 2015. Indonesien, der Staat mit der größten islamischen Bevölkerung der Welt, war damals Ehrengast der Frankfurter Buchmesse. Seit 2015 hat sich die Lage dort aber eher verschlechtert und zugespitzt.

Islamisten und korrupte Eliten bedingen sich gegenseitig. Beliebtes Angriffsziel ist die hedonistische städtische Mittelschicht, der auch Pamuntjak angehört, die mit Blasphemie-Paragrafen und Scharia-Moral bedrängt wird.

Was tun?

Meena Kandasamy („Fräulein Militanz“, Wunderhorn 2014) plädierte in Frankfurt für eine radikale Auseinandersetzung mit patriarchalen Traditionen. Sie bekämpft das indische Kastensystem, lustvoll, frech, literarisch souverän. Solidarität erfährt auch sie aus dem Ausland. Diese sowie der internationale Kulturaustausch sind bedeutende Verstärker. Lesen kann durchaus politisch sein.

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Andreas Fanizadeh, geb. 1963 in St.Johann i.Pg. (Österreich). Leitet seit 2007 das Kulturressort der taz. War von 2000 bis 2007 Auslandsredakteur von „Die Wochenzeitung“ in Zürich. Arbeitete in den 1990ern in Berlin für den ID Verlag und die Edition ID-Archiv, gab dort u.a. die Zeitschrift "Die Beute" mit heraus. Studierte in Frankfurt/M. Germanistik und Politikwissenschaften.

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