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Kolumne Leuchten der MenschheitPfarrwerfen, kredenz' mir die Evidenz

Leider geschlossen: Über die Schwierigkeit als Auslands-Österreicher bei der Präsidentschaftswahl seine Stimme abzugeben.

Zu spät! Geschlossen. Um 12 Uhr mittags ist hier Schluss Foto: ap

D as österreichische Wahlrecht ist etwas kompliziert. Auslandsösterreicher können nicht wie etwa die Franzosen sich bei der Botschaft registrieren lassen, um per Briefwahl oder am Wahltag dort die Stimmen abzugeben. Sie müssen sich an ihre „Heimatgemeinden“ wenden. Dort befindet sich der exklusive Zugang in die sogenannte Wählerevidenz. In meinem Fall Pfarrwerfen, Land Salzburg, wo ich einen Teil meiner Kindheit verbrachte und meine Großeltern lebten. Und nicht Wien, wo mein inzwischen ebenfalls eingebürgerter iranischer Vater wohnt.

Also Anruf bei Herrn Hafner, Gemeindeamt Pfarrwerfen. Was muss ich tun, um bei der Wiederholung der Präsidentschaftswahlen – Van der Bellen (Grüne) versus Hofer (FPÖ) – am 4. Dezember mit abstimmen zu können? Herr Hafner sagt, er wisse es auch nicht. Ich solle auf der Webseite Auslandsösterreicher nachschauen.

Zwischendurch David van Reybrouck gelesen. Schlauer Essay „Gegen Wahlen. Warum Abstimmen nicht demokratisch ist“ (Wallstein 2016). Reybrouck plädiert dafür, gerade auf kommunaler Ebene Mandate im Losverfahren und nach Repräsentanz aller sozialen Gruppen zu verteilen. Aktive Teilhabe contra Politikverdrossenheit und Populismus, contra Klüngel, Filz und Elitenbildung.

Am 28. September eine überraschende Mail der Botschaft in Berlin. Der österreichische Außenminister teilt mit, dass ich einen Eintrag in die Wählerevidenz bis 27. 10. „beantragen“ könne. Schriftlich, elektronisch – und ohne Zeiteinschränkung für den Stichtag. Dann könne ich am 4. Dezember wählen. Bei einem Familienbesuch im Oktober versuche ich dennoch, mich in Wien zu registrieren. Funktioniert nicht. Aber Frau Zeiner vom Magistrat erinnert mich: „Um die Teilnahme an der Wiederholung der Stichwahl der Bundespräsidentenwahl zu gewährleisten, muss der Antrag bis 27. 10. 2016 eingelangt sein!“

Das Buch

David van Reybrouck, „Gegen Wahlen. Warum Abstimmen nicht demokratisch ist“, Wallstein Verlag Göttingen 2016 17,90 Euro.

Gemeindebüro geschlossen

An Pfarrwerfen führt nun kein Weg mehr vorbei. Ich schicke also am 27. 10. abends meine Unterlagen elektronisch ans dortige Gemeindeamt. Herr Hafner bestätigt am 28. 10. den Eingang der Unterlagen. Wählen dürfe ich am 4. 12. dennoch nicht. Sein Gemeindebüro habe nämlich am Stichtag 27. 10. um 12 Uhr mittags bereits geschlossen. Zu spät. Die Bezirkswahlbehörde teilte seine Ansicht. Keine Antwort auf die Frage, wie sie dies denn bekannt gemacht hätte. Stattdessen der Link zu einer 52-seitigen Broschüre des Bundesministeriums.

In Pfarrwerfen sitzen 12 Konservative und 5 Sozialdemokraten im Gemeinderat. Kein Grüner und kein FPÖler. 1.732 Wahlberechtigte. 62,85 Prozent der Pfarrwerfner votierten zuletzt für den Rechtsaußen Hofer. Im Bund siegte Van der Bellen. Aber die Wahl galt ja nicht. Wegen „Unregelmäßigkeiten“ zu Ungunsten Hofers bei der Briefwahlauszählung.

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Andreas Fanizadeh
Ressortleitung Kultur
Andreas Fanizadeh, geb. 1963 in St.Johann i.Pg. (Österreich). Kulturpolitischer Chefkorrespondent der taz. Von Oktober 2007 bis August 2024 Leiter des Kulturressorts der taz. War von 2000 bis 2007 Auslandsredakteur von „Die Wochenzeitung“ in Zürich. Arbeitete in den 1990ern in Berlin für den ID Verlag und die Edition ID-Archiv, gab dort u.a. die Zeitschrift "Die Beute" mit heraus. Studierte in Frankfurt/M. Germanistik und Politikwissenschaften.
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1 Kommentar

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  • Bitte bitte Herr Fanizadeh, klagen Sie gegen diese Entscheidung der Wahlbetrüger in Pfarrwerfen! Die schöne Tradition des vierteljährlichen Wählens in Österreich darf im Dezember nicht einfach vorbei sein! Nach der vierten Wahl und dem 5. Termin zur (eher symbolischen) Wahl des Bundespräsidenten könnten wir uns dann auf ein sechstes Mal freuen.