Kolumne Landmänner: Das Geheimnis des Geldkreislaufs
Wenn globale Krisen auf lokalen Erkenntnisdrang stoßen, kann schon mal das Bargeld knapp werden.
Haben Sie eigentlich mittlerweile wirklich verstanden, wie das so funktioniert mit dem weltweiten Geldkreislauf? Wo kommt das Geld her, wie kommt man an es heran - und warum verschwindet es gelegentlich einfach über Nacht?
Martin Reichert ist Redakteur des taz-mag.
In unserer kleinen Ackerbürgerstadt wollte es unlängst eine Gruppe junger Männer mal ganz genau wissen. Sie waren nicht länger bereit, sich mit der im Volksmund bislang üblichen Gewissheit, dass das Geld schlicht "aus der Wand" komme, abzufinden, und sprengten kurzerhand einen dieser ominösen Automaten - in diesem Fall einen der Berliner Volksbank - in die Luft. Einfach mal sehen, was dahintersteckt!
Als dieses "Jugend forscht"-Projekt in die Tat umgesetzt wurde, saßen mein Freund und ich bei Kerzenschein und in Gesellschaft unserer Katzen in der Küche und ahnten nichts Böses. Das war genauso wie mit der Finanzkrise, es gibt zwar über Nacht einen Rumms, aber man denkt sich erst mal nichts dabei. Nicht mal die Katzen, die doch angeblich so sensibel sind.
Erst am nächsten Tag ergaben sich nähere Zusammenhänge. Dort, wo man eben noch Geld aus der Wand ziehen konnte, stand nun eine rauchgeschwärzte Ruine. Kein Bargeld mehr in der Ackerbürgerstadt, so schnell geht das.
Die jungen Herren, laut Polizeiangaben rumänischer Herkunft, wurden mittlerweile verhaftet, wahrscheinlich weil sie ihr wissenschaftliches Anliegen über einen längeren Zeitraum auf die ganze Region Berlin-Brandenburg ausgedehnt hatten - und dies trotz doch erheblicher Fortschritte. Schließlich waren Kollegen in dieser Frage noch vor gar nicht allzu langer Zeit gescheitert. Sie hatten bei einem vergleichbaren Versuch statt des Geldautomaten den Kontoauszugsdrucker aus der Verankerung gerissen und waren nun statt im Besitz der Erkenntnis neuer Eigentümer eines völlig veralteten, lärmenden Nadeldruckers.
Bei meiner Berliner Bankfiliale in Neukölln wird solcherlei Erkenntnisdrang seit neuestem übrigens recht streng entgegengetreten. Hinweisschilder in fünf Sprachen (1. Russisch, 2. Rumänisch, 3. Polnisch, 4. Englisch, 5. Deutsch) verweisen schon an der Eingangstür der Bank auf das Sicherungssystem "Skorpion". Jegliche Penetranz in Bezug auf die Automatenhülle beantwortet das System mit einer chemikalisch verursachten Selbstzerstörung der Bargeldvorräte.
Wie es aussieht, kommt man den Zusammenhängen des weltweiten Geldkreislaufes zumindest mit dieser Methode also nicht wirklich auf die Spur. Oder glauben Sie etwa, dass jemand versucht hat, die Außenhülle der Lehman Brothers oder jene von Herrn Ackermann mit einem spitzen Gegenstand zu bearbeiten und dann folgte eines auf das andere?
Mein Freund hat nun beschlossen, sich den Widrigkeiten dieses Kreislaufes fürderhin völlig zu entziehen. "Bevor ich jetzt darauf angewiesen bin, dass mir Angela Merkel einen Regenschirm überspannt, kümmere ich mich lieber selbst um mein Kapital", sagte er. "Machs doch einfach wie ich, immer schön im Minus bleiben, dann passiert auch nichts", antwortete ich, woraufhin ich "naiv" gescholten wurde.
Kurz darauf sah ich ihn mit Regenmantel und Spaten bewaffnet in Richtung Garten verschwinden. Ich ahnte dunkel, was er vorhatte, und sammelte rasch alles an Klein- und Wechselgeld ein, das ich noch in den Taschen hatte bzw. in einem überquellenden Behälter neben der Waschmaschine gesammelt hatte, und folgte ihm in die Dunkelheit. Wo das Geld herkommt und wohin es verschwindet, ist jetzt also zumindest in diesem Fall geklärt. Aber glauben Sie ja nicht, dass ich Ihnen die Stelle verrate. Und auch wenn Sie den ganzen Garten aufbaggern: Der Aufbewahrungsort ist mit "Skorpion" gesichert. Ätsch!
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