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Kolumne KulturbeutelBanales Mysterium Baseball

„Die Kunst des Feldspiels.“ Die Literaturkritik überschlägt sich. Die taz findet den neuen Baseball-Roman von Chad Harbach eher nervig und gewöhnlich.

Elegant: Alexi Casilla von den Minnesota Twins. Bild: dapd

Der erste Pitch, ein durch und durch dreckiger Wurf, der kurz vor der Plate zur Seite ausbrach, schoss an Henry vorbei. Strike.“ Schon wieder ein Baseball-Roman. Und schon wieder einer, den man auch in Deutschland unbedingt gelesen haben muss – sagen zumindest die Kritikerinnen der FAZ und der NZZ.

Chad Harbach hat den Roman geschrieben. Und in den USA sind die Menschen ganz angetan von dem 2011 erschienenen Buch, in dem es um ein Buch geht, das ein Baseballspieler namens Aparicio Rodriguez geschrieben hat: „Die Kunst des Feldspiels“. Das ist auch der Titel des Romans, den Stephan Kleiner ins Deutsche übersetzt hat.

Aparicio Rodriguez ist ein fiktiver Hall-of-Famer des Baseballs, der beste Shortstop aller Zeiten. Strike, Plate, Shortstop? Baseball eben. Für die, die es nicht verstehen, gibt es ja Wikipedia. Und doch bleibt die Frage, warum den deutschen Lesern immer wieder US-College- und Baseball-Romane vorgelegt werden? (Harbachs Feldspiel ist übrigens beides in einem.)

Weil sich die Probleme von Heranwachsenden, die es ja auch in Deutschland geben soll, besonders schön über Geschichten vom Campus einer US-Uni oder aus der Kabine eines Baseballteams heraus erzählen lassen? Mag sein. Aber schöner wäre es vielleicht schon, wenn man ein bisschen mehr von dem verstehen würde, was einem da aus den USA vorgesetzt wird.

Aparicio Rodriguez. Witziger Name, werden sich ganz gewiss etliche US-Leser gedacht haben. Ein Kompositum ist das aus den Namen von zwei Spielern, die in ihrer Karriere auch als Shortstops gespielt haben – so wie die Hauptfigur in Harbachs Roman – und die der Major League Baseball (ist auch bei Wikipedia erklärt) auf jeweils ganz eigene Weise ihren Stempel aufgedrückt haben.

Bild: taz
Andreas Rüttenauer

ist Redakteur im Sportressort der taz.

Schwer verständlicher Gag

Luis Aparicio hat bis 1973 in 18 Spielzeiten in der MLS (das ist diese Major League Baseball) gespielt und ist als einer der besten defensiven Spieler in die Geschichte der Liga eingegangen. Und Alex Rodriguez ist jener durch Doping erst so richtig zu Kräften gekommene Mann, der einen Homerun (Baseball eben) nach dem anderen geschlagen hat. Aparicio Rodriguez. Bei diesem, nun ja, Gag kann Wikipedia den Lesern auch nicht helfen.

Lena Bopp, die von Harbach so begeisterte FAZ-Kritikerin, wünscht sich mal einen deutschen Sportroman mit Tiefgang. Ob sie allerdings ein Buch feiern würde, in dem es um ein Buch geht, das ein fiktiver Fußballer namens Matthäus Overath geschrieben hat? Wer weiß?

Einer der Sätze aus Aparicio Rodriguez’ Lehrwerk lautet: „Der Shortstop hat so lange gearbeitet, dass er nicht mehr nachdenkt. Er handelt auch nicht mehr. Ich meine damit, dass er nicht mehr agiert. Er reagiert nur noch, so wie ein Spiegel reagiert, vor dem man seine Hand bewegt.“ Toller Satz? In einem Fußballerroman würde vielleicht stehen: „Es ist wichtig, dass man 90 Minuten mit voller Konzentration an das nächste Spiel denkt.“

Das soll Lothar Matthäus mal gesagt haben, einer, der es geschafft hat. Und würde Lena Bopp sich wirklich für die Geschichte eines Fußballers interessieren, der zu den besten Jugendspielern zählt, aber genau dann seine Fertigkeiten verliert, als die Scouts der Profiligen ihn beobachten? Würde sie diese Geschichte auch als brillante Parabel auf das Erwachsenwerden lesen können. Oder müsste sie die Story nicht einfach banal finden, auch weil sie alles versteht, was drinsteht – so ganz ohne Baseball-Mysterium.

Warum nicht mal ein Cricket-Roman?

Und wie wäre es eigentlich mal mit einem Cricket-Roman? Könnte man über dieses für uns so schön rätselhafte Spiel nicht auch irgendetwas ganz Großes erklären? Hat auch schon jemand gemacht. Joseph O’Neill beschreibt in „Niederland“ das Post-9/11-New York entlang des Cricketspiels.

O’Neill weiß allerdings, dass nicht alle seine Leser damit vertraut sind, und nimmt ein wenig Rücksicht auf all diejenigen, die nichts anfangen können mit Begriffen wie Pitch, Wicket, Wicket-Keeper, Batsman, Bowler, Striker, Fielder oder Innings. Innings? Gibt es das nicht im Baseball auch? Genau – bloß ohne s am Ende. Was es ist, steht bei Wikipedia.

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Andreas Rüttenauer
Sport, dies und das
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6 Kommentare

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  • M
    Machkawelli

    @ Jan Z. Volens: Schon klar ... deswegen spielen ja auch so viele "Fremde" in den großen Baseball Teams. Mag sein, dass sich jemand so abfällig über "Soccer" geäußert hat. Aber deswegen gleich Baseball mit der Tea Party Bewegung gleich zu setzen ist so in etwa wie "alle Deutsche essen gern Sauerkraut" oder so ähnlich. Oder andersherum: Ist jeder Deutsche, der Fußball gut findet gleich ein Nationalist? Oder jeder der Fußball nicht leiden kann automatisch keiner? Die Herleitung ist echt zu einfach. Und hat im übrigen auch nichts mit dem Buch zu tun, dass hier "rezensiert" wurde. Das beinhaltet übrigens einige wiederkehrende Themen, die der Tea Party Bewegung überhaupt nicht gefallen dürften: Kritik am Krieg, Umdenken beim Energieverbrauch (Sparen + weg vom Öl), eine homosexuelle Romanze und immer wieder auch die Kritik an den sozialen Verhältnissen in den USA. Man sollte halt das, was man kritisiert auch kennen ...

    Und, übrigens: nicht vergessen - es gibt auch "andere" Amerikaner. Und zum Glück sind es auch diesmal genügende gewesen um uns einen Republikaner im Weißen Haus zumindest für die nächsten vier Jahre zu ersparen.

  • JZ
    jan z. volens

    "Baseball" ist eine sekulaere Nationalreligion in USA - siehe den Film "Field of Dreams" - der Farmer geht durch des Feld in der Nacht und hoert die Stimme seines verstorbenen Vaters, ein ehemaliger "baseball pro": "If you build it they will come...!" Der Farmer versteht langsam - wenn er dort ein "baseball" Gelaende baut - dann kommen die alten "pros" vom Jenseits um dort zu spielen... Ideologisch steht "baseball" heute fuer das gute alle heile USA vergangener Generationen...also "baseball" ist der Sport der "Tea Party". Fussball ("soccer") hingegen kam erst nach dem Anfang des Verfalles - besonders durch die Zuwanderung von "Fremden"... Ein konservativer Kommentator hat gesagt: "SOCCER IS SUBVERSIVE AND UN-AMERICAN!"

  • D
    dszam

    Wenn der Autor dieses Artikels schon so oft Wikipedia bemüht, wäre es hilfreich gewesen, sich mit der amerikanischen Profiliga zu beschäftigen. Diese heisst nämlich MLB - Major League Baseball. MLS ist Major League Soccer, womit sich dann der Kreis zum Fußball wieder schliesst.

  • A
    anke

    Ambros Waibel hat heute einen ähnlichen "Insider" unters staunende Volk geworfen. Er hat geschrieben: "...links ist gewiss immer gerade das, was gerade möglich ist an gesellschaftlichem Fortschritt. Aber deswegen hat Buñuels 'Der diskrete Charme der Bourgeoisie' ja nichts an Wahrheitsgehalt verloren." Die Wikipedia hat mir zwar erklärt, welche Handlung der Film hat, so richtig verstanden habe ich Herrn Waibel aber trotzdem nicht. Das ist ganz in seinem Sinne, nehme ich an. Wahrscheinlich hat er einfach ein Mysterium erschaffen wollen. Und einige unter uns Lesern werden ihm vermutlich sogar ganz dankbar gefolgt sein in seine exklusive, geheime Welt. Mich hat er leider vor der Tür vergessen. So what? Auch vor der Tür ist man in Gesellschaft. Vielleicht sogar in besserer.

  • M
    Machkawelli

    Tja, so eine Rezension muss wohl dabei heraus kommen, wenn man einen Sportredakteur mit einer Literaturkritik beauftragt.

    Dass es in dem Buch um SEHR viel mehr als Baseball geht - wen interessiert das? Es geht jedenfalls nicht um Fußball und damit fertich! Haben Sie das Buch überhaupt ganz gelesen? Oder es mal mit der Originalversion versucht? Zumindest die Anspielung auf Sun Tsus "Die Kunst des Krieges" kommt da vielleicht besser rüber. Aber das ist ja schon wieder etwas was nichts mit (deutschem oder meinetwegen europäischem) Sport zu tun hat (oder doch?) und man müsste sich ja dann das nun erst mal wieder aneignen. Ähnlich verhält es sich mit der Vielzahl von literaturwissenschaftlichen Referenzen, v.a. Herman Melville (das ist der Autor von Moby Dick), der sich im deutschsprachigen Raum ja nun auch nicht gerade allzu großer Bekanntheit erfreut.

    Sorry, aber: der Roman ist wirklich alles andere als banal. Baseball und College sind nur Vehikel für ein komplexes Geflecht bei dem es vor allem um eines geht: die Unsicherheit, das Richtige zu tun.

    Für ein deutschsprachiges Publikum taugen diese Vehikel natürlich nur bedingt - man hätte eher statt einer Übersetzung eine Komplett-Transformation machen können. Aber wer macht schon so was???

    Daher empfehle ich allen Interessierten, die des Englischen ausreichend mächtig sind, die Original-Ausgabe.

  • S
    S.W.

    "'Der erste Pitch, ein durch und durch dreckiger Wurf, der kurz vor der Plate zur Seite ausbrach, schoss an Henry vorbei. Strike.'"

     

    Ok, nasty slider. Und ich gebe Herrn Rüttenauer recht,dass Baseballromane auf deutsch nicht funktionieren. Deswegen aber im Umkehrschluss zu behaupten, dass Baseball literarisch so trivial ist wie deutscher Fußball ... hmm. Da hat er die Rechnung schon mal ohne die anglosächsische Fußballliteraur gemacht. Da funktioniert die Beschäftigung mit Sport in der Literatur. Und beim Baseball funktioniert sie auch. Vielleicht ist die deutsche Sprache einfach nur nicht geeignet für Sportromane. Schon das Wort "Sportroman" klingt ja seifig und nach, ja, fiktivem Beckenbauer-Biographie-Ausschnitt mit inneren Konflikten.

     

    Somit möchte ich widersprechen: auf deutsch unverständliches Mysterium Baseball. Had better known baseball. Jacques Barzun. Try it in English.