piwik no script img

Kolumne KriegsreporterinUnter Clowns ist es nicht immer lustig

Kolumne
von Silke Burmester

Ich glaube das sind gar keine Journalisten in Monte Carlo. Das sind ausgediente, arbeitslose Clowns, die sich als Journalisten einschleichen. Den Unterschied bemerkt eh keiner.

berraschung! Ja, taz-Medienredaktion, da staunste, was?! Hatte ich großspurig ein einwöchiges Aussetzen angekündigt, ist es hier in Monte Carlo so langweilig, dass ich Abwechslung brauche. Das Salär der letzten 11 Monate im Casino um die Ecke gebracht, melde ich mich mit einem fetten Rumtata und verklebtem Bauch. Crêpes, Churros, Zuckerwatte - und ja, auch den einen oder anderen Clown habe ich verschluckt, hier auf dem fürstlichen Zirkusfestival.

Hatte man mir zunächst ein Soloprogramm versprochen, Wortakrobatik, Buchstabenjonglieren, sitze ich dann doch mit allerlei KollegInnen aus den lustigsten Ländern der Welt zusammen und darf staunen, wie in der "großen Zirkusfamilie" Pressekonferenzen aussehen: 1. Etwa 80 Prozent der Journalisten sind männlich. 2. Sie sind zu 72 Prozent 56plus, 3. Keiner schreibt was mit. 4. Sie klatschen nach allem, was gesagt wird. Erzählt ein Artist, er stamme aus Sizilien und war mit zehn Jahren zum ersten Mal im Zirkus - Klatschen. Sagt der Zirkuspatron "Die Künstler kümmern sich zuerst um die Tiere, dann erst kümmern sie sich um sich. Das müsst ihr in die Zeitungen schreiben!" - Klatschen.

Ehrlich gesagt, ich glaube, das sind gar keine Journalisten. Ich glaube, das sind Clowns. Ausgediente, arbeitslose Clowns, die sich als Journalisten einschleichen, um noch irgendwie dabei zu sein. Nach dem Motto, den Unterschied bemerkt eh keiner.

Bild: häberle

SILKE BURMESTER berichtet für die taz von der Medienfront.

Mit seiner Anspruchshaltung auf die schiefe Bahn gelangt ist auch die Arbeitsgemeinschaft der Buchverlage, die das ZDF auffordert, sich des Themas Literatur "intensiv anzunehmen". Jetzt, nachdem "Die Vorleser" eingestellt wurden. Womit mal wieder bewiesen ist, dass man mit Nettsein und Amelie Fried keine Sendung machen kann.

Ungeachtet dessen aber ist es erstaunlich, was sich so ein Lobbyverband herausnimmt. Was kommt als Nächstes? Autokonzerne fordern mehr Autos im Fernsehen? Atomkraftbetreiber Bastelprogramme zum Thema "Schönes mit Strom"? Der Verband der deutschen Paranussimporteure mehr Nüsse im heute journal? Immerhin scheidet Roland Koch aus dem ZDF-Verwaltungsrat aus, womit dort schon mal eine dumme Nuss weniger sitzt, die den Atomkraftbesitzern sicherlich gern die eine oder andere Freude machen würde.

Freude empfinden Männer ja häufig, wenn ihnen Höheres begegnet. So mag man die Zeilen des stellvertretenden Chefredakteurs Michael Backhaus verstehen, dem Folgendes aus der Feder in die Bild am Sonntag floss: "Das Einhorn gilt als das edelste aller Fabeltiere. Ihm werden seit Jahrhunderten Wunderkräfte zugeschrieben wie die Erweckung von Toten. So gesehen ist Karl-Theodor zu Guttenberg das Einhorn der deutschen Politik."

Da frage ich mich doch glatt, woher der das weiß? Hat er sich von Karl-Theodors Horn erwecken lassen? Ich möchte wahrlich nicht belehrend klingen, aber um der journalistischen Distanz willen ein kleiner Tipp: Viagra gibt's im Internet.

Hübsch auch die Hybris-Akte Maschmeyer: Selten ist es jemandem gelungen, sich so schnell um seinen Ruf zu bringen, wie dem ehemaligen Anlagenberater mit dem Pornoflair. Damit es noch schneller geht, beschäftigt er angeblich Anwälte, die versuchen würden, im Zusammenhang mit der kritischen Maschmeyer-Doku des NDR Journalisten unter Druck zu setzen. Der DJV appelliert an uns Kollegen, "sich solidarisch mit den Angegriffenen zu erklären und sich nicht einschüchtern zu lassen". Logo DJV, ich bin dabei: "Marschmeier, Arschgeier!"

So, jetzt ist der Abend in MC doch noch ganz schön geworden. Und damit zurück nach Berlin!

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Kolumnistin
Silke Burmester war über 25 Jahre schreibende Journalistin. Von Anfang an auch für die taz. Hier hat sie u.a. Carla Brunis geheimes Tagebuch veröffentlicht und als „Die Kriegsreporterin“ von der Medienfront berichtet. Jetzt hat sie beschlossen, Anführerin einer Jugendbewegung zu werden und www.palais-fluxx.de für Frauen ab 47 gegründet, das "Onlinemagazin für Rausch, Revolte, Wechseljahre“. Für die taz wird sie dennoch ab und zu schreiben, logo!
Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • RS
    R S

    Danke für Ihren ehrlich-frechen Stil. Ich hoffe, Sie bleiben der taz und ihren Lesern noch lange erhalten.