Kolumne Konversation: Wenn das Herz gebrochen wird
Eine Liebe am Arbeitsplatz kann niemals diskret enden. Denn Verschwiegenheit in der Nähe von Druckern gibt es nicht.
V iele Menschen finden die Liebe am Arbeitsplatz. Unserem Freund Hanno gibt das, in Anbetracht seines schlechten Abschneiden in Kneipen und im Internet, Hoffnung. So erzählt er uns eines Abends, die beruflichen Perspektiven bei ihm im Krankenhaus seien so schlecht, dass das Personal ständig wechselte. "Die Frauen kommen und gehen", befindet er. Bald sei wieder Weihnachtsfeier, wer da klug vorsorge, sei bis mindestens Mitte Februar, vielleicht sogar bis weit nach Ostern partnerschaftlich versorgt. Wer sich da aber dumm anstellt, der gilt mindestens bis zum Sommer als Arsch, entgegne ich.
Denn die Menschen neigen dazu, ihre Sorgen auszubreiten, wirkliche Verschwiegenheit gibt es nicht, vor allem nicht in der Nähe von Kaffeemaschinen, Druckern oder Aufzügen. Überall dort, wo ein gekränktes Herz schlägt, sperrt sich auch ein Ohr auf. Vom meinem Kollegen im achten Stock weiß ich beispielsweise haarsträubende Details, über den Zustand seiner Wohnung und die insgesamt dysfunktionale Persönlichkeit dieses Mannes, ohne auch nur einmal mit ihm geredet zu haben.
Habe ich alles beim Rauchen erfahren. Dass Affären am Arbeitsplatz Staub aufwirbeln können, wissen nämlich nicht nur Franz Beckenbauer und Politiker, sondern seit letzter Woche auch die Angestellten der größten englischen Versicherungsgesellschaft. Da spannte der Chef des Unternehmens einem Angestellten die Frau aus, die nun, wenig zufällig, auch in dem Laden arbeitete. Das muss sich herumgesprochen haben.
Natalie Tenberg ist Redakteurin im Ressort tazzwei.
Jedenfalls tauchte bei "Dear Lucy", der Briefkastentante der Financial Times, ein ganz, ganz ähnlicher Fall auf. Von dem behauptet die diskrete Lucy zwar, ihn völlig frei erfunden zu haben. Doch eine Boulevardzeitung deckte auf, um wen es sich handeln könnte, und so wird der Leser den Eindruck nicht los, hier handele es sich um einen Mini-Schlüsselroman. Auch hier sucht ein fünfzigjähriger Angestellter, dessen Frau ihn verlassen hatte und nun beim Geschäftsführer wohnt, Lösungen: Soll er kündigen oder eher nicht? Die Verzweiflung des Gehörnten kann man sich gut vorstellen. Wenige Menschen werden sich jemals in einem ähnlichen Dilemma befunden haben. Was nur dazu führt, dass diejenigen, die wirklich von diesem Ungemach betroffen sind, sich auch gerne mal nicht nur an den besten Freund richten, sondern dann auch an die große Bühne der Briefkastentante. Der arme Mann, ob fiktional oder nicht, bekam keinen rechten Rat, aber die Beruhigung, dass bald Gras über die Sache wachsen würde. Was ich für Humbug halte, denn ab jetzt kann man den Fall googeln, also bleibt er im Gedächtnis.
Über nur eine Sorte Mann wird in weiblich besetzten Raucherecken auf Barhockern noch übler geredet als über den, der erst die Frauen in seine dreckige Bude lockt und dann sitzen lässt: nämlich über den Mann, der das gerne hätte, aber nie schafft. Und wenn ich mir unseren Hanno anschaue, wie er auf dem Sofa liegt, Bier trinkt und sich kratzt, befürchte ich, er gehört eher zu Letzteren.
Deswegen plane ich, Hanno, den ich für einen Gewinn für das deutsche Krankenhauswesen halte, noch vor seiner Weihnachtsfeier mit einer Single-Mutter bekannt zu machen, die ich vom Spielplatz kenne und deren Herz neulich arg gebrochen wurde. Wenn die beiden es klug anstellen, können die beiden sich bis Mitte Februar schadlos halten, vielleicht sogar bis weit nach Ostern. Und falls es schon im Dezember oder im Januar dumm endet, schlägt das nur ganz, ganz kleine Wellen.
Und mit mir darüber reden könnten die beiden natürlich auch jederzeit. Ganz diskret.
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