Kolumne Knoblauchzone #3: Im politischen Koma
An der Gedenkfeier im Konzentrationslager nimmt Ministerpräsident Milanovic nicht teil. Der Konkurrenzkampf zwischen rechts und links schüre Intoleranz.
W enn es hier im Feuilleton mal nicht um Miroslav Krleza, den einzigen kroatischen Schriftsteller von Weltrang geht, den außerhalb von hier auch niemand mehr kennt, dann geht es um Literatur, die irgendwas mit hier zu tun hat.
So interessieren in Kroatien die kürzlich veröffentlichten Tagebücher von Richard Burton, weil der US-Schauspieler sich auf zwei Seiten an seinen Aufenthalt im sozialistischen Jugoslawien erinnert, als er 1971 Tito in dem Partisanenfilm „Sutjeska“ spielte. Hervorgehoben wird aber, dass er die Herkunft seiner beiden liebsten Kollegen am Set nicht nennt: kroatisch.
Burton hat dies wahrscheinlich schlicht vergessen. Hier aber gehört es zum guten Ton der Erinnung, alles was gut ist, auch beim Namen zu nennen: kroatisch. Nur was nicht passt, wird vergessen. Zum Beispiel die einzige unabhängige Zeitung, die dieses Land jemals hatte, Feral Tribune, vor 20 Jahren, im Juni 1993 gegründet, konsequent antinationalistisch und wegen Reportagen über Kriegsverbrechen und Korruption hundertfach mit Klagen überzogen und deswegen 2008 pleitegegangen.
ist taz-Redakteurin und aktuell drei Monate lang als Stipendiatin in Slowenien und Kroatien. Dort verfolgt sie den Countdown des kroatischen EU-Beitritts – am 1. Juli wird das Land der 28. Mitgliedsstaat der Europäischen Union.
Auch nicht mehr erinnern muss man nach Meinung von Ministerpräsident Milanovic an die Opfer der kroatischen Faschisten. An der Gedenkfeier im Konzentrationslager Jasenovac nahm er nicht teil, weil der „Konkurrenzkampf“ zwischen rechts und links bloß „Intoleranz“ schüre.
Erinnert wird stattdessen auf dem Zagreber Friedhof Mirogoj in Anwesenheit hochrangiger Politiker an die kroatische Basketballlegende Drazen Petrovic, der ebenfalls vor 20 Jahren verstarb.
Die Regierung, die Medien, der am Sonntag zum 6. Mal wiedergewählte Bürgermeister Bandi(ti)c … Zagreb ist derzeit wenig inspirierend. Während die Provinz gerade aufwacht: In Split unterstützt der neue Bürgermeister die Homosexuellen-Parade, die sein Vorgänger verhindern wollte.
Ein paar Kilometer weiter, in Omis, werden nicht wie andernorts Denkmäler für Staatsgründer Tudjman, sondern eines für Facebookgründer Mark Zuckerberg aufgestellt. In den drei Wochen bis zum EU-Beitritt liegt Zagreb im politischen Koma. Da kann auch die staatliche Rundfunksendung „Abenteuer Veränderung“ nichts dran ändern.
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