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Kolumne KapitalozänPoe’s X-Wing Fighter statt Bitcoin

Bitcoin, Bitcoin, Bitcoin, Bitcoin, Bitcoin, Bitcoin, Bitcoin, Bitcoin. Der Hype ist unerträglich. Und er schmerzt. Die wahre Geschichte einer Fehlinvestition.

Jedi-Dame Rey: Kaufen Sie Star Wars-Lego, dann bunkern und über die Bitcoin-Deppen lachen Foto: Lucasfilm

D er letzte Mensch, der mir beim Geldanlegen half, war mein Neffe. Weihnachten vor zwei Jahren war das, er war damals zehn Jahre alt. Wir bastelten gerade Kylo Rens Kommandoshuttle von Lego Star Wars zusammen. Ich erzählte begeistert von Goldzertifikaten, Push- und Pull-Optionen, griechischen Staatsanleihen, Millionen für Start-ups, der Kunst, Aktienblasen zu erkennen, und dem neuen Ding: Kryptowährungen. Der Neffe sagte gelangweilt: „Du hast keine Ahnung. Kauf Lego. Der Ultimate Collector’s Millennium Falcon von 2009 ist heute voll viel wert.“

Recht hatte er. Das Ding kostete einst 300 Euro und nun stand es für 4.500 Euro auf Amazon. Ich war begeistert. Knuddelte meinen Neffen, versprach ihm eine Gewinnbeteiligung von 10 Prozent und bestellte noch am selben Tag einen weiteren Kylo-Ren-Kommandoshuttle, dazu Poe’s X-Wing Fighter, den Imperial Shuttle Tydirium und das damals aktuelle Modell des Millennium Falcon. Ich wollte die Bausätze mehrere Jahre originalverpackt einlagern und dann mit gewaltigem Gewinn verkaufen. Eigentlich sollte ich für eine Kolumne damals einen dieser skurrilen Bitcoins kaufen, aber Lego war viel cooler.

Diese Geschichte ist wirklich wahr. Fragen Sie jetzt nicht, was Poe’s X-Wing Fighter heute wert ist. Ich hab vor zwei Jahren statt in Bitcoins in Lego-Raumschiffe investiert. Das schmerzt sehr.

Oh, wie es schmerzt! Oh, dieser Schmerz! Die Kurve, die stetig steigende Kurskurve des Bitcoins, sie schmerzt wie der Fußball, den mir ein Elfmeterschütze beim Schulfußballturnier 1993 in die Klöten donnerte. Bitcoin, oh Bitcoin. Mit dir schwebe ich losgelöst in einem Raumschiff aus superhartem Kryptoglas durch den Orbit, liege in einer Badewanne aus reinem Bergkristall, gefüllt mit zarter Elbenmilch, wo mich domestizierte, breit grinsende Makakenaffen massieren, während ich mit dem Joystick meinen Superlaser ausrichte und alle Bösewichte der Welt von hoch oben pulverisiere. Zisch, wusch, brzl. Ich bin Superarzt, der Rächer.

Das ist das Kapitalozän

ist ein eigenes Erdzeitalter. In dieser Kolumne geht es ums Überleben in selbigem. Vielleicht kennen Sie bereit das Anthropozän. Super Palaverthema. Wie die Kreidezeit, das Jura oder das Paläoproterozoikum, so ist auch das Anthropozän ein eigenes Erdzeitalter. Es besagt, dass die Menschheit durch Acker- und Bergbau, durch Städte, Atombomben und Straßen die Erde so sehr umgegraben hat, dass man das noch in 1000 Millionen Jahren im Gestein erkennen wird.

Das Kapitalozän ist die linksökologische Erweiterung des Anthropozäns. Demnach ist es nicht der Mensch an sich, der Ánthropos, der den Planeten geologisch verändert. Nein, es sind die Kapitalisten. Schließlich können, global gesehen, die meisten Menschen nichts für die Naturzerstückelung.

So hätte es sein können. Geht gerade vielen so. Menschheit starrt auf Bitcoinkurs. Wie bekiffte Priester auf Blut weinende Marienstatuen. Erlöse uns von diesem Alltag, oh Bitcoin, vom Dezembermatsch, vom nasskalten Fußschweiß.

Ja, der Bitcoin ist ein Hype, doch wie schön wäre es, wäre er keiner. Es ist nun wirklich kein Zeichen der nahenden Finanzapokalypse, wenn vernunftbegabte Menschen ihr Geld in etwas stecken, das nichts als eine Idee ist und dessen Wert nur daraus entsteht, dass alle dran glauben. Die Weltwirtschaft funktioniert so. Gut, Dollarscheine kann man auf der Straße verbrennen, Bitcoins nicht, aber lassen wir die Details.

Gut, Dollarscheine kann man auf der Straße verbrennen, Bitcoins nicht

Die Idee Bitcoin war grandios. Schaffen wir ein Geld, das von niemandem kontrolliert wird. Der Traum eines jeden Anarchos, keine Macht für niemand. Ist natürlich voller Humbug, die Blockchain-Technik wird vom System assimiliert oder vernichtet. Wir sind die Borg. Ich tippe auf: Großer Knall, Bitcoin-Blase platzt, dann Übernahme der Technologie durch den Bankensektor, passiert gerade schon. Nennt sich Kapitalismus.

PS: Sie sammeln Lego? Kontaktieren Sie mich!

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Ingo Arzt
ehem. Wirtschaftsredakteur
Beschäftigte sich für die taz mit der Corona-Pandemie und Impfstoffen, Klimawandel und Energie- und Finanzmärkten. Seit Mitte 2021 nicht mehr bei der taz.
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2 Kommentare

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  • Mich nerven eher die ganzen unsachlichen und fehlerbehafteten Artikel & Kommentare zum Thema BTC.

    Früher hat sich keines der Mainstream-Medien dafür interessiert. Dann vor einigen Jahren erschienen die ersten Artikel zum "bösen Darknet" in Verbindung mit Bitcoin und nun scheint es en vogue zu sein, daß Jeder, aber auch wirklich jeder irgendetwas über die "Blase" schreiben muß. Korrekte Formulierungen, Fakten oder Sachlichkeit spielen da keine große Rolle mehr - Hauptsache auch etwas schreiben.

     

    Wobei man bei der taz ja schon seit einiger Zeit gute Artikel mit BTC honorieren konnte. Bisher habe ich auch immer einige Satoshi dafür übrig gehabt - bisher.

     

    Frohes Fest ฿ !

  • Man kann Bitcoins sehr wohl "verbrennen". Einfach die wallet.dat löschen oder eben die Festplatte abfackeln.

    Das freut auch alle Anteilseigner. Den die sind unwiederbringlich weg und der Kurs geht nach oben.